Urteil des OLG Oldenburg vom 27.04.1999

OLG Oldenburg: darstellung des sachverhaltes, einstweilige verfügung, neues vorbringen, sequester, rücktritt, kaufvertrag, sicherheitsleistung, kaufpreis, golf, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 9/99
Datum:
27.04.1999
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 455, BGB § 985, BGB § 986 ABS 1., BGB § 273
Leitsatz:
Eigentumsherausgabeanspruch trotz Übergabe an Sequestor und an- schließender Freigabe und
Verwertung - Rückabwicklung bei Inzahlungs- nahme eines Pkw.
Volltext:
Die Klägerin verlangt auf ihr Eigentum gestützt Herausgabe eines PKW. Am 15.4.1998 verkaufte die Klägerin unter
Eigentumsvorbehalt der Firma des Ehemannes der Beklagten einen neuen PKW Golf. Der Kaufpreis in Höhe von
36.600,- DM sollte durch Inzahlungnahme eines gebrauchten PKW für 19.600,- DM und durch Barzahlung in Höhe
von 17.000,- DM entrichtet werden. Der Ehemann der Beklagten - Geschäftsführer der Käuferin - erreichte nach
Ablieferung des Altfahrzeugs und unter Vorlage eines von der ... abgestempelten Überweisungsträgers die Übergabe
des Neuwagens. Der Wagen wurde auf die Beklagte zugelassen und ihr zur Nutzung überlassen. Die Überweisung
wurde nicht ausgeführt. Die schriftliche Zahlungsaufforderung durch Anwaltsschreiben vom 28.5.1998 unter
Herausgabeverlangen bei Verstreichen der zum 2.6.1998 gesetzten Zahlungsfrist blieb ebenso erfolglos wie die
anschließenden Kontakte per Fax und Telefon.
Durch einstweilige Verfügung vom 9.7.1998 erwirkte die Klägerin Herausgabe des PKW an einen Sequester. Unter
dem 3.9.1998 erklärte die Klägerin "vorsorglich nochmals den Rücktritt von dem Kaufvertrag". Der Restkaufpreis ist
bis heute offen.
Die Beklagte hat dem Herausgabeverlangen entgegengehalten, die Käuferin sei nach ihrer Kenntnis nicht gemahnt
und in Verzug gesetzt worden. Sie habe jedenfalls ein solches Schreiben nicht erhalten. Ein Rücktritt sei nicht
erfolgt, so daß ihr aus einem Zurückbehaltungsrecht ein Besitzrecht zustehe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte sei trotz der zwischenzeitlichen Übergabe des Wagens an
einen Sequester zur Herausgabe verpflichtet; ein von der Käuferin abgeleitetes Besitzrecht stehe ihr nicht mehr zu,
nachdem die Klägerin aufgrund des Eigentumsvorbehaltes jedenfalls durch Schreiben vom 3.9.1998 wirksam von
dem Vertrag
zurückgetreten sei.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte in erster Linie ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
Nach der einstweiligen Verfügung und Sequestration sei sie nicht mehr passiv legitimiert. Auch könne die Klägerin
Herausgabe nicht verlangen, weil die Käuferin nach der Rücktrittserklärung vom 3.9.1998 sofort angeboten habe, den
PKW einschließlich der Sequestrationskosten zu bezahlen. Dieses Angebot hätte die Klägerin sofort akzeptieren
müssen und nicht stattdessen 24.000,- DM verlangen dürfen. Die Klägerin hätte zumindest das Altfahrzeug wieder
anbieten müssen; sie sei nicht berechtigt, den Neuwagen herauszuverlangen und den Altwagen weiterzuverkaufen.
Im übrigen beruft sie sich hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht im Zusammenhang mit dem in Zahlung
gegebenen PKW. Dazu überreicht sie eine Vereinbarung - ohne Datum - mit der Käuferin, in der diese ihr im Hinblick
auf den zwischenzeitlich erfolgten Rückerhalt des Neuwagens und den Verkauf des Altwagens sämtliche Ansprüche
aus dem Rückabwicklungsverhältnis abtritt und sie berechtigt, diese abgetretenen Ansprüche im eigenen Namen
gegen die Klägerin geltend zu machen.
Schließlich sei die Klage bereits deswegen abzuweisen, weil die Klägerin das Fahrzeug an einen Dritten übereignet
habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den PKW herauszugeben, aber Zug um Zug gegen Auskunftserteilung und
Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages an die Beklagte, der sich daraus ergibt, daß die Beklagte
den VW Golf der Firma ... an Dritte verkauft hat, hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung des Betrages von 19.600,-
DM.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung, mit der sie in erster Linie
rügt, die Berufungsbegründung enthalte keinen ausreichenden Berufungseingriff, sondern im Hinblick auf die
Abtretung lediglich neues Vorbringen. Nach
der Herausgabe des PKW durch den Sequester gegen Sicherheitsleistung stehe der Beklagten ein
Zurückbehaltungsrecht nicht mehr zu. Dasselbe gelte für die Hilfsanträge, insoweit habe sie der Beklagten bereits
die ausstehende Endabrechnung zugesagt.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird gem. § 543 Abs. 1 1. Halbsatz ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht der Herausgabeklage stattgegeben, nachdem die Klägerin aufgrund des
Zahlungsverzuges von ihrem Eigentumvorbehaltsrecht gem. § 455 BGB Gebrauch gemacht hat und von dem
Kaufvertrag zurückgetreten ist, wodurch auch das darauf gestützte Besitzrecht der Käuferin entfallen ist.
Die gegenüber der zutreffenden Begründung in der angefochtenen Entscheidung, auf die gem. § 543 Abs. 1 2.
Halbsatz ZPO verwiesen wird, erhobenen Rügen der Berufung greifen insgesamt nicht durch.
Die Sequestration aufgrund der einstweiligen Verfügung ändert an dem gem. § 985 BGB berechtigten
Herausgabeverlangen des Eigentümer nichts, da dadurch nur ein vorläufiger Zustand geschaffen und nicht über die
Herausgabepflicht und ein eventuelles Zurückbehaltungsrecht entschieden wird und der bisherige unmittelbare
Besitzer gegenüber dem Sequester den mittelbaren Besitz behält (allgem. Meinung vgl. nur RGH RR 1929, 104;
Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl., 1993, § 985 Rn. 39 m.v.w.N.).
Die Rücktrittsberechtigung der Klägerin ist auch nicht durch ein etwaiges Angebot der Käuferin, den Kaufpreis
nunmehr einschließlich der Sequestrationskosten bezahlen zu wollten, entfallen. Offen ist, worauf die Berufung ihre
Auffassung, die Klägerin hätte ein solches Angebot akzeptieren müssen, stützen zu können glaubt. Ein rechtlicher
Grund für
einen derartigen Annahmezwang ist nicht zu erkennen. Die Käuferin war vielmehr durch das Anwaltsschreiben vom
28.5.1998 in Verzug gesetzt worden und die Verkäuferin anschließend berechtigt, von ihrem
Eigentumsvorbehaltsrecht Gebrauch zu machen und von dem Kaufvertrag zurückzutreten. Daß sie nach dem
Verhalten des Ehemannes der Beklagten im Zusammenhang mit dem von ihm durch die Vorlage eines
Überweisungsträgers entgegen der Barzahlungsabrede erreichten Fahrzeugübergabe und den späteren
Zahlungsvertröstungen nicht mehr bereit war, sich auf ein abermaliges Zahlungsversprechen einzulassen, ist
nachvollziehbar und rechtlich nicht zu beanstanden.
Auch ein Verkauf des Altfahrzeuges steht dem Rücktritt und dem Herausgabeanspruch nicht entgegen. Nach
Übergabe dieses Fahrzeuges unter Anrechnung auf den Kaufpreis war die Klägerin unabhängig von der rechtlichen
Beurteilung einer solchen Inzahlungnahme (vgl. dazu allgem. Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 364 Rn. 5)
berechtigt, es zu verwerten.
Dem Herausgabebegehren steht auch nicht die von der Berufung zuletzt behauptete Veräußerung des PKW an einen
Dritten entgegen.
Es trifft bereits nicht zu, daß eine solche Veräußerung unstreitig ist oder sogar von der Darstellung der Klägerin
gestützt wird. In der Berufungserwiderung wird insoweit lediglich mitgeteilt, daß sich der PKW nicht mehr im Besitz
der Beklagten befindet, "weil er im Wege der Vollstreckung (gegen Sicherheitsleistung seitens der Klägerin) aus dem
erstinstanzlichen Urteil vom Sequester freigegeben worden ist."
Abgesehen davon liegt in einer solchen vorläufigen Vollstreckungsmaßnahme keine Erfüllungshandlung, die zur
Erledigung des Herausgabeverlangens führen könnte (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 91 a Rn. 4, 5, 58).
Die Klägerin hat nach wie vor ein berechtigtes Interesse, daß im Berufungsrechtszug abschließend über ihr
erstinstanzlich zugesprochenes Herausgaberecht erkannt wird und zwar grds. unabhängig davon, wie sie mit dem
Gegenstand aufgrund der vorläufigen Vollstreckung verfahren ist.
Schließlich kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg gem. § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB über die ihr eingeräumte
Nutzungsbefugnis auf ein von der Käuferin abgeleitetes Besitzrecht berufen.
Das Besitzrecht der Käuferin aus dem Kaufvertrag ist durch den Rücktritt der Klägerin entfallen.
Aus dem dadurch ausgelösten schuldrechtlichen Rückabwicklungsverhältnis mit seinen gegenseitigen Rückgewähr-
und Ersatzverpflichtungen - wie z.B. zur Wertvergütung für den Altwagen, Nutzungsherausgabe und zum
Verwendungsersatz - stehen der Beklagten selbst keine eigenen - originären - Rechte zu; eine Grundlage, Zahlung
an sich verlangen zu können und dann auch noch isoliert lediglich als Ausgleich für den in Zahlung genommenen
Altwagen, ist nicht ersichtlich. Ein dahingehendes etwaiges Zurückbehaltungsrecht der Käuferin des im Streit
stehenden PKW gibt der Beklagten unabhängig davon, ob ein Zurückbehaltungsrecht ein Recht zum Besitz i.S.v. §
986 BGB gewährt (bejahend die gefestigte Rechtsprechung des BGH, vgl. nur NJW 95, 2627 f; NJW RR 86, 282;
verneinend die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. nur Palandt/Bassenge a.a.O. § 986 Rn. 6 m.w.N.) kein den
Eigentumsherausgabeanspruch hinderndes Besitzrecht. Denn ein solches
Zurückbehaltungsrecht kann nur im Wege der Einrede geltend gemacht werden (vgl. BGH NJW 1995, 2228). Dieses
Recht steht aber nicht der Beklagten, sondern nur der aus dem Rückgewährschuldverhältnis Berechtigten zu und
kann auch nur zur Zug um Zug Leistung an
diese führen.
Im Hinblick auf die von der Beklagten jetzt - allerdings nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - vorgelegten
Abtretung der Rechte aus dem
Rückabwicklungsverhältnis könnte sich ihre Berechtigung aus abgeleitetem Recht ergeben, dem
Herausgabeverlangen der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB entgegenzuhalten, soweit sich
daraus Ansprüche der Käuferin ableiten lassen. Solche bestehen
aber nicht - wie in den Hilfsanträgen gestellt - ohne weiteres aus einem Zahlungsanspruch in Höhe des für den
Altwagen erzielten Verkaufspreises und auch nicht unbedingt in Höhe des für die Inzahlungnahme eingesetzten
Preises von 19.600,- DM; vielmehr müßte sich ein etwaiger Zahlungsanspruch aus der Differenz zwischen dem zu
vergütenden Wert des
Altwagens (vgl. BGHZ 89, 126, 132; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 364 Rn. 5) und dem Ersatz für die zwischenzeitige
Nutzung des Neuwagens durch die Beklagte ergeben. Für den letzteren Betrag besteht zwar ein Anhalt der von der
Klägerin vorgelegten DAT-Schätzungsurkunde per 30.12.1998in Höhe von 28.000,- DM im Verhältnis zum
Verkaufspreis von 36.600,- DM mit etwa 8.600,- DM, für den ersteren Betrag fehlt es aber bislang an jeglichen
Angaben. Insoweit ist die Beklagte für ihre Einrede darlegungs- und beweisbelastet. Ein solcher
Abrechnungsanspruch ist mithin nicht schlüssig dargetan.
Im Hinblick auf die in der Berufungserwiderung mitgeteilte nicht bestrittene Herausgabe gegen Sicherheitsleistung
hat sich ein solches Zurückbehaltungsrecht im übrigen erledigt (vgl. Palandt-Heinrichs a.a.O., § 273 Rn. 19).
Die Berufung war daher insgesamt mit den Nebenfolgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO
zurückzuweisen.