Urteil des OLG Oldenburg vom 03.02.1994

OLG Oldenburg: hauptsache, rechtsmittelinstanz, aufwand, kauf, beschränkung, befreiung, bauer, entstehungsgeschichte, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 2 W 87/93
Datum:
03.02.1994
Sachgebiet:
Normen:
BRAGO § 9 ABS 1, BRAGO § 51 ABS 2, BRAGO § 51 ABS 1
Leitsatz:
Der Streitwert für die Rechtsanwaltsgebühren im Prozeßkostenhilfe- Beschwerdeverfahren bestimmt
sich nach dem Wert der Hauptsache (entgegen OLG Koblenz JurBüro 1991, 253).
Volltext:
Gemäß § 51 Abs. 2 BRAGO bemißt sich im Prozeßkostenhilfeverfahren
der Gegenstandswert nach dem maßgeblichen Wert der Hauptsache. Die
spezielle Vorschrift des § 51 Abs. 2 BRAGO gilt gegenüber der all-
gemeinen Regelung in den §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 BRAGO nach
ganz überwiegender Ansicht, der der Senat folgt, auch im Beschwer-
deverfahren (BFH, JurBüro 1987, 691; OLG Hamm, JurBüro 1966, 676;
OLG München JurBüro 1970, 405; OLG Karlsruhe JurBüro 1980, 1853;
OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1218 und Rpfl 1992, 166; OLG Koblenz
JurBüro 1992, 325; Schneider, Streitwertkommentar, 9. Aufl., Rdn.
3613; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 3 unter Stichwort "Prozeßko-
stenhilfe"; Baumbach/Hartmann, ZPO, 52. Aufl., Anh. zu § 3 Rdn.
90; Zöller/Schneider, ZPO, 18. Aufl., § 13 Rdn. 16, Stichwort Pro-
zeßkostenhilfe; Gerold/Schmidt, BRAGO, 11. Aufl., § 51 Rdn. 10;
Göttlich/Mümmler, BRAGO, 17. Aufl., unter Prozeßkostenhilfeprü-
fungsverfahren 5.2.; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 6. Aufl. § 51 Rdn.
16). Der von einem Senat des OLG Koblenz (JurBüro 1991, 253) ver-
tretenen Gegenansicht, wonach der Wert sich nach den Gerichts- und
Anwaltskosten, von deren Entrichtung der Beschwerdeführer durch
die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe freigestellt werden will
(Gebührenfreistellungsinteresse), richten soll, ist nicht zu fol-
gen.
Der Wortlaut des § 51 Abs. 2 BRAGO enthält eine derartige Ein-
schränkung nicht. Auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm läßt
sich dies nicht entnehmen. Nach der amtlichen Begründung (zitiert
bei Mümmler, JurBüro 1991, 255) sollte durch § 51 Abs. 2 BRAGO
klargestellt werden, daß nicht das Interesse von der Befreiung von
Prozeßkosten, sondern der Wert der Hauptsache für die Berechnung
der anwaltlichen Gebühren maßgeblich sein sollte. Der geringeren
Bedeutung des Verfahrens werde - so die amtliche Begründung -
schon durch die in 51 Abs. 1 BRAGO bestimmten geringeren Gebüh-
rensätze Rechnung getragen.
Eine Beschränkung auf das erstinstanzliche Verfahren läßt sich aus
dieser Begründung nicht entnehmen.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Streitwert in der
Beschwerdeinstanz niedriger sein soll, obwohl der Streitgegenstand
derselbe wie in der ersten Instanz ist. Eine Herabsetzung des
Streitwertes wäre im Gegenteil systemwidrig, da die Gebühren in
der Rechtsmittelinstanz bei gleichem Streitwert eher erhöht, nicht
aber ermäßigt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie auch
im vorliegenden Fall - eine materielle Prüfung der Sach- und
Rechtslage zur Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtig-
ten Rechtsverfolgung erforderlich ist. Es ist bei dieser Sachlage
nicht einsehbar, weshalb insbesondere der Gegner, der die mate-
rielle Rechtslage zu überprüfen hat, seinen Aufwand nach dem Wert
der Kosten abrechnen soll, von denen der Antragsteller Freistel-
lung begehrt; etwas anderes mag gelten, wenn ausschließlich dessen
Bedürftigkeit in Frage steht (vgl. dazu OLG Frankfurt, JurBüro
1988, 1375; FamRZ 1991, 1218; Rpfl. 1992, 166); dies ist hier
nicht zu entscheiden.
Eine Einschränkung des § 51 Abs. 2 BRAGO ist auch nicht aufgrund
der sozialen Rolle des Prozeßkostenhilfeverfahrens (so OLG Ko-
blenz) geboten. Diesem Gesichtspunkt trägt das Gesetz schon inso-
weit Rechnung, als eine Kostenerstattung sowohl in erster Instanz
als auch im Beschwerdeverfahren nicht stattfindet, §§ 118 Abs. 1
Satz 4, 127 Abs. 1 Satz 4 ZPO. Zwar trägt der Antragsteller das
Risiko, die Kosten des eigenen Anwalts tragen zu müssen. Der Ge-
setzgeber hat dies jedoch bewußt in Kauf genommen, indem keine Re-
gelung geschaffen worden ist, die Prozeßkostenhilfe für das Pro-
zeßkostenhilfeverfahren gewährt (vgl. Baumbach/Hartmann, § 127
Rdn. 10). Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum das in erster
Instanz dem Antragsteller zuzumutende Kostenrisiko im Beschwerde-
verfahren unbillig sein sollte.