Urteil des OLG Oldenburg vom 21.01.1992

OLG Oldenburg: dingliches recht, mietvertrag, gegenleistung, zwangsversteigerung, grundstück, eigentümer, kaufmann, feststellungsklage, grundbuch, sittenwidrigkeit

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 73/91
Datum:
21.01.1992
Sachgebiet:
Normen:
ZVG § 9 NR 2, ZVG § 57D ABS 1, BGB § 535
Leitsatz:
1. Zur Zulässigkeit der Feststellungsklage, wenn die Klägerin nicht Vertragspartei des im Streit
befindlichen Rechtsverhältnisses ist. 2. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Mietvertrages
Volltext:
Die Parteien streiten darüber, ob der zwischen den Beklagten und
dem Kaufmann X als Mietvertrag bezeichnete Vertrag mit Datum
vom 05. Februar 1990 wirksam ist. Der Grundbesitz, auf den sich
der Gebrauchsüberlassungsvertrag bezieht, befindet sich im Zwangs-
versteigerungsverfahren. Die Klägerin, eine Bank, ist die betreibende Gläubigerin.
Der Tischler A., der Sohn der Beklagten, war Eigentümer des im Grundbuch von R. verzeichneten Grundbesitzes.
Zu Gunsten seiner Eltern war ein Altenteil im Grundbuch eingetragen. Auf Antrag der Klägerin wurde die
Zwangsversteigerung über das Grundstück angeordnet. Das Versteigerungsgericht beschloß, daß auch Gebote
zugelassen werden sollen, nach denen das Altenteilsrecht erlischt. Der Kaufmann K. erhielt auf ein entsprechendes
Gebot den Zuschlag. Im Verteilungstermin leistete
der K. das Bargebot nicht. Daraufhin beantragte die Klägerin erneut die Zwangsversteigerung. Das Amtsgericht
ordnete mit Beschluß vom 02. April 1990 Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung an und bestellte den
Rechtsanwalt D. zum Zwangsverwalter. Dieser nahm das Grundstück am 05. April 1990 in Besitz. Noch an
demselben Tag unterschrieben die Beklagten ein von ihrem Sohn vorgelegtes vom 05. Februar 1990 datierendes
Schriftstück mit der Überschrift "Mietvertrag". In dem Vertrag war be-
stimmt, daß der K. den Beklagten die im einzelnen bezeichneten Wohn- und Geschäftsräume für die Zeit vom 18.
Januar 1990 bis zum 31. Dezember 2000 vermietete. Das Vertragsverhältnis sollte sich jeweils um 12 Monate
verlängern, sofern nicht eine Vertragspartei 6 Monate vor Vertragsabschluß die vertragliche Vereinbarung aufkündigt.
Als Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung verzichteten die Beklagten laut Vertrag gegenüber K. "auf die
Geltendmachung der ihnen aus dem Altenteil zustehenden weitergehenden Ansprüche, insbesondere auf die
Geltendmachung der Rechte auf persönliche Versorgung und Unterhal-
tung". In der auf den 22. November 1990 anberaumten Bietstunde
wurde trotz Anwesenheit von Bietinteressenten kein zugelassenes
Angebot abgegeben. Die Klägerin führt das darauf zurück, daß die
Interessenten von dem Bestehen eines Mietvertrages Kenntnis gehabt
haben und begehrt die Feststellung, daß der Mietvertrag unwirksam ist.
Die Feststellungsklage ist nach § 256 ZPO zulässig und auch be-
gründet. Die Tatsache, daß die Klägerin nicht Vertragspartei des
im Streit befindlichen Rechtsverhältnisses ist, steht der begehr-
ten Feststellung nicht entgegen. Eine Feststellung ist vielmehr
auch bei Rechtsbeziehungen zwischen Dritten möglich, wenn ein
rechtliches Interesse hieran gegeben ist (vgl. BGH NJW 1990, 2627,
2628; BGH NJW-RR 1987, 1522). Erforderlich ist allerdings, daß
durch das streitige Rechtsverhältnis die Rechtstellung der klagen-
den Partei berührt wird. Es genügen nicht lediglich wirtschaftli-
che Interessen. Die erforderlichen Voraussetzungen liegen bei-
spielsweise dann vor, wenn über ein dingliches Recht gestritten
wird und die klagende Partei ebenfalls ein dingliches Recht an
demselben Gegenstand hat, das durch das Recht der beklagten Partei
beeinträchtigt würde (vgl. Stein-Jonas, ZPO, 20. Aufl., Rdnr. 71
zu § 256; vgl. auch Rdnr. 39 zu § 256).
Ähnlich liegt der Fall hier. Die Beklagten nehmen ein Mietrecht
für sich in Anspruch, das aufgrund seiner Ausgestaltung Auswirkun-
gen auch gegenüber Dritten hat und insbesondere im Zwangsverstei-
gerungsverfahren die Rechtstellung des Erstehers unmittelbar be-
einträchtigt. Insofern ist auch die Rechtstellung der Klägerin als
betreibende Gläubigerin durch das Bestehen eines Mietrechts be-
rührt. Daß die Rechtstellung der Beklagten sich unmittelbar auch
auf die Rechtstellung der Klägerin auswirkt, kommt insbesondere
darin zum Ausdruck, daß es - worauf die Berufung mit Recht hin-
weist - um die Beteiligteneigenschaft der Beklagten im Zwangsver-
steigerungsverfahren geht. Als Mieter wären sie im Zwangsverstei-
gerungsverfahren zu beteiligen (§§ 9 Ziffer 2, 57 ff ZVG).
Der Feststellungsantrag ist auch zumindest in dem zuerkannten Um-
fang begründet. Der Klageantrag hatte die Feststellung zum Ziel,
daß das streitige Mietverhältnis nichtig ist. Begehrt wurde also
die Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages. Darauf deutet die
Formulierung des Klageantrags hin. Dem entsprach auch die Begrün-
dung der Klägerin, wonach der Vertrag als Scheingeschäft oder we-
gen Sittenwidrigkeit nichtig sein sollte. Das Landgericht hat dem-
gegenüber - insoweit hinter dem Klageantrag zurückbleibend - fest-
gestellt, daß der Vertrag "als Mietvertrag unwirksam ist." Sach-
lich ist die Tenorierung nicht ganz zutreffend. Der Tenor war da-
hin klarzustellen, daß zwischen den Vertragsparteien kein Miet-
vertrag zustande gekommen ist. Nur an dieser Feststellung hat die
Klägerin ein rechtliches Interesse.
Die Auffassung des Landgerichts, daß in dem Vertrag vom 5. Februar
1990 kein Mietzins als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung ver-
einbart ist und es damit an einem wesentlichen Merkmal eines Miet-
vertrages fehlt, ist zutreffend. Der Eigentümer Loens ist zwar -
wie die Klägerin sogar selbst vorträgt - nicht völlig unentgelt-
lich tätig geworden. Er hat sich vielmehr von der Beklagten zu 1.)
den Inhalt eines aufgelösten Sparguthabens übertragen lassen. Bei
dieser in dem schriftlichen Vertrag überhaupt nicht erwähnten Lei-
stung handelt es sich jedoch nicht um ein Entgelt für die Ge-
brauchsüberlassung. Zwar ist die Entrichtung des Mietzinses grund-
sätzlich auch in einer Summe und auch im voraus möglich. Die Lei-
stung der Beklagten sollte aber - schon nach dem Vortrag der Klä-
gerin - keine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung sein. Es
handelte sich vielmehr nur um eine Gegenleistung dafür, daß der
Eigentümer Loens bestimmte Rechtsakte als solche vornahm. Die Lei-
stung - deren Höhe im übrigen unbekannt ist - war nicht als ein an
der Zeitdauer der Gebrauchsüberlassung ausgerichteter Gegenwert
gedacht. Er sollte auch nicht dem Vermieter als solchem oder gege-
benfalls dann auch dem Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers
zustehen. Dementsprechend war er auch in dem als Mietvertrag be-
zeichneten Vertrag nicht als Gegenleistung erwähnt. In dem Ver-
tragswerk ist nur der Verzicht auf das Altenteil als Gegenleistung
dargestellt worden. Insoweit handelt es sich aber, weil die Be-
klagten ihre Rechte ohnehin verloren hatten, nicht um eine Gegen-
leistung, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.