Urteil des OLG Oldenburg vom 25.06.1996

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Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 22/96
Datum:
25.06.1996
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 609, BGB § 242, BGB § 133, BGB § 157
Leitsatz:
Zur Auslegung einer Vereinbarung zwischen Mutter und Kinder über die Verteilung einer
Lebensversicherungssumme nach dem Tod des Vaters
Volltext:
Die Klägerin verlangt von ihrem Sohn Rückzahlung eines Darlehens.
Nach dem Tode ihres Ehemannes übertrug die Klägerin im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge durch Vertrag vom 13.4.1978 - UR.-Nr. ... des Notars ... ihren Hof auf den Beklagten
gegen Einräumung eines im einzelnen näher ausgestalteten lebenslänglichen Altenteilsrechtes und Abfindung seiner
Schwester. Einen zuvor am 7.4.1978 getätigten Landzukauf aus der Nachbarschaft in Höhe von 128.649,- DM
unterstützte die Klägerin mit 84.000,- DM, worüber die Parteien die von der Klägerin verfaßte schriftliche
Vereinbarung vom 6.5.1978 mit folgendem Wortlaut trafen:
"Die Lebensversicherungsgelder von 75.000,- DM vom verstorbenen Mann
und Vater ... geb. am 15.06.1927 und meiner privaten Darlehen von 9.ooo,- DM habe ich am 2. Mai 1978 in den
Betrieb wegen Landzukauf investiert.
Da ich von diesen Lebensversicherungsgeldern auch meiner Tochter ... geb. am 22.8.1962 1/3 des Geldes also
25.000,- DM vererben will, muß ... geb. am 25.4.1950 dieses zu beiderseitigem Einverständnis, in gegebener Zeit,
an ... zurückbezahlen.
Meine Gelder dagegen lasse ich im Betrieb, falls er verkauft oder verpachtet wird, oder ich es notfalls anderweitig
verwenden muß".
Später verschlechterte sich das Verhältnis der Parteien, das jetzt völlig zerrüttet ist. Schließlich kündigte die
Klägerin die Vereinbarung vom 6.5.1978 durch Anwaltsschreiben vom 23.11.1994 und zog am 24.2.1995 vom Hof in
ihre jetzige Mietwohnung.
Vor dem Landwirtschaftsgericht verfolgt die Klägerin Leibrentenansprüche aus der Altenteilsvereinbarung.
Die Klägerin sieht in der Vereinbarung einen Darlehensvertrag über 84.000,-- DM, der sie nach der Kündigung zur
Rückforderung berechtige.
Sie hat behauptet, der Beklagte habe ihr ein Zusammenleben auf dem Hof unmöglich gemacht. Seit ihrem von ihm
veranlaßten Verlassen des Hofes befinde sie sich in einer Notsituation. Ihre monatliche Rente von 1.821,26 DM
reichten für die notwendigen Lebenshaltungskosten nicht; ihr Konto habe sie bereits mit etwa 10.000, - DM
überzogen.
Durch Versäumnisurteil vom 10.8.1995 ist der Beklagte zur Rückzahlung von 84.000,- DM verurteilt worden.
Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch hat die Klägerin beantragt,
unter Zurückweisung des Einspruchs des Beklagten das Versäumnisurteil des Landgerichts aufrechtzuerhalten.
...
Das Landgericht hat die Vereinbarung als Darlehen beurteilt und der Klage insgesamt stattgegeben, weil die Klägerin
berechtigterweise gekündigt und der Beklagte auch keine Teilerfüllungsleistungen erbracht habe.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte sein Klag- abweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
...
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Berufung hat in der Sache zum Teil Erfolg.
Die Klägerin hat einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 607, 609 BGB in Höhe eines Drittelanteils an der
Lebensversicherungssumme (25.000,-- DM) und der Eigenersparnis (9.000,-- DM).
Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht die gemäß § 286 ZPO erforderliche volle Überzeugung
davon gewinnen können, daß die Klägerin das im Vertrag vom 6.5.1978 aufgeführte Gesamtinvestionsvolumen von
84.000,- DM dem Beklagten als Darlehen zur Verfügung gestellt hat. Das geht zu ihren Lasten. Als auf Rückzahlung
klagende Gläubigerin hat sie den Beweis für die Einigung über die Hingabe als Darlehen zu führen (vgl. nur
Palandt/Putzo, BGB, 55. Aufl., § 607 Rn. 22 m. Nachw.).
Bereits der Vertragstext ist - wie beide Parteien einräumen - nicht eindeutig.
Keine Zweifel bestehen allerdings, daß der der Klägerin zuerkannte Betrag (l/3 Lebensversicherungssumme +
Eigenersparnis) dem Beklagten als Darlehen gewährt worden ist. Das wird auch von der Berufung nicht ernsthaft in
Frage gestellt. Es sollte sich, wie der Vertragstext zumindest in diesem Punkt deutlich belegt, weiterhin um "ihre
Gelder" handeln, für die eine endgültige lebzeitige Übertragung nicht vorgesehen war.
Im übrigen enthält der Wortlaut der Vereinbarung aber Anhaltspunkte, die je nach Betrachtungsweise den Standpunkt
der Klägerin oder den des Beklagten oder sogar beide zu stützen scheinen ("vererben will"), "in gegebener Zeit",
"zurückbezahlen", "meine Gelder", "dagegen").
Auch Umstände außerhalb dieser Urkunde, wie die unstreitig zunächst gegebene alleinige Berechtigung der Klägerin
an Lebensversicherungssumme in Verbindung mit der Hofübergabe und unter Berücksichtigung, daß im
Zusammenhang mit dem Altenteilsrecht die Investition ihrer künftigen materiellen Absicherung dienen sollte,
erlauben keine sichere Beurteilung, daß die Investion 84.000,-- DM zunächst darlehnsweise von der Klägerin
vorgenommen worden ist und erst bei ihrem Tode zu
zwei Dritteln dem Hofeserben und zu einem Drittel ihrer Tochter endgültig zufallen sollte. Erst die alleinige
Berechtigung an der von ihrem Ehemann zu ihren Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung eröffnete der
Klägerin die Möglichkeit, über die Verteilung der ausgezahlten Summe zu befinden. Keine Hinweise lassen sich aber
daraus herleiten, in welcher Weise ihre Entscheidung ausfallen würde und welche Regelung sie schließlich getroffen
hat.
Ohne Erfolg bezieht sich die Berufung in diesem Zusammenhang darauf, daß die Tochter kein Exemplar des
Vertrages und vom Beklagten keinen Anteil von der Lebensversicherungssumme ausgezahlt erhalten haben soll.
Diese Umstände geben keinen entscheidenden Anhalt dafür, wie die Klägerin entsprechend der von ihr
vorformulierten Vertragsurkunde die Verteilung bestimmt hat. Der Beklagte hatte durch seine Unterschrift nur den
von seiner Mutter gemachten Vorgaben zuzustimmen. Der Senat war daher auch nicht gehalten, diesen
Behauptungen weiter nachzugehen.Die gebliebenen Zweifel an einer rechtlich verbindlich Übereinkunft der Parteien
über ein Darlehen in Höhe der Gesamtinvestition für den Landzukauf wurden durch die Aussage der geschiedenen
Ehefrau des Beklagten bestätigt. Diese hat bekundet, daß ihre Schwiegermutter in ihrem Beisein dem Beklagten die
Aufteilung der Lebensversicherungssumme in drei gleiche Teile dargelegt hat. Nach ihrem Eindruck sollte die
Tochter der Klägerin den ihr zugedachten Anteilerhalten, wenn der Betrieb des Hofes die Auszahlung finanziell
erlaubt. Das sollte durch den schriftlichen Vertrag festgehalten werden. AnhaItspunkte, die die Glaubhaftigkeit dieser
Aussage in Zweifel ziehen könnten, haben sich für den Senat nicht ergeben. Damit bleibt zumindest die Möglichkeit
bestehen, daß die Klägerin seinerzeit selbst die Verteilung auf sich und ihre beiden Kinder gewollt und vollzogen hat,
so daß zu ihren Gunsten nur von einem Darlehen in Höhe ihres Anteils und des Ersparten ausgegangen werden
kann. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, daß die unstreitig endgültige völlige Zerrüttung der Beziehungen
zwischen Mutter und Sohn der Klägerin das Recht zur Kündigung des Darlehens gibt und zwar unabhängig von den
in der Vereinbarung aufgeführten Kündigungsgründen - Verkauf, Verpachtung, Notfall. Dazu bedarf es auch nicht der
Feststellung, wo nach den gegenseitigen Schuldzuweisungen die Ursachen des Zerwürfnisses im einzelnen liegen
und wie die Einkommensverhältnisse derKlägerin sich genau darstellen. Nach den vor allen auch durch den
vorprozessualen Schriftverkehr belegten Vorwürfen und der schließlich erfolgten Reaktion der Klägerin wegzuziehen
muß von einem von beiden Seiten getragenen mehr zu heilenden Bruch des Verhältnisses ausgegangen werden.
Das ist auch der Eindruck des Senats nach der persönlichen Anhörung der Parteien.
Dieser Bruch macht es für die Klägerin unzumutbar, das betriebsbezogen gegebene Kapital weiter in dem Hof zu
belassen, da dieser nicht mehr ihrer lebenszeitigen materiellen Absicherung dient. Der Zusammenhang zwischen
Hofübertragung und Darlehenshingabe mit der Altersabsicherung ist in beiden Verträgen angesprochen. Sein Fortfalll
gibt der Darlehensgeberin das Recht zur außerordentlichen Kündigung (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 55. Aufl., § 609 Rn.
13 ff). In der genannten Höhe mußte der Berufung daher der Erfolg versagt bleiben.
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