Urteil des OLG Oldenburg vom 25.07.2011

OLG Oldenburg: geldstrafe, wahlrecht, wechsel, bindungswirkung, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 Ss 122/11
Datum:
25.07.2011
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 335 Abs. 1, StPO § 332 a, StPO § 313 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Nach Verwerfung einer der Annahme bedürftigen Berufung kann das ausdrücklich als Beru-fung
bezeichnete Rechtsmittel auch dann nicht mehr als Revision fortgeführt werden, wenn der Übergang
noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erklärt wird.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
1. Strafsenat
1 Ss 122/11
4 Cs 511/10 Amtsgericht Wilhelmshaven
165 Js 60697/10 Staatsanwaltschaft Oldenburg
Beschluss
In der Strafsache
gegen Herrn D…P… aus W…,
geboren am … 1980 in D…,
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte,
Verteidiger: …,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 25. Juli 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am
Amtsgericht … beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 18. Januar 2011 wird auf
seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Wilhelmshaven hat den Angeklagten am 18. Januar 2011 wegen Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 7,50 € verurteilt. Gegen dieses in seiner
Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 25.Januar 2011 Berufung eingelegt,
die das Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 16. Februar 2011 die Berufung nicht angenommen und als
unzulässig verworfen hat. Nach Erhalt dieses Beschlusses hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 25.
Februar 2011 erklärt, die Berufung werde als Revision fortgeführt.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unzulässig.
Gemäß § 335 Abs. 1 StPO kann ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, statt mit der Berufung mit der Revision
angefochten werden. Dabei ist der Übergang von der Berufung zur Revision bis zum Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist von einem Monat, die hier mit der Urteilszustellung an den Verteidiger am 10. Februar
2011 begann, zulässig. Dieses gilt selbst dann, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel zuvor ausdrücklich
als Berufung bezeichnet hatte (allg. Ansicht. vgl. etwa BGH, Beschluss v. 25.01.1995, 2 StR 456/94, BGHSt 40,
395). Ob es darüber hinaus in den Fällen des § 313 Abs. 1 StPO (Verurteilung zu einer Geldstrafe von nicht mehr als
15 Tagessätzen) für die Zulässigkeit der Sprungrevision zudem zwingend der vorherigen Annahme der Berufung
bedarf (vgl. zum Meinungsstand MeyerGoßner, StPO, 54. Aufl., § 335 Rz. 21), kann im vorliegenden Fall
dahingestellt bleiben.
Denn das Landgericht hatte zu dem Zeitpunkt des Rechtsmittelwechsels bereits die Berufung des Angeklagten nicht
angenommen und sie als unzulässig verworfen. Diese Entscheidung ist gemäß § 322a Satz 1 StPO unanfechtbar.
Ihre Bindungswirkung entfällt auch nicht deshalb, weil das Berufungsgericht vor Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist, innerhalb derer der Angeklagte einen Übergang von der Berufung zur Revision hätte
erklären können, entschieden hat. Dem anderslautenden Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 25.
Oktober 2002 (3 Ss 290/02, NStZRR 2003, 53) lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Denn dort hatte der
Angeklagte ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt. Im Ergebnis dasselbe gilt für die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Frankfurt vom 29. April 1991 (355, 334/90, NStZ 1991, 506), der zugrunde lag, dass der
Angeklagte sich einen Übergang zur Revision ausdrücklich offengehalten hatte. Wird hingegen - wie hier - ein nach §
313 StPO anfechtbares Urteil ausdrücklich mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten, so kann das
Berufungsgericht hierüber jedenfalls dann sogleich entscheiden, wenn sich aus dem Vorbringen des verteidigten
Angeklagten keinerlei Hinweis auf ein mögliches künftiges Auswechseln des Rechtsmittels ergibt.
Zeitlich nach der mithin rechtsfehlerfrei erfolgten Nichtannahme und Verwerfung der Berufung war ein Wechsel zur
Sprungrevision nicht mehr zulässig. Gemäß § 335 StPO ist die Revision nur anstatt der Berufung, nicht aber
zusätzlich zu dieser statthaft. Ein Urteil kann vom Angeklagten nicht zugleich mit zwei verschiedenen Rechtsmitteln
angefochten werden. Über das hier - allein - eingelegte Rechtsmittel der Berufung hat das Landgericht am 16.
Februar 2011 abschließend entschieden. Damit ist das Wahlrecht des Angeklagten erloschen (vgl. BayObLG,
Beschluss vom 29.04.1994, 2 St RR 59, StV 1994, 364. Tolksdorf, SalgerFS, S. 405).
Der abweichenden Ansicht (vgl. SKFrisch, § 335 Rz. 28. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 55 Rz. 4 a. E.)
vermag der Senat nicht zu folgen. Sie findet - entgegen der Ansicht der Verteidigung und der
Generalstaatsanwaltschaft - in dem zur Frage des für die Rechtsmitteleinlegung zuständigen Gerichts ergangenen
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 1995 (BGHSt 40, 395) keine Stütze. Sie kann sich auch nicht
darauf berufen, die Verwerfung der Berufung besage nur etwas über deren Unzulässigkeit, nehme dem
Beschwerdeführer aber nicht das Recht, das Rechtsmittel als Revision weiterbehandeln zu lassen (so aber SKFrisch
a.a.O.). Denn ein „weiterzubehandelndes“ Rechtsmittel existiert nach dessen Verwerfung nicht mehr, weil nur ein
Rechtsmittel eingelegt werden konnte, s. o..
Nach alledem war die Revision des Angeklagten war mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als
unzulässig zu verwerfen.
… … …