Urteil des OLG Oldenburg vom 02.06.1993

OLG Oldenburg: gegenverkehr, ampel, fahrverbot, gefährdung, kreuzung, ausnahmefall, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 178/93
Datum:
02.06.1993
Sachgebiet:
Normen:
STVG § 25, STVO § 37 ABS 2, STVO § 49 ABS 3 ., BKATV § 2 ABS 1 NR 4
Leitsatz:
Zur Anwendbarkeit von Nr. 34.2 Bußgeldkatalog auf "Frühstarter" vor einer Lichtzeichenanlage an
einer Kreuzung bei möglicher Gefährdung des Gegenverkehrs.
Volltext:
G r ü n d e :
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen eines sogenannten
fahrlässigen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 250,-- DM und ein
einmonatiges Fahrverbot festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen richtet sich ausschließlich
gegen den Umfang der Ahndung. Es werden ersichtlich die Herab-
setzung der Geldbuße von 250,-- DM auf 100,-- DM und der Wegfall
des Fahrverbots angestrebt.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs
und, da die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, insoweit zur
Zurückverweisung der Sache.
Das Amtsgericht sieht die Regelahndung mit einer Geldbuße von
250,-- DM und einem einmonatigen Fahrverbot nach Nr. 34.2 der An-
lage zu § 1 Abs. 1 BKatV in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
BKatV als verwirkt an, weil der Betroffene in die Kreuzung ein-
gefahren sei, als die Ampel für ihn 28,91 Sekunden Rotlicht ange-
zeigt habe und die für ihn geltende Rotlichtphase folglich noch
nicht abgeschlossen gewesen sei.
Diese Ausführungen tragen die Regelahndung nach Nr. 34.2 der Anla-
ge zum Bußgeldkatalog durch ein Fahrverbot neben der Geldbuße
nicht.
Diese Vorschrift dient, wie die gesetzliche Systematik in § 37
Abs. 2 Nr. 1 Satz 7, 8; sowie Nr. 2 ("entsprechende Anwendung")
und IX der VwV-STVO zu § 37 zeigt, dem Schutz möglichen und unge-
fährdeten Querverkehrs, aber auch anderen durch Wechsellicht-
zeichen geschützten Verkehrsbereichen.
Wenn ein Betroffener als extremer Nachzügler weiterfährt, obwohl
die für ihn gültige Ampel schon länger als 1 Sekunde Rot anzeigt,
ist bei den allgemein üblichen Ampelschaltungen an Kreuzungen der
dann regelmäßig schon mögliche Querverkehr abstrakt gefährdet. Das
versteht sich von selbst. Deshalb bedarf es in solchen Fällen auch
keiner näheren tatrichterlichen Feststellungen hierzu.
Neigt sich allerdings die für den Betroffenen gültige Rotlicht-
phase bereits dem Ende zu, versteht sich eine abstrakte Gefährdung
des Querverkehrs nicht mehr von selbst. Nr. 34.2 ist in solchen
Fällen normzweckkonform einschränkend auszulegen. Die Bestimmung
greift nur bei denkbarer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
ein. Es ist daher zunächst festzustellen, wie lange die für den
Betroffenen gültige Ampel noch Rotlicht anzeigte, bevor sie auf
das gleichzeitige Rot-Gelb-Licht umschaltete. Sodann ist anzu-
geben, ob zu diesem Zeitpunkt Querverkehr möglich war oder ob die
Querverkehrsampeln Rot anzeigten (vgl. Senatsbeschluß vom 02.
April 1993 - Ss 132/93).
Diese für den Querverkehr maßgeblichen Grundsätze gelten für den
hier zu bewertenden Sachverhalt entsprechend. Die mit der Begrün-
dung der Rechtsbeschwerde geäußerte Auffassung, die strenge Re-
gelung der Nr. 34.2 der Anlage zur Bußgeldkatalogverordnung diene
lediglich dem Schutz des Querverkehrs, entspricht nicht der ge-
setzlichen Vorschrift. Eine Gefährdung direkt entgegenkommender
oder abbiegend entgegenkommender Verkehrsteilnehmer ist in ähn-
licher Weise wie in den Fällen des durch Wechsellichtzeichen ge-
schützten Querverkehrs möglich. Da vorliegend der Gegenverkehr of-
fenbar zeitversetzt geschaltet war, ist demgemäß festzustellen, ob
die Grünphase für den Betroffenen schon unmittelbar bevorstand. In
einem solchen Falle läge der Regeltatbestand einer abstrakten Ge-
fährdung im Sinne von Nr. 34.2 mit der Folge, daß ein Fahrverbot
festzusetzen wäre, nicht mehr vor.
Sollte das Amtsgericht in der neuen Hauptverhandlung feststellen,
daß der Betroffene während der Grünphase des Gegenverkehrs losfuhr
und daß aufgrund des gesamten Ampelschaltplans für die betreffende
Kreuzung der Kreuzungsbereich zu diesem Zeitpunkt ausschließlich
vom Gegenverkehr befahren werden sollte, so daß dieser durch den
verfrüht einfahrenden Betroffenen abstrakt gefährdet wurde, und
daß die Grünphase für den Betroffenen auch noch nicht unmittelbar
bevorstand, so wird es die Einlasssung des Betroffenen, er habe
aufgrund eines Augenblickversagens (Irritation durch den anfahren-
den Gegenverkehr) falsch gehandelt, näher prüfen müssen. Sieht es
diese Einlassung nicht als widerlegt an, wird es sich auch damit
befassen müssen, ob der Verstoß des Betroffenen noch als Regelfall
nach § 2 Abs. 1 BKatV oder als Ausnahmefall nach § 2 Abs. 4 BKatV
zu würdigen ist.