Urteil des OLG Oldenburg vom 14.10.2002
OLG Oldenburg: sparkasse, rüge, verfassungsbeschwerde, materialien, ergänzung, zusatzversicherung, entlastung, entstehungsgeschichte, rechtskraft, rechtssicherheit
Gericht:
OLG Oldenburg, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 11 UF 208/01
Datum:
14.10.2002
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 321 a
Leitsatz:
§ 321 a ZPO (Rüge fehlenden rechtlichen Gehörs) ist auf nicht rechtsmittelfähige Berufungsurteile
nicht entsprechend anwendbar.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
11 UF 208/01
5b F 2069/99 UK Amtsgericht Leer
Verkündet am 14 Oktober 2002
..., Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beschluss
In der Familiensache
... S..., ...,
Beklagter, Berufungskläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ... –
g e g en
... S..., ...,
Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ... –
hat der 11. Zivilsenat 3. Senat für Familiensachen
auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
beschlossen:
Auf Antrag des Beklagten wird in das am 05. August 2002 verkündete Urteil des Senats in den
Entscheidungsgründen auf Seite 9 nach „...sowie 308 € für J... abzusetzen.“ eingefügt: „Der Beklagte trägt weiterhin
die Darlehnsrate von 260,76 € (510 DM) für die Sparkasse E... ab und zahlt 41,27 € für seine Zusatzversicherung.“
Im übrigen wird der Antrag des Beklagten vom 20. August 2002 zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Senat hat in seinem am 05. August 2002 verkündeten Urteil bei der Berechnung des vom Beklagten zu
zahlenden Trennungsunterhalts nach § 1361 BGB für den Zeitraum ab Januar 2002 im Rahmen der Feststellung des
bereinigten Einkommens des Beklagten den Abzug von 2 Positionen, nämlich einer Darlehnsrate von 260,76 € (510
DM) an die Sparkasse E... und 41,27 € für seine Zusatzversicherung, vergessen.
Mit den wegen ihrer Einzelheiten in Bezug genommenen Anträgen vom 20.08.2002 (Bl. 108 ff Band II der Akte) will
der Beklagte eine Ergänzung des Tatbestands hinsichtlich der Feststellung dieser Positionen sowie eine
entsprechende Berichtigung der Berechnung seiner Zahlungsverpflichtung im Urteilstenor erreichen.
II.
Das Begehren des Beklagten ist zum Teil erfolgreich.
1)
Der Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist fristgerecht, § 320 Abs. 1 ZPO und auch im übrigen zulässig. Denn nach
der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag wegen der stets
gegebenen Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde auch bei einer keinem Rechtsmittel unterliegenden
Entscheidung.
In der Sache hat der Antrag Erfolg. Denn der Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes (Einfügen der Klarstellung,
dass die Darlehnsverbindlichkeit von 510 DM / 260,76 € gegenüber der Sparkasse E... weiter besteht und gezahlt
wird, vgl. Bl. 80 I, 73 f II, und der Beklagte als Beitrag zu seiner Zusatzversorgung im Monat 41,27 € leistet, Bl. 63
II) ist nach § 320 ZPO begründet. Es handelt sich um wesentliche, im Verfahren vom Beklagten vorgetragene
Punkte, die im Urteil des Senats für die Zeit ab Januar 2002 im Rahmen der ergänzenden Feststellunge in den
Entscheidungsgründen, die insoweit zum Tatbestand gehören, vergessen worden sind.
2)
Dem Antrag auf Berichtigung des Tenors konnte hingegen nicht stattgegeben werden.
Eine Berichtigung nach § 320 ZPO durfte nicht erfolgen, da diese Norm nur die Berichtigung des Tatbestandes, nicht
der Urteilsformel behandelt.
Ebensowenig kam die Berichtigung des Tenors gemäß § 319 ZPO in Betracht. Denn eine offenbare Unrichtigkeit des
Tenors liegt nicht vor. Eine solche wäre nur gegeben, wenn nicht der in den Entscheidungsgründen genannte, zu
zahlende Betrag im Tenor aufgeführt wäre. Dies ist indessen nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen
Fehler bei der zutreffenden Erfassung des Tatsachenstoffs, da Teile des Vortrags übergangen worden sind, der
gerade nicht über § 319 ZPO berichtigt werden darf (ZöllerVollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 319, Rn. 17). Eine
instanzinterne Fehlerkorrektur (vgl. auch ZöllerVollkommer, a.a.O. § 321 a, Rn. 9)ist hier nicht möglich.
Ebensowenig konnte der Tenor des Urteils nach § 321 ZPO berichtigt werden. Nach dieser Vorschrift kommt eine
Berichtigung lediglich in Form der Ergänzung in Betracht, wenn über einen Anspruch versehentlich nicht entschieden
worden ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da kein Anspruch insgesamt übergangen worden ist.
Eine Berichtigung des Urteilstenors gemäß § 321 a ZPO n.F. analog war nicht möglich.
Die Frist zur Einlegung eines solchen Antrags wäre gewahrt, § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO, und auch der erforderliche
Antrag gestellt.
Auch wenn der rechtspolitische Zweck dieser Vorschrift, eine Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dadurch
zu erreichen, dass außerhalb des Rechtsmittelverfahrens der Verfassungsbeschwerde eine fachgerichtliche
Überprüfung vorgeschaltet wird, für eine analoge Anwendung von § 321 a ZPO spricht, kommt sie im Ergebnis nicht
in Betracht.
Es bestehen bereits Bedenken, ob § 321 a ZPO auf Fälle, für die nach § 26 Nr. 5 EGZPO noch die alten
Vorschriften der ZPO gelten, analog angewendet werden kann. Dies kann aber vorliegend dahinstehen. § 321 a ZPO
n.F. betrifft nach dem Wortlaut nur Fehler in erstinstanzlichen, nicht berufungsfähigen Urteilen, also in solchen, in
denen der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteigt und in denen auch die Berufung nicht nach §
511 Abs. 2 ZPO n.F. zugelassen worden ist. Das verfahrensgegenständliche Urteil ist jedoch ein Berufungsurteil.
Die von Teilen der Lehre (ThomasPutzoReichold, ZPO, 24. Aufl., § 312 a, Rn. 18; Schmidt, MDR 2002, 915, 918;
Müller, NJW 2002, 2743, 2746) in Erwägung gezogene analoge Anwendung des § 321 a ZPO über die Verweisung
des § 525 ZPO auf Berufungsurteile, gegen die eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen § 26 Nr. 8 oder 9 EGZPO
nicht zulässig ist, kommt nicht in Betracht. Denn nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll sich die Gehörsrüge
des § 321 a ZPO allein gegen unanfechtbare erstinstanzliche Urteile richten. Dies ergibt sich aus der
Entstehungsgeschichte der Norm. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs eröffnet diese Norm dem
erstinstanzlichen Gericht eine Möglichkeit der Selbstkorrektur (vgl. Hannich/MeyerSeitz/Engers, ZPOReform
Einführung - Texte - Materialien, zu § 321 a, S. 272). Obwohl der Bundesrat dann in seiner Stellungsnahme zu § 321
a ZPO ausdrücklich darauf hingewiesen hat, die Regelung sei unvollständig, weil sie nicht alle Entscheidungen, bei
denen die Verfahrensordnung einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht mehr vorsehe, erfasse, hat die Bundesregierung
in ihrer Gegenerklärung die Erforderlichkeit der Einbeziehung weiterer Entscheidungen unter Berufung auf die
Notwendigkeit eines jeden Rechtsmittelsystems, im Interesse der Rechtssicherheit und eines effektiven
Ressourceneinsatzes verneint (vgl. Hannich/MeyerSeitz/Engers, ZPOReform Einführung - Texte - Materialien, zu §
321 a, S. 276 f). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht etwa eine Einbeziehung nicht rechtsmittelfähiger
Berufungsurteile vergessen hat, sondern er vielmehr die mit dem neuen § 321 a ZPO geschaffene Möglichkeit der
Selbstkorrektur unanfechtbarer Urteile entsprechend dem Wortlaut der Norm auf bestimmte Fälle beschränken
wollte. Damit handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die weil der Gesetzgeber bewußt nur eine Teilregelung
geschaffen hat, nicht , auch nicht mit dem Ziel der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts, extensiv ausgelegt
werden darf. Hinzukommt, dass die bereits früher von der Rechtsprechung entwickelte
Ausnahmebeschwerde/Gegenvorstellung wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit auch nur unanfechtbare
erstinstanzliche Beschlüsse und Beschwerdeentscheidungen, nicht jedoch Urteile betraf. Unter diesen Umständen
erscheint es nicht möglich, über den im Wortlaut der Norm niedergelegten Willen des Gesetzgebers hinaus § 321 a
ZPO auch auf Berufungsurteile anzuwenden (ZöllerVollkommer, ZPO, 53. Aufl., § 321 a, Rn. 3; Musielak, ZPO, 3.
Aufl., § 321 a, Rn. 2).
Da eine rechtzeitige Rüge nach § 312 a ZPO zudem gemäß § 705 Satz 2 ZPO den Eintritt der Rechtskraft hemmt,
und eine Begründetheit der Rüge eine Fortführung des Prozesses insgesamt zur Folge hat
(BaumbachLauterbachAlbersHartmann, § 321 a, Rn. 53), darf eine solche Norm allein in den nach dem Willen des
Gesetzgebers genannten Fällen angewandt werden.
Schließlich ist im vorliegenden Verfahren zur Frage der Begründetheit der Herabsetzung des Zahlbetrages ab Januar
2002 noch vorsorglich anzumerken:
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