Urteil des OLG Oldenburg vom 12.03.1992

OLG Oldenburg: form, versuch, höchstgeschwindigkeit, ausführung, beweisantrag, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 41/92
Datum:
12.03.1992
Sachgebiet:
Normen:
STPO § 244 ABS 3
Leitsatz:
Unzulässige Ablehnung eines in einem Bußgeldverfahren bei Abwesenheit des Betroffenen und des
Verteidigers eingereichten Beweisantrages wegen Unleserlichkeit des übermittelten Telefax.
Volltext:
Hatte der Verteidiger in einem Bußgeldverfahren vor der Hauptverhandlung, zu der weder der Betroffene noch der
Verteidiger erscheinen wollten, dem Gericht durch Telefax einen als Beweisanregung aufzufassenden Beweisantrag
übermittelt, der bei dem Gericht aber in unleserlicher Ausführung angelangt war, so darf das Gericht ihn nicht wegen
der Unleserlichkeit ablehnen; es muß versuchen, den Inhalt, ggfs. durch Rückfrage bei dem Verteidiger, aufzuklären.
Anderenfalls verletzt es die Grundsätze eines fairen Verfahrens und versagt dem Betroffenen das rechtliche Gehör.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine
Geldbuße von 130 DM festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die der Senat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1
OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat, ist begründet.
Das Urteil konnte keinen Bestand haben, weil es auf einer Ver-
letzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens beruht.
Der Betroffene war auf Anregung seines Verteidigers nach § 73 Abs. 3 OWiG durch einen ersuchten Richter des für
seinen Wohnsitz zuständigen Amtsgerichts F. vernommen worden. Das mit der Sache befaßte Amtsgericht W. hatte
Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und das persönliche Erscheinen des Betroffenen nicht angeordnet. In der
Sitzung des Amtsgerichts waren weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen. Letzterer hatte jedoch einen
Tag vor der Hauptverhandlung per Telefax dem Amtsgericht W. einen Schriftsatz übermittelt, der, auch für den
Richter erkennbar, Beweisanträge enthielt. In der Hauptver-
handlung hat das Amtsgericht durch Beschluß die Beweisanträge
zurückgewiesen, "weil sie unleserlich sind und der Inhalt nicht
erkenntlich ist".
Diese Verfahrensweise rügt der Verteidiger zu Recht als einen Ver-
stoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens. Zum Anspruch
eines Betroffenen auf ein rechtsstaatliches Verfahren gehört nach
Art. 103 Abs. 1 GG das rechtliche Gehör. Die Tatsache, daß der
Betroffene von seinem Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhand-
lung keinen Gebrauch gemacht hat, bedeutet in diesem Fall nicht,
daß er auch auf das Recht zur Äußerung zum Sachverhalt verzichtet
hätte. Das ergibt sich aus dem noch rechtzeitig vor der Hauptver-
handlung übermittelten Schriftsatz des Verteidigers, in dem Be-
weisanträge enthalten waren. Dem Anspruch des Betroffenen auf
rechtliches Gehör entspricht auf Seiten des Gerichts die Bereit-
schaft, die Ausführungen des Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen
und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 22, 267, 273; 40, 95, 104).
Diese Bereitschaft hat das Amtsgericht dem Betroffenen verweigert,
wenn es die als solche erkannten Beweisanträge wegen Unleserlich-
keit zurückgewiesen hat. Hier wäre es Pflicht des Richters ge-
wesen, unmittelbar bei Vorlage des unleserlichen Schriftsatzes,
spätestens jedoch vor der Entscheidung über die Beweisanträge
fernmündlich mit dem Verteidiger eine Klärung des Inhalts dieser
Anträge herbeizuführen. Nur auf diesem Wege wäre eine sachliche
Entscheidung über die Anträge möglich gewesen. Dies gilt insbe-
sondere deshalb, weil der Verteidiger nicht wissen konnte, daß
sein Schriftsatz in unleserlicher Form bei dem Amtsgericht Wildes-
hausen eingegangen war. Unter diesen Umständen ist die Verfahrens-
weise des Amtsgerichts ohne jeglichen Versuch, den Inhalt der
Beweisanträge aufzuklären, nicht mit den Grundsätzen der Rechts-
staatlichkeit vereinbar, so daß das Urteil, das auf diesem Verstoß
beruht, keinen Bestand haben konnte.