Urteil des OLG Oldenburg vom 12.06.1990

OLG Oldenburg: sozialhilfe, stadt, bedürftigkeit, ermächtigung, unterhalt, abtretung, verwaltungsverfahren, beitrag, bestreitung, befreiung

Gericht:
OLG Oldenburg, 11. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluß, 11 WF 41/90
Datum:
12.06.1990
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1361, BGB § 1601, SGB X § 64 ABS 3 S 2
Leitsatz:
Bei Abtretung von Unterhaltsansprüchen an die Sozialhilfe gewährende Be- hörde
u.Rückermächtigung zur Geltendmachung ist für die PKH auch auf die Bedürftigkeit des
Ermächtigenden abzustellen, außer bzgl.Gerichtskosten.
Volltext:
Die Antragstellerin begehrt Prozeßkostenhilfe für die Geltendmachung von
Trennungs- und Kindesunterhalt gegen ihren Ehemann. Sie hat die Ansprüche an die Stadt X abgetreten, die ihr
Sozialhilfe gewährt. Die Stadt hat die Antragstellerin zur Geltendmachung der Ansprüche ermächtigt. Das
Amtsgericht hat Prozeßkostenhilfe verweigert unter Hinweis auf die Leistungsfähigkeit der Stadt. Auf die
Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat wie folgt entschieden:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amts-
gerichts ... geändert.
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozeßkosten-
hilfe wird abgelehnt, soweit sie zur Geltendmachung eines Unter-
halts von bis zu 1.512 DM monatlich Befreiung von den außer-
gerichtlichen Kosten und Beiordnung eines Anwalts beantragt.
Im übrigen wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Sache
zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Aus den
G r ü n d e:
Der Senat hat keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die
Geltendmachung der Unterhaltsansprüche durch die Antragstellerin.
Hierzu ist sie auf Grund der Ermächtigung der Stadt befugt.
Der Umstand, daß die Antragstellerin im Wege der gewillkürten
Prozeßstandschaft klagen will, ist jedoch bei der Prüfung der
Bedürftigkeit im Sinne von § 114 ZPO zu berücksichtigen. In der
Regel muß in einem solchen Fall die Bedürftigkeit auch in der
Person des materiell Berechtigten gegeben sein (BGH, LM Nr. 4 zu §
114 ZPO; vgl. auch Thomas/Putzo, 14. Aufl., § 114, Anm. 5; Baum-
bach/Lauterbach, 48. Aufl., § 114 Anm. 5 D, Stichwort "Fremdes
Recht" m.w.N.; OLG Celle NJW 87, 783; KG, FamRZ 89, 82). Das gilt
jedenfalls dann, wenn der Prozeß ausschließlich oder überwiegend
im Interesse des Rechtsinhabers geführt wird (vgl. Zöller, 15.
Aufl., § 114, Rndr. 7). Diese Voraussetzung ist hier zu bejahen
(ebenso Senatsbeschluß vom 07.03.1990 - 11 UF 3/90 -).
Demgemäß wäre, da die Stadt als materiell Berechtigte nicht als unvermögend anzusehen ist, die Prozeßkostenhilfe
mangels Bedürftigkeit zu verweigern, soweit die Antragstellerin als Ermächtigte Unterhalt geltend macht, d.h. im
Rahmen der gewährten Sozialhilfe (die Abtretungserklärung nebst beigefügter Ermächtigung betreffen ersichtlich nur
den Unterhalt in diesem Umfang, da für eine weitergehende Abtretung jede Grundlage fehlt). Eine Einschränkung ist
jedoch hinsichtlich der Gerichtskosten zu machen. Die Stadt wäre als Träger der Sozialhilfe gem. § 64 Abs. 3 Satz 2
Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - von den Gerichtskosten befreit, wenn sie den Unterhalt
selbst einklagen würde. Folgerichtig kann die Antragstellerin wegen der Bestreitung der Gerichtskosten nicht auf den
- zwar vermögenden, aber nach dem Sinn der genannten Bestimmung nicht zahlungspflichtigen - materiell
Berechtigten verwiesen werden. Vielmehr ist insoweit nur auf die Bedürftigkeit der Antragstellerin abzustellen. Da sie
nach den Angaben in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist,
einen Beitrag zu den Prozeßkosten zu
leisten, sind die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe bezüglich der
Gerichtskosten gegeben. Die Prüfung der sachlichen Voraussetzungen (hinreichende Erfolgsaussicht) überträgt der
Senat dem Amtsgericht (§ 575 ZPO).
Das Amtsgericht wird ferner zu klären haben, in welchem Umfang die
Antragstellerin seit dem 01.11.1989 Sozialhilfe für sich und die
Kinder bezieht. Nach dem Inhalt der Abtretungserklärung
belief sich die Sozialhilfe seinerzeit auf 1.512 DM (und überstieg damit den für die Zeit bis zum 31.10.1989
verlangten Gesamtunterhalt von 1.431 DM). Sofern die Antragstellerin seit dem 01.11.1989 weniger als 1.585 DM (=
verlangter Gesamtunterhalt seit dem 01.11.1989) Sozialhilfe erhält, ist sie bezüglich des Spitzenbetrages (Differenz
zwischen Sozialhilfebetrag und 1.585 DM) uneingeschränkt (d.h. unabhängig von der insoweit leerlaufenden
Ermächtigung der Stadt) aktiv legitimiert. Die Bedürftigkeit im Sinne von § 114 ZPO ist insoweit ausschließlich
(auch bezüglich der außergerichtlichen Kosten) nach ihren persön-
lichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu beurteilen, d.h. zu
bejahen (vgl. oben). Die Erfolgsaussichten sind wiederum vom
Amtsgericht zu prüfen.