Urteil des OLG Oldenburg vom 29.06.1994
OLG Oldenburg: fahrzeug, safe, entwendung, diebstahl, behandlung, beschädigung, gewalt, beweisführung, besitz, demontage
Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 U 79/94
Datum:
29.06.1994
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Fahrzeugversicherung - "Äußeres Bild": Beweisanforderungen bei der Ent- wendung nur einer mit dem
Fahrzeug an sich festverbundenen Innenein- richtung.
Volltext:
Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen
Anspruch gemäß § 12 Abs. 1 Nr. I b AKB auf Versicherungsleistungen
wegen des von ihm behaupteten Diebstahls, da er den ihm obliegen-
den Beweis der Entwendung von Teilen der Inneneinrichtung seines
Fahrzeugs BMW 520 i nicht geführt hat.
Zwar sind an die Beweisführung des Versicherungsnehmers in einem
Diebstahlsfall keine zu strengen Anforderungen zu stellen, weil
der Wert einer Diebstahlsversicherung sonst in vielen Fällen bei
fehlenden Tataufklärung von vornherein in Frage gestellt und der
Versicherungsnehmer sehr oft entgegen dem Zweck der Versicherung
schutzlos wäre (grundlegend BGH VersR 1984, 29; Prölss-Martin, 25.
Aufl., § 12 AKB Anm. 3 b m.w.N.). Deshalb braucht der Versiche-
rungsnehmer nur Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu
beweisen, aus denen sich das äußere Bild einer bedingungsgemäßen
Entwendung ergibt. Nicht die an Sicherheit grenzende Wahrschein-
lichkeit für den Schluß des Tatrichters auf den Eintritt des Ver-
sicherungsfalls, sondern nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit
dafür muß aus den feststehenden Umständen sich ergeben. Steht das
äußere Bild fest, kann der Versicherer seinerseits konkrete Tat-
sachen vortragen und ggfls. beweisen, aus denen sich die erheb-
liche, nicht nur die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt,
daß der Versicherungsfall doch nicht eingetreten ist.
Der Kläger hat den Beweis des äußeren Bildes eines Diebstahls
nicht erbracht. Insoweit kann aufgrund der Aussage der Zeugen
J und T davon ausgegangen werden, daß das Fahrzeug des Klägers am Abend des 04.06.1992 in der Hofeinfahrt vor
dem Hause unversehrt abgestellt worden ist, am nächsten Morgen die feststehende Dreieckscheibe der hinteren
rechten Tür des Fahrzeugs eingeschlagen war und Teile der Inneneinrichtung, nämlich zwei lederbezogene
Vordersitze, die lederbezogene Rücksitzbank, das lederbezogene Lenkrad sowie der dazugehörige
Lederschaltknüppel, die Mittelarmlehne, der Bordcomputer und das Radio mit CD-Spieler nicht mehr vorhanden
waren. Zwar passen diese Umstände zu einem Diebstahl, sie reichen jedoch angesichts der
Besonderheiten des vorliegenden Falls allein nicht aus, um das
äußere Bild der Entwendung der Fahrzeugteile zu beweisen. Dagegen
sprechen vielmehr eine Reihe von Umständen, die für einen Dieb-
stahl untypisch sind:
Schon die Tatsache, daß der oder die Täter sich bei der Entwendung
auf die Inneneinrichtung des Fahrzeugs beschränkt haben sollen,
spricht erheblich gegen das Vorliegen des äußeren Bildes einer
Entwendung (vgl. auch OLG Karlsruhe, R+S 1990, 79; OLG Hamm, R+S
1988, 161 und 356). Es ist nicht erkennbar, daß ein Dieb ein ver-
ständliches Interesse an einer derartigen Entwendung von Fahrzeug-
teilen haben könnte. Teile einer solchen Einrichtung sind in der
Regel nur für einen sehr begrenzten Kreis von Personen zur Weiter-
benutzung überhaupt von Interesse. In Betracht kommen lediglich
Besitzer des gleichen Fahrzeugtyps, wobei aber zu bedenken ist,
daß die Fahrzeuge regelmäßig vollständig eingerichtet sind. Selbst
wenn ein Dieb ausnahmsweise die Inneneinrichtung des Fahrzeugs
hätte sinnvoll verwerten können, ist kein Grund dafür erkennbar,
warum er sich bei dem Diebstahl auf Teile der Inneneinrichtung be-
schränkt haben sollte und nicht den gesamten, wesentlich wertvol-
leren PKW entwendet hat. Dies gilt umsomehr, als die Entfernung
der Inneneinrichtung einen erheblichen Zeitaufwand erfordert und
somit das Risiko der Entdeckung für einen Dieb sehr groß gewesen
wäre. Es hätte daher nahegelegen, die Einrichtung des Fahrzeugs
nicht vor dem vom Kläger bewohnten Haus auszubauen, sondern das
Fahrzeug zunächst an einen sicheren Ort zu verbringen. Anhalts-
punkte dafür, daß dies einem Dieb nicht möglich gewesen wäre, sind
nicht vorhanden.
Gegen das äußere Bild eines Diebstahls spricht hier ferner die
Tatsache, daß - abgesehen von einer zerstörten Dreieckscheibe -
keine Beschädigungen am Fahrzeug vorhanden waren, die auf einen
Diebstahl schließen lassen, sondern daß beim Ausbau der Einrich-
tung jede sonstige Beschädigung des Fahrzeugs vermieden worden
ist. Ein Grund für eine derartig "schonende" Behandlung des Fahr-
zeugs durch einen Dieb, der am Fahrzeug selbst nicht interessiert
ist, ist nicht erkennbar.
Die Tatsache, daß die Türen nicht mit Gewalt aufgebrochen worden
sind, spricht hier ebenfalls gegen das äußere Bild eines
Diebstahls. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Hitzemann
vom 26.10.1993 steht fest, daß ein Öffnen der Türen bei aktivier-
ter sogenannte "Safe-Schließung" der Zentralverriegelungseinheit
des Fahrzeugs ohne passenden Schlüssel nur nach Demontage einer
Türverkleidung möglich gewesen wäre und dies Spuren von Gewaltan-
wendung hinterlassen hätte. Derartige Spuren waren ausweislich der
Aussage des Zeugen Teckemeyer und der Feststellungen des Sachver-
ständigen nicht vorhanden. Der Sachverständige hat ferner ermit-
telt, daß die Safe-Schließung funktionstüchtig war. Da der Kläger
im Besitz aller Fahrzeugschlüssel verblieben ist, wäre das Ein-
dringen in das Fahrzeug durch Unbefugte ohne passenden Schlüssel
nur plausibel, wenn der Kläger die Safe-Schließung nicht akti-
viert hätte. Ein derartiges Versehen ist zwar denkbar, jedoch
unwahrscheinlich, da der Kläger nach seinem Vortrag regelmäßig bei
Verschließen des Fahrzeugs auch die Safe-Schließung betätigt hat.
Zudem erfordert das Einschalten dieser besonderen Diebstahls-
sicherung lediglich das Drehen des Schlüssels im Schloß um 90
Grad. Nur wenn während des normalen Schließvorgangs vorzeitig
innegehalten worden wäre, wäre die Diebstahlssicherung nicht betä-
tigt worden.
Dem äußeren Bild eines Diebstahls widerspricht schließlich die
Tatsache, daß auch das Lenkrad ohne Spuren von Gewaltanwendung
entfernt worden ist. Dies war, wie der Sachverständige ausgeführt
hat, normalerweise nur unter Verwendung eines passenden Fahrzeug-
schlüssels möglich. Zwar hat der Sachverständige weiter angegeben,
es sei theoretisch denkbar, daß in einem solchen Fall die Stahl-
schraube der Lenkradnabe in der geometrischen Einbaulage des
Sperrbolzens weggefräst werde, werde dies äußerst sorgfältig ge-
macht, so sei es möglich, durch diesen Vorgang keine Spuren am
Bolzen zu hinterlassen. Praktisch ist dem Sachverständigen ein
solcher Fall aber nicht bekannt worden. Dies zeigt, daß eine spu-
renlose Entfernung des Lenkrads ohne Verwendung eines passenden
Fahrzeugschlüssels jedenfalls sehr unwahrscheinlich ist.