Urteil des OLG Oldenburg vom 17.09.1996

OLG Oldenburg: auszahlung, berechtigung, empfang, beweislast, veröffentlichung, kauf, darlehensvertrag, persönlichkeit, offenlegung, auflösung

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 62/96
Datum:
17.09.1996
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 812 ABS 1, BGB § 818 ABS 3, BGB § 818, BGB § 819
Leitsatz:
Ersatzansprüche bei infolge Namensverwechslung zu Unrecht ausgezahlter Bausparsummen eines
Dritten
Volltext:
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Rückzahlung eines infolge einer Personen-
verwechslung den Beklagten ausgezahlten Bausparguthabens in Höhe
von lO.42O,62 DM.
Unter Vorlage der ihm irrtümlich von der ... zugesandten Bausparunterlagen des D.. ... und seines eigenen
Personalaus-
weises begehrte der Beklagte zu l) im Januar/Februar l995 in einer
Filiale der Klägerin Überweisung des Bausparbetrages auf das Konto
seiner Mutter, der Beklagten zu 2). Nach einer Bausparabfrage bei
der ... , zweifacher fernmündlicher Nachfragen bei der Beklagten zu
2) und ihrer persönlichen Vorsprache in der Filiale wurde der Be-
trag ihrem Konto gutgeschrieben.
Die Klägerin ersetzte der ... , nachdem sich der Sachverhalt auf
Intervention des D.. ... herausgestellt hatte, den Betrag und
ließ sich der ... zustehende Ansprüche gegen die Beklagten abtre-
ten. Der Beklagte zu l) zahlte der Klägerin 2O,62 DM zurück.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu l) habe sie mit der
Beklagten zu 2), der alle wesentlichen Umstände bekannt gewesen
seien, durch Vorlage der Bausparunterlagen bewußt getäuscht.
Zwar habe der Beklagte zu l) ebenfalls einen Bausparvertrag bei
der ... abgeschlossen; die Eckdaten seien jedoch völlig unter-
schiedlich - u.a. andere Vertragsnummer, Laufzeit seit l992,
Sollsaldo ; es sei offensichtlich, daß sein Bausparvertrag
noch nicht zuteilungsreif gewesen sein konnte.
Der Beklagte zu l) hat behauptet, er sei wie der Mitarbeiter der
Klägerin einem Irrtum unterlegen; insbesondere sei ihm nicht
bewußt gewesen, daß er eine solche Summe in der Zeit nicht habe
ansparen können. Im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung vor
Beginn seiner Arbeitslosigkeit als Autolackierer bei dem
habe er wegen der vermögenswirksamen Leistungen seinen Bau-
sparvertrag abgeschlossen. Das Geld - das die Beklagte zu 2) in
drei Teilbeträgen abgehoben und ihm übergeben habe - habe er voll-
kommen verbraucht für Dinge des Lebensunterhaltes, Trink- und Eß-
gelage und eine Anzahlung für den Führerschein seiner Frau.
Die Beklagte zu 2) hat behauptet, über die Vorgänge nicht unter-
richtet gewesen zu sein.
Das Landgericht hat nach Vernehmung eines Mitarbeiters der Kläge-
rin und der Ehefrau des Beklagten zu l) die Klage abgewiesen; die
Beklagten seien entreichert, und nach dem von ihnen gewonnenen
Eindruck sei ihnen allenfalls fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr
Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
...
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen der allein in Betracht zu ziehenden Kondik-
tions- und Deliktsansprüche auf Ersatz der dem Beklagten zu l) in-
folge einer Namensverwechslung zu Unrecht ausgezahlten Bausparsum-
me eines Dritten liegen nicht vor.
Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklag-
ten zu l) gem. §§ 8l2 Abs. l, 8l8 Abs. 2 BGB kommt nur bei einer
verschärften Haftung gem. § 8l9 Abs. l BGB infolge positiver
Kenntnis von der Nichtberechtigung in Betracht, da er sich im üb-
rigen auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 8l8 Abs. 3 BGB beru-
fen kann. Das Geld ist nach der glaubhaften Aussage der Ehefrau
des Beklagten zu l) bei der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die
durch die Angaben des Beklagten zu l) vor dem Senat nachvollzieh-
bar gestützt werden, für Dinge ausgegeben worden, die sich die
Eheleute sonst nicht geleistet hätten und durch die sie sich kei-
nen mehr vorhandenen Vermögensvorteil geschaffen haben.
Ein Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) scheitert be-
reits daran, daß sie durch die Auszahlung der Bausparsumme nichts
erlangt hat.
Deliktische Ansprüche gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB sowie
§ 826 BGB gegen beide Beklagte und i.V.m. § 83O Abs. 2 BGB gegen
die Beklagte zu 2) als Gehilfin des Beklagten zu l) setzen im Hin-
blick auf die fehlende Berechtigung zum Empfang des Geldes vor-
sätzliches Handeln voraus. Dem dafür ausreichenden bedingten Vor-
satz ist bei der Kondiktionshaftung das bewußte Sichverschließen
gegenüber der fehlenden Berechtigung und den sich daraus ergeben-
den Rechtsfolgen gleichzusetzen (vgl. jüngst BGH-Urt. vom
l2.7.l996 - V ZR 117/95 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgese-
hen).
Nach der Zeugenvernehmung und dem von den Beklagten gewonnenen
Eindruck ist der Senat wie bereits das Landgericht nicht davon
überzeugt, daß den Beklagten ein entsprechendes Bewußtsein bei der
Auszahlung der Bausparsumme vorgeworfen werden kann. Das geht zu
Lasten der Klägerin, die insoweit die Beweislast trifft.
Es ist nicht auszuschließen, daß der Beklagte zu l) trotz des da-
gegen sprechenden objektiven Geschehensablaufs - lediglich l/2
Jahr Beschäftigung mit zwei Überweisungen in Höhe von je 78,- DM
vermögenswirksamer Leistungen, Auszahlung über ein Konto seiner
Mutter - das Ansparen der Bausparsumme subjektiv für möglich ge-
halten und insoweit zwar grob fahrlässig gehandelt hat, nicht aber
eine Schädigung anderer billigend in Kauf genommen bzw. davor be-
wußt die Augen verschlossen hat. Der Beklagte zu l) hat von der
Ausgestaltung und Abwicklung von Bausparvorgängen erkennbar allen-
falls ganz diffuse Vorstellungen. In finanziellen Dingen wirkt er
völlig unbedarft. Nach der Beweisaufnahme steht fest, daß er nach
Erhalt der Bausparunterlagen, wobei die Anschriftsdaten bis auf
die auch nicht völlig unähnlichen Vornamen zutrafen, erst die Fi-
liale der Klägerin aufsuchte, nachdem ihm auf fernmündliche Anfra-
ge die Richtigkeit bestätigt worden war. Dort hat er nach der Be-
ratung über die Vor- und Nachteile einer vorzeitigen Auflösung des
Bausparvertrages unter wahrheitsgemäßer Offenlegung seiner persön-
lichen und finanziellen Verhältnisse noch einmal gefragt, ob das
seine Richtigkeit habe, und seinen Personalausweis dazu wunsch-
gemäß vorgelegt. Dieses Vorgehen läßt in Verbindung mit dem
gewonnenen Eindruck von seiner Persönlichkeit nicht den Schluß zu,
er habe damals die offenliegenden Tatsachen, die seine Nichtberech-
tigung belegen, bewußt verdrängt, um an die Bausparsumme zu gelan-
gen. Auch seine aufgebrachte Reaktion, als ihm die fehlerhafte
Auszahlung eröffnet wurde, und das spontane Rückzahlungsversprechen
erlauben keine andere Beurteilung. Beides könnte sogar auch als
Beleg dafür gedeutet werden, daß ihm erst jetzt klar geworden war,
daß es sich nicht um sein Geld gehandelt hatte, und er die daraus
sich von ihm vorgestellten Konsequenzen mildern wollte. Keines-
falls läßt dies aber den sicheren Schluß auf seine anfängliche
Bösgläubigkeit im vorgenannten Sinne zu.
Nach den in sich stimmigen Angaben der Beklagten zu 2) und dem von
ihr gewonnenen Eindruck läßt sich der Vorwurf, sie habe von den
Umständen insgesamt Kenntnis gehabt und bei der Auszahlung der
Summe insoweit bewußt mitgewirkt, nicht erhärten.
Soweit die Berufung in der mündlichen Verhandlung nach der Verneh-
mung des Mitarbeiters der Klägerin vor dem Senat ihr Klagebegehren
auch auf einen von dem Beklagten zu l) unterschriebenen Darlehens-
vertrag in Höhe der Klagesumme stützt, ist daraus ein Zahlungsan-
spruch ebenfalls nicht zu begründen. Der Zeuge hat ausdrücklich
angegeben, daß es der Klägerin um eine Darlehensvereinbarung mit
beiden Ehegatten gegangen sei, die Ehefrau des Beklagten zu l)
dies aber abgelehnt habe. Die Unterschrift des Beklagten zu l) be-
wirkt nicht - wie die Berufung meint - einen Vertragsschluß jeden-
falls mit einem Ehegatten, sondern stellt lediglich einen Teil der
für den vorgesehenen Darlehensvertrag erforderlichen Willenserklä-
rungen beider dar. Mit dem endgültigen Ausbleiben der weiteren
Voraussetzung wurde die von der Klägrin selbst vorgeschlagene ver-
tragliche Lösung mit beiden Ehegatten hinfällig. Mangels Darlegung
der weiteren Einzelheiten läßt sich eine andere Beurteilung auch-
nicht im Wege der - ergänzenden - Vertragsauslegung erreichen.
Die Berufung war daher insgesamt mit den Nebenentscheidungen aus
§§ 97 Abs. l, 7O8 Nr. lO, 7l3, 546 ZPO zurückzuweisen.