Urteil des OLG Oldenburg vom 15.11.2001
OLG Oldenburg: treu und glauben, gesellschafter, architekt, vertragsverletzung, verjährungsfrist, vorschlag, pastor, gemeinde, einziehung, auskunft
Gericht:
OLG Oldenburg, 08. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 8 U 176/01
Datum:
15.11.2001
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 709, BGB § 426
Leitsatz:
1) Prozessführungsbefugnis des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wenn der
andere Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert.
2) Gesamtschuldnerische Haftung zwischen Architekt und Bauunternehmer.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
Geschäfts-Nr.: 8 U 176 / 01
________________________
(4 O 588/01 (61) LG Osnabrück)
Verkündet am: 15.November 2001
..., Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes !
In dem Rechtsstreit
Dipl.-Ing. ... P..., ...,
Kläger und Berufungskläger
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...,,
gegen
... N... GmbH & Co.KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin M...-B... GmbH, diese vertreten
durch die Geschäftsführer ... S..., ...-... B..., ... S..., ...-... S... und ... A...,
...,
Beklagte und Berufungsbeklagte
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2001
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Juli 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Osnabrück wird zu-rückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen
Erfolg.
1. Der Kläger ist prozeßführungsbefugt.
Der Kläger macht Ansprüche der zwischen ihm und seinem ehemaligen Mitgesellschafter A... ste-henden
Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltend. Diese Gesellschaft hat am 31. Dezember 1986 geendet. Sie besteht aber,
da sie sich des Vorhandenseins von Gesellschaftsvermögens (i. e. des Anspruchs gegen die Beklagte) berühmt, als
sog. Liquidations- oder Abwicklungsgesellschaft fort. Für die Abwicklungsgesellschaft gilt nach § 730 Abs. 2 Satz 2
BGB der Grundsatz der gemein-schaftlichen Geschäftsführung; nach dem Auslegungsgrundsatz des § 714 BGB hat
dies im Liqui-dationsstadium zur Folge, daß die ehemaligen Gesellschafter als Abwickler nur gemeinsam zur
Vertretung der Gesamthand berechtigt sind (vgl. MK/Ulmer, BGB, 3. Aufl., § 730 RdNr. 32 ff.). Grundsätzlich können
deshalb die Abwickler die Gesellschaftsforderung nur gemeinschaftlich ein-klagen; nur in besonders gelagerten
Fällen ist die Prozeßführungsbefugnis einzelner Gesellschafter zu bejahen. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGHZ 102, 152, 154 ff.; 39, 14, 16 ff.) besteht die
Prozeßführungsbefugnis eines Gesellschafters dann, wenn der andere Gesellschafter sich unter Zu-rückstellung der
Gesellschafterinteressen im bewußten Zusammenwirken mit dem Gesellschafts-schuldner weigert, an der
Geltendmachung der Gesellschaftsforderung mitzuwirken. Auf Seiten des klagenden Gesellschafters ist ein
berechtigtes Interesse daran, die Gesellschaftsforderung einzukla-gen, erforderlich; weitere Voraussetzung ist, daß
die anderen Gesellschafter die Einziehung der For-derung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem
der verklagte Gesellschafts-schuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist. In solchen Fällen kann
der klagende Gesellschafter nicht auf den umständlichen Weg verwiesen werden, zunächst den oder die anderen
Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, weil dies bei Beteiligung des
Gesellschaftsschuldners am gesellschaftswidrigen Verhalten ein unnötiger Umweg wäre.
Diese Grundsätze greifen im vorliegenden Fall ein. Die Beklagte steht unbestritten mit dem Mitge-sellschafter A...
mindestens in geschäftlichem Kontakt. Die Verhältnisse insgesamt und die Interes-senlage der – ehemaligen –
Gesellschafter sind ihr, wie aus ihrer Prozessführung und ihrem Vor-bringen deutlich wird, bestens bekannt. Der
Abschluß eines Verzichtsvertrages mit einem der ehe-maligen Gesellschafter ist zudem ein eher ungewöhnliches
und nicht häufig vorkommendes Ge-schäft. Daß sich dahinter ein gesellschaftswidriges Verhalten des
Gesellschafters A... verbergen kann, liegt auf der Hand und kann ihr nicht entgangen sein; an diesem
gesellschaftswidrigen Ver-halten hat sie sich beteiligt. Angesichts dessen sind ihre Belange weniger schutzwürdig
als die des allein klagenden Gesellschafters. Dessen Prozeßführungsbefugnis ist deshalb zu bejahen.
2. Auf einen von dem Mitgesellschafter A... angeblich erklärten Verzicht auf Ansprüche gegen die Beklagte kommt
es nicht an. Hat er tatsächlich mit der Beklagten einen Verzichtsvertrag abge-schlossen, so wäre dieser unwirksam.
Ansprüche gegen die Beklagte wären Gesellschaftsforderungen. Für die Abwicklungsgesellschaft gilt, wie bereits
ausgeführt, der Grundsatz der Gesamtvertretung. Beide Gesellschafter hätten mithin bei Abschluss des
Verzichtsvertrages gemeinschaftlich handeln müssen, es sei denn, der Kläger hätte A... zum Alleinhandeln
ermächtigt, wofür weder etwas ersichtlich noch vorgetragen ist. Der Mitgesellschafter A... hat also beim Abschluß
des angeblichen Verzichtsvertrages mit der Beklagten seine Vertretungsmacht überschritten. Nach einhelliger
Meinung (vgl. MK/Ulmer a.a.O., § 714 RdNr. 20) greifen in derartigen Fällen die Rechtsfolgen der §§ 177 – 179 BGB
ein, was bedeutet, dass der Verzichtsvertrag nur bei Genehmigung durch den Geschäftsherrn (also die
Abwicklungsge-sellschaft) wirksam wäre. Eine solche – vom Willen des Klägers als Mitliquidator abhängige – Ge-
nehmigung gibt es jedoch nicht; der Kläger verweigert gerade aus durchaus nicht gesellschaftswid-rigen Gründen die
Mitwirkung an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluß.
3. Ansprüche aus einer fehlerhaften Planung des Hallendaches stehen dem Kläger (bzw. der Ab-
wicklungsgesellschaft) gegen die Beklagte nicht zu.
Der Kläger behauptet mit der Berufungsbegründung, daß die Beklagte die fehlerhafte und zu erheb-lichen Mängeln
sowie Schadensersatzansprüchen führende Planung des Daches für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erstellt
habe. Wird dies als richtig unterstellt, so haben die Beklagte und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen
Werkvertrag geschlossen. Grundlage eines Schadensersatz-anspruchs wäre § 635 BGB. Die Werkleistung hat die
Beklagte ausweislich des Bauvertrages und der Ausschreibungsunterlagen Ende 1979/Anfang 1980 erbracht. Für
Schadensersatzansprüche aus Werkverträgen gilt die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 BGB. Klage erhoben hat
der Kläger erst im Februar 2001. Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung ausdrücklich die Einrede der
Verjährung erhoben. Etwaige Schadensersatzansprüche aus § 635 BGB sind deshalb verjährt.
Sollte sich der Kläger insoweit das Vorbringen der Beklagten zu eigen machen, folgt daraus eben-falls kein
Schadensersatzanspruch. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie sich zusammen mit dem Kläger bei dem Hersteller
des für die Dacheindeckung vorgesehenen Materials informiert und dem Kläger Unterlagen des Herstellers
übergeben habe. Weiter hat sie dem Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 19979 einen Vorschlag für den
Ausschreibungstext zugesandt. Diesen Vorschlag hat der Kläger unverändert übernommen.
Legt man diesen Sachverhalt als richtig zugrunde, so kann es allenfalls um eine Haftung der Be-klagten für einen
Rat, eine Auskunft oder eine Empfehlung gehen. Eine Ersatzpflicht besteht in der-artigen Fällen nach § 675 Abs. 2
BGB grundsätzlich nicht. Anders kann es nur dann sein, wenn die Parteien einen Auskunftserteilungsvertrag –
allenfalls ein solcher kommt hier in Betracht, weil die Tätigkeit der Beklagten ersichtlich unentgeltlich war –
geschlossen hätten. Nimmt man dies an, so fehlt hinreichendes Vorbringen dazu, daß die Beklagte ihre vertraglichen
Pflichten aus einem sol-chen Vertrag verletzt hätte. Die Weitergabe von Herstellerinformationen, mögen diese auch,
wie sich später herausgestellt hat, technische Fehler enthalten haben, ist keine Verletzung eines Aus-
kunftserteilungsvertrages. Im übrigen wären der Kläger und sein damaliger Mitgesellschafter A... als fachkundige
Planer gehalten gewesen, den Vorschlag des Herstellers für die Ausschreibung zu überprüfen. Eine Haftung der
Beklagten aus diesem Rechtsgrund ist damit ebenfalls nicht gegeben.
4. Ein Ausgleichsanspruch aus einem Gesamtschuldverhältnis besteht nicht.
Zwar können Baumängel in den Verantwortungsbereich verschiedener Baubeteiligter fallen, wenn etwa der Architekt
mangelhaft plant und der Unternehmen in Kenntnis oder schuldhafter Unkennt-nis nach dem Planungsfehler arbeitet
oder wenn der Unternehmer eine mangelhafte Leistung er-bracht und der Architekt dies im Rahmen seiner
Bauaufsicht schuldhaft nicht erkannt hat. In derar-tigen Fällen haften Architekt und Unternehmer
gesamtschuldnerisch nach § 635 BGB bzw. § 13 Nr. 5 VOB/B gleichrangig auf Schadensersatz (vgl. dazu
Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., RdNr. 1964 ff.). Um eine solche gleichrangige Haftung der Parteien geht es
hier jedoch nicht.
Die Schadensersatzpflicht des Klägers und seines Mitgesellschafters A... gegenüber der Gemeinde Geeste, die sie
nach Vergleichsschluß am 27. September 1999 in dem Vorprozeß durch Zahlung von 70.000,-- DM erfüllt haben,
beruht nämlich nicht auf § 635 BGB, sondern auf dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung.
Davon geht auch der Kläger in der Berufungsbe-gründung aus. Schadensersatzansprüche der Gemeinde G... gegen
den Kläger und A... waren näm-lich bei Klageerhebung im Vorprozeß im November 1995 bereits verjährt. Das
Bauvorhaben war offenbar bereits im Jahr 1980 abgeschlossen. Der Kläger und A... waren mit der Vollarchitektur
beauftragt, so daß die Verjährungsfrist für Ansprüche aus § 635 BGB spätestens mit Ablauf von 5 Jahren nach der
Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen die am Bau beteiligten Unter-nehmer ablief. Das Ende der
Verjährungsfrist fiel damit spätestens in das Jahr 1990. Der Kläger und A... haben sich im Vorprozeß als Beklagte
ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung berufen. Für verjährungshemmende oder verjährungsunterbrechende
Maßnahmen größeren Umfangs ist nichts ersichtlich.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH BauR 1978, 235 ff.; Werner/Pastor a.a.O., RdNr. 2398, 2404) ist der
Architekt jedoch weiter verpflichtet, nach dem Auftauchen von Baumängeln den Ursachen entschieden und ohne
Rücksicht auf eine mögliche eigene Haftung nachzugehen und dem Bauherrn rechtzeitig ein zutreffendes Bild der
tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Schadensbehebung zu verschaffen. Weiter gebietet es die dem
Architekten vom Auftraggeber einge-räumte Vertrauensstellung, dem Bauherrn im Laufe der Mängelursachenprüfung
ebenso Mängel des eigenen Architektenwerks zu offenbaren, so daß der Bauherr seine Rechte auch gegen den
Archi-tekten rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung wahrnehmen kann. Kommt der Architekt diesen Ver-pflichtungen
nicht nach, haftet er dem Bauherrn aufgrund positiver Vertragsverletzung. Derartige Ansprüche verjähren innerhalb
der Regelfrist des § 195 BGB erst nach 30 Jahren.
Auf dieser rechtlichen Grundlage beruht ersichtlich der Vergleichsschluß im Vorprozeß. Die Frage einer Haftung aus
§ 635 BGB und die Verjährung dieses Anspruchs sowie der Umstand, daß im Fall der Verjährung des
Gewährleistungsanspruchs Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung bestehen würden, war umfangreich
Gegenstand des Vorprozesses.
In diesem Fall fehlt es an einem für die Annahme einer Gesamtschuld wesentlichen Merkmal, daß nämlich der
Gläubiger berechtigt ist, die Leistung von jedem Gesamtschuldner nach seinem Belie-ben ganz oder teilweise zu
fordern. Die Beklagte, die als Bauunternehmerin nur nach § 635 BGB haftet, war nämlich nicht verpflichtet, dafür zu
sorgen, daß gegen sie oder die aus dem Kläger und A... bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichtete
Gewährleistungsansprüche nicht ver-jährten. Eine gesamtschuldnerische Verpflichtung und damit ein
Ausgleichsanspruch entfallen dann (vgl. dazu OLG Zweibrücken, BauR 1993, 625 f.).
Der Kläger kann weiterhin nicht geltend machen, er und sein ehemaliger Mitgesellschafter A... hät-ten die
Vergleichssumme nicht auf den Anspruch aus positiver Vertragsverletzung, sondern auf den
Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB gezahlt. In diesem Fall ist die Klage ebenfalls unbegründet. Denn im
Vorprozess haben der Kläger und A... diesem Anspruch gegenüber nicht nur die Verjäh-rungseinrede erhoben; dieser
Anspruch ist auch tatsächlich verjährt. Der Kläger hätte dann auf eine verjährte Schuld geleistet, was zur Folge hat,
daß er weder vom Gläubiger die Rückerstattung des Geleisteten noch von dem anderen Gesamtschuldner Ausgleich
nach § 426 Abs. 1 BGB verlangen kann (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.). Auch das Innenverhältnis zwischen
Gesamtschuldnern unter-liegt nämlich dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, was zur Folge hat,
daß es treuwidrig ist, wenn sich ein Gesamtschuldner zunächst begründetermaßen dem Gläubiger gegen-über auf
Verjährung beruft, anschließend aber dennoch den verjährten Anspruch erfüllt, um von dem anderen
Gesamtschuldner Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB zu verlangen.
5. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
... ... ...