Urteil des OLG Oldenburg vom 14.09.1992

OLG Oldenburg: hauptsache, anfechtung, berufungssumme, bedürfnis, widerklage, berg, ausnahme, datum, meinung

Gericht:
OLG Oldenburg, 08. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 8 W 86/92
Datum:
14.09.1992
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 567
Leitsatz:
Die Anfechtung einer Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 2 ZPO setzt neben der Kostenbeschwer
weiter voraus, daß ein über die Hauptsache (nebst Kosten) ergangenes streitiges Urteil
rechtsmittelfähig gewesen wäre.
Volltext:
Die nach §§ 99 Abs. 2, 567 Abs. 2 grundsätzlich statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist unzulässig.
Die Anfechtung einer Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 2 ZPO setzt
neben der Kostenbeschwer weiter voraus, daß ein über die Hauptsache (nebstKosten) ergangenes streitiges Urteil
rechtsmittelfähig wäre (SchlHOLG,SchlHA. 1978, 67; LG Duisburg, JurBüro 1983, 449; LG Köln, JurBüro 1986,
107;LG Stuttgart, Die Justiz 1991, 501; Zöller-Schneider, ZPO, 17. Aufl., § 99Rn. 6; Baumbach-Lauterbach-Albers-
Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 99 Anm. 11 C;Thomas-Putzo, ZPO, 16. Aufl., § 99 Anm. 3 a bb; MünchKomm-Belz,
ZPO, § 99 Rn. 20; Luchterhand Verlag, Reihe Alternativkommentare, ZPO, § 99 Rn. 3;Zimmermann, ZPO, 2. Aufl.,
§ 99 Rn. 7 f; Rosenberg-Schwab, ZPO, 14. Aufl.,Seite 951).
Der gegenteiligen Ansicht (OLG Hamm, MDR 1974, 1023; Stein-Jonas-Leipold, ZPO,20. Aufl., § 99 Rn. 6 unter
Hinweis auf § 91 a Rn. 32; Gölzenleuchter, "Zu denZulässigkeitsvoraussetzungen der sofortigen Beschwerde", NJW
1985, 2813 f)vermag der Senat nicht beizutreten.
Gemäß § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung der Entscheidung über den
Kostenpunkt unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der
Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Die isolierte Anfechtung derKostenentscheidung ist ausnahmsweise -
außer in den in den §§ 91 a Abs. 2, 269 Abs. 3 Satz 5 ZPO normierten Fällen - nur gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1ZPO
gestattet. Nach Sinn und Zweck dieser Ausnahmevorschrift soll dieAnfechtung der Kostenentscheidung (nur) in den
Fällen ermöglicht werden,in denen ein Rechtsmittel in der Hauptsache mangels Beschwer ausscheidet;"lediglich
über diese Zulässigkeits- voraussetzung hilft § 99 Abs. 2 Satz 1ZPO hinweg" (LG Köln a.a.O., vgl. auch BGH NJW
1964, 660 f).Demgegenüber müssen die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit desRechtsmittels in der
Hauptsache erfüllt sein. Anderenfalls gelangte man zu demsachlich nicht zu rechtfertigenden Ergebnis, daß bei
Streitwerten bis zu1.200,- DM durch streitiges Urteil getroffene Entscheidungen einschließlichdes Kosten-
ausspruchs unanfechtbar sind, während - bloße -Kostenentscheidungen auch in diesem Fall der isolierten
Anfechtungunterlägen.
Zwar hat der Gesetzgeber in den Regelungen der §§ 567 Abs. 3, 568
Abs. 3, 127 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ZPO festgeschrieben, wann so-
fortige Beschwerden unzulässig sind und nicht zum Ausdruck gebracht, daßeine sofortige Beschwerde - auch - bei
Nichterreichen der Berufungssummeunzulässig sein soll. Jedoch steht dies dem Grundsatz, die Anfechtbarkeiteiner
Kostenentscheidung dürfe nicht in weiterem Umfang möglich sein als diein der Hauptsache, nicht entgegen. Auch
die Tatsache, daß der Wert dervorausgesetzten Kostenbeschwer für die Anfechtung einerKostengrundentscheidung
durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz von 100,-DM auf 200,- DM heraufgesetzt worden ist, fordert keine
andereBetrachungsweise (vgl. dazu LG Stuttgart a.a.O.).
Aus den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts läßt sich nämlichableiten, daß der Gesetzgeber sich für
das Beschlußverfahren entschieden hat,wenn und soweit er einer diesem Verfahren zuzuordnenden Sache nicht
soerhebliche Bedeutung beimißt, wie den dem Urteilsverfahren vorbehaltenenAngelegenheiten oder daß er
zumindest bei derartigen Sachverhalts-gestaltungen eine Verfahrensvereinfachung anstrebt. Dann aber wäre es
"sinn-und zweckwidrig, wenn der Gesetzgeber vom Urteilsverfahren", das je nachSachlage in einem bestimmten
Rechtszug beendet ist, "Abstand nimmt und ausGründen der Vereinfachung das Beschlußverfahren wählt, damit
aber
entgegen seinen Absichten gleichzeitig einen ausgedehnteren Rechtszug als beimUrteilsverfahren eröffnen wollte
oder würde" (OLG Celle, NJW 1960, 1816 zu §271 Abs. 3 Satz 3 ZPO a.F.); es wäre mithin "sinnwidrig, einen
Rechtsbehelfzuzulassen, der gegen das Endurteil nicht gegeben ist" (Rosenberg-Schwaba.a.O.).
Deshalb ist der Beschwerdeweg grundsätzlich dem Rechtsweg in der
Hauptsache angenähert (vgl. dazu auch RGZ 1957, 310, 315 zu § 99
Abs. 3 ZPO a.F.).
So ist aus dem genannten Gesichtspunkt für Beschwerden im Prozeß-
kostenhilfeverfahren (trotz der Vorschrift des § 127 Abs. 2 Satz 2
und Satz 3 ZPO) anerkannt, daß kein Rechtsmittel zu einer Instanz
eröffnet werden soll, die nicht mit der Hauptsache befaßt sein
kann (LG Bonn, MDR 1977, 674; LG Bremen, MDR 1981, 59; LG Düsseldorf, JurBüro1982, 298; LG Oldenburg,
Beschluß vom 21.11.1985 - 1 T 980/85 = 2 a C 92/85VII Amtsgericht Westerstede; Zöller-Schneider, a.a.O., § 127
Rn. 21m.w.N.; vgl. auch BGH NJW 1970, 1274).
Dieser Grundsatz gilt auch für die - Ausnahme - Bestimmung des
§ 269 Abs. 3 Satz 5 ZPO. In diesen Fällen wird die sofortige Be-
schwerde ebenso nur insoweit zugelassen, als auch in der Haupt-
sache ein Rechtsmittel zulässig gewesen wäre (OLG Celle a.a.O.;
OLG Hamburg, MDR 1960, 772; Zöller-Stephan, § 269 Anm. 20; Rosen-
berg-Schwab a.a.O.).
Desgleichen wird nach nunmehr herrschender Meinung die sofortige
Beschwerde gegen ein nach § 91 a Satz 1 ZPO ergangenen Beschluß
nur für zulässig erachtet, wenn auch in der Hauptsache ein Rechts-
mittel gegeben wäre (OLG Karlsruhe, NJW 1987, 387; OLG Frankfurt,
NJW-RR 1988, 838; OLG Köln, FamRZ 1986, 695; LG Köln, WM 1987,
159; LG Landshut, NJW 1967, 1283; Zöller-Vollkommer, § 91 a Rn. 27;Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, § 91
a Anm. 10 D; anderer Ansicht:OLG München NJW 1970, 761).
Aufgrund der aus den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts
abgeleiteten Erwägungen und angesichts der Gleichartigkeit der ge-
nannten Verfahrensgestaltungen sieht der Senat weder Anlaß noch
ein zwingendes Bedürfnis, betreffend die Zulässigkeit der (sofor-
tigen) Beschwerde bei den genannten Ausnahmevorschriften unter-
schiedliche Maßstäbe anzulegen.
Die Berufungssumme, § 511 a ZPO, ist vorliegend nicht erreicht.
Das Landgericht hat den Streitwert bezüglich der Widerklage, auf
den allein abzustellen ist, entsprechend der Wertvorstellung der
Beklagten und Widerklägerin auf 500,- DM festgesetzt (8.239,46 DM
abzüglich der Klageforderung in Höhe von 7.739,46 DM); daß im
Streitwertbeschluß vom 21.8.1992 für die Zeit nach dem 3.7.1992
der Wert mit 1.500,- DM bis 1.800,- DM beziffert ist, ist ohne Belang, weildas Landgericht offensichtlich darüber
hinaus die durch
die Klagrücknahme entstandenen Kosten in Ansatz gebracht hat.