Urteil des OLG Oldenburg vom 03.07.2003

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Gericht:
OLG Oldenburg, 09. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 9 W 30/03
Datum:
03.07.2003
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 475 Abs 1
Leitsatz:
Wirksamer Gewährleistungsausschluss beim Gebrauchtwagenkauf durch Verkauf eines fahrbereiten
Autos „Bastlerauto“
Volltext:
9 W 30/03
8 O 1069/03 Landgericht Oldenburg
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
J... W... , ... , ... S... ,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ... ,
gegen
G... GmbH vertreten durch den Geschäftsführer G... , ... , ... W... ,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ... ,
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss des Landgerichts Oldenburg
vom 03. Juli 2003 geändert: Dem Kläger wird für das Klagverfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe in Form
von Ratenzahlung bewilligt.
...
Gründe
1. Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin nach Rücktritt vom Kaufvertrag den Preis, den er für einen
Gebrauchtwagen gezahlt hat, zurück und begehrt im übrigen Ersatz von Aufwendungen, die ihm in diesem
Zusammenhang entstanden sein sollen.
Die Beklagte bestreitet die Mangelhaftigkeit des verkauften Gebrauchtwagens und beruft sich im übrigen darauf,
dass der Wagen ausweislich des Vertragsformulars als „Bastlerfahrzeug, ohne Garantie“ –so der handschriftliche
Eintrag in der Spalte Sondervereinbarungen verkauft worden sei.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe verweigert. Gewährleistungsansprüche
stünden dem Kläger nicht zu, weil er das Auto als Bastlerfahrzeug gekauft habe.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Antragsgegnerin kann sich gemäß § 475 I 1 BGB nicht darauf berufen, das Fahrzeug ohne Garantie als
„Bastlerfahrzeug“ verkauft zu haben. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist –weil der Antragsteller
Verbraucher und die Antragsgegnerin Unternehmerin ist als Verbrauchsgüterkauf im Sinne der §§ 474 ff BGB zu
qualifizieren. Dies bedeutet, dass die Antragsgegnerin die Gewährleistung für etwaige Mängel grundsätzlich nicht
ausschließen kann und dass Umgehungen dieses Verbotes unwirksam sind (§ 475 I 2 BGB). Die Bezeichnung des
Autos als Bastlerfahrzeug stellt im konkreten Fall eine solche Umgehung des § 475 I 1 BGB dar. Die Beklagte
selbst räumt in ihren Schriftsätzen ein, dass die Formulierung „Bastlerauto“ von ihr gewählt wurde, weil sie sich
außerstande sah, eine Gewähr für die Mangelfreiheit des Autos zu übernehmen, und nicht etwa deshalb, weil man
meinte, dass das Auto nach seiner Beschaffenheit nicht mehr dazu imstande sein sollte, im Straßenverkehr genutzt
zu werden. So ging es dem Antragsteller, der nicht etwa Kraftfahrzeugmechaniker sondern Matrose ist, auch nur
darum, ein Auto zum Fahren und nicht zum Basteln zu erwerben. Dies dürfte im übrigen der Verkehrserwartung
entsprechen, wenn sich ein potentieller Kunde, wie hier geschehen, an einen professionellen Autovertragshändler
und nicht an einen Schrotthändler wendet. Diese Erwägung wird im übrigen bestätigt durch den Preis, den die
Beklagte für das Fahrzeug verlangte, nämlich 4.900 €. Dies entspricht, wie durch eine kurze Internetrecherche in
einschlägigen Portalen zu belegen ist, dem gängigen Preis für Gebrauchtwagen des verkauften Typs mit
entsprechender Laufleistung. Die Beklagte hat mit anderen Worten den gängigen Marktpreis für einen
entsprechenden Gebrauchtwagen verlangt. Sonstige Gründe, die dafür sprechen könnten, dass die Parteien
tatsächlich nur ein Auto zum Basteln und nicht zum Fahren gemeint haben könnten, hat die Beklagte, die insoweit
darlegungspflichtig ist, nicht genannt.
Den o.g. Erwägungen, die zu einer Haftung der Beklagten führen, kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten
werden, dass der Antragsteller sich freiwillig auf die Vereinbarung eingelassen hat, denn aus dem Sinn des § 475 I
BGB ergibt sich, dass die Abbedingung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche beim Verbrauchsgüterkauf
insoweit privatautonomer Regelung entzogen ist, so dass der in diesem Zusammenhang streitigen Frage, ob der
Antragsteller die Bedeutung der Eintragung überhaupt erfasst hat, nicht weiter nachzugehen ist.
Das Gericht verkennt schließlich nicht, dass die vorgenannte Rechtsanwendung im Vergleich zur alten Rechtslage
vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eine verschärfte Haftung der Gebrauchtwagenhändler
bewirkt. Diese können der Sache nach ihre Haftung nur in der Weise einschränken, dass etwaige Mangel dem
Verkäufer positiv bei Abschluss bekannt gegeben werden (§ 442 I 1 BGB) oder dass in Zahlung genommene Wagen
nur vertretungsweise, aber nicht mehr im eigenen Namen des gewerblichen Unternehmers verkauft werden. Indessen
bezweckt die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie den Verbraucherschutz. Er liefe leer, gestattete man Autohändlern durch
die formelhafte Beschaffenheitsvereinbarung „Bastlerauto“ dem Verbraucher die Gewährleistungsrechte
abzuschneiden, auch wenn –wie hier es den Parteien erkennbar, um den Handel eines Autos geht, das zum Fahren
verwendet werden soll.
Auch die restlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sind schlüssig vorgetragen, so dass die
Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.
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