Urteil des OLG Oldenburg vom 07.12.1993

OLG Oldenburg: grobe fahrlässigkeit, öffentliche urkunde, unbeschränkte haftung, cmr, transportrecht, umrechnung, kurs, parkplatz, sorgfalt, diebstahl

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 96/93
Datum:
07.12.1993
Sachgebiet:
Normen:
CMR ART § 23, CMR ART § 23 ABS 3, CMR ART § 29
Leitsatz:
Zu den Sorgfaltsanforderungen beim nächtlichen Abstellen eines LKW in Sofia (1992)
Volltext:
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, daß der Schadens- er-
satzanspruch nur zu einem geringen Teil begründet ist, weil die
Beklagte nicht unbeschränkt nach § 29 CMR haftet.
Wie die Vorinstanz bereits in dem angefochtenen Urteil ausgeführt
hat, ist Art. 29 CMR (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag
im internationalen Straßenverkehr) anzuwenden. Danach kommt eine
der Höhe nach unbeschränkte Haftung nur in Betracht, wenn der Be-
klagten keine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt oder zuzurechnen
ist (vgl. auch BGH NJW 1984, 2033, 2034 zum Verschuldensbegriff
bei Art. 29 CMR). Grobe Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem MaBe verletzt
worden und unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem
einleuchten mußte (BGH a.a.O.). Die Voraussetzungen für ein so
schweres Verschulden lassen sich hier nicht feststellen. Dabei
kann offenbleiben, ob - wie das Landgericht wohl zu Unrecht als
unstreitig unterstellt hat - der Parkplatz, auf dem der LKW abge-
stellt war, nachts beleuchtet war. Moglicherweise war nur das
Zollgebäude beleuchtet. Zuzugeben ist der Berufung auch, daß das
Zollgebäude, selbst wenn es mit einem Pförtner besetzt war, keinen
wirksamen Schutz gegen Diebstahl bot, da die Bewachung des im üb-
rigen offenbar ziemlich großen Parkplatzes nicht zu den Aufgaben
des Pförtners gehorte. Gleichwohl sind hier nicht Sicherheitsmaß-
nahmen außer acht gelassen worden, die jedem sofort einleuchten
müssen, wie es für die Annahme grober Fahrlässigkeit erforderlich
ist. Der Fahrer hatte zum Schutz der Ladung im LKW übernachtet,
der auf dem Parkplatz auch nicht einsam stand, sondern zusammen
mit mehreren weiteren LKWs. Die Türen des LKW waren verriegelt und
immerhin zusätzlich mit einem Vorhängeschloß gesichert, das einen
gewissen Schutz bot. Die Verwendung eines Vorhängeschlosses ist
keineswegs allgemein üblich (vgl. OLG München Transportrecht 1993,
192), sondern stellt schon eine besondere Maßnahme dar.
Daß die konkreten Verhältnisse in Sofia und besonders an der Zoll-
abfertigungsstelle weitergehende Vorkehrungen gegen Diebstahl er-
forderten, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Es ist
weder im einzelnen vorgetragen, daß sich gehäuft Diebstähle aus
LKWs in diesem Gebiet ereignet haben, noch in einzelnen dargetan,
woraus sich die Kenntnis der Beklagten oder des Fahrers ergeben
soll. Dabei müßten der Klägerin als Versicherungsunternehmen
selbst konkrete Zahlen über die Diebstahlshäufigkeit bekannt oder
zumindest leicht zugänglich sein. Der allgemeine Hinweis darauf,
daß die Verhältnisse in Ost- und Südost-Europa seit dem Zusammen-
bruch des Ostblocks mindestens so gefährlich seien wie in Italien,
genügt nicht. Es kommt hier speziell auf die Verhältnisse in Bul-
garien an, und zwar in der Zeit vor dem hier streitigen Transport
im Jahre 1992. Die von der Klägerin zitierten Gerichtsentscheidun-
gen sind nicht einschlägig. Soweit die Klägerin auf eine Entschei-
dung des Landgerichts Frankfurt (Transportrecht 1993, 374) ver-
weist, besagt dieses Urteil für die hier zu beurteilende Frage
schon deshalb nichts entscheidendes, weil sie sich auf die Ver-
hältnisse in Polen bezieht. Außerdem hängen die Sorgfaltsanforde-
rungen im Einzelfall auch ab von dem Inhalt und insbesondere von
dem Wert der Ladung (so schon OLG München, Transportrecht 199g,
192, 193; vgl. auch BGH NJW 1984, 2033 f). Bei wertvollem und
leicht absetzbarem Ladegut (vgl. LG Frankfurt a.a.O.: Unter-
haltungselektronik) sind eher erhöhte Sicherheitsvorkehrungen
erforderlich und auch wirtschaftlich angemessen als bei billiger
Massenware, wie hier. Die T-Shirts hatten nur einen Einzelwert von
12,50 DM. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, daß die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt hier in besonders schwerem Maße
verletzt worden ist. Für den Senat bestand aufgrund des nicht
weiter konkretisierten Vortrags der Beklagten auch keine Veran-
lassung, ein Sachverstandigengutachten zu den Verhältnissen in
Sofia einzuholen.
Mit Erfolg greift die Klagerin das angefochtene Urteil mit der Be-
gründung an, die Höchsthaftung nach Art. 23 CMR sei falsch berech-
net worden, weil das Landgericht entgegen dem klaren Wortlaut für
die Umrechnung nicht den Tag des Urteils, sondern den Tag der Zah-
lung zugrundegelegt hat. Falls keine andere Vereinbarung der Par-
teien vorliegt, ist für die Umrechnung nach dem eindeutigen Wort-
laut von Art. 23 Abs. 7 CMR der Tag des Urteils maßgebend. Das
Urteil ergeht aber erst mit seiner Verkündung. Der Senat hält da-
her das Verkündungsdatum für entscheidend (so auch Widmann, Über-
einkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßen-
verkehr, S. 155, 157). Der Tenor läßt sich, weil am Verkündungstag
keine Auskunft über den Kurs mehr eingeholt werden kann, nur ab
strakt fassen. Der Senat ist mit der Klägerin der Aufassung, daß
sich daraus Probleme fur die Vollstreckung nicht ergeben, da von
der Deutschen Bundesbank eine amtliche Kursbestätigung eingeholt
werden kann, so daß der maßgebliche Kurs des Sonderziehungsrechtes
durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen werden kann.