Urteil des OLG Oldenburg vom 11.03.1997

OLG Oldenburg: treu und glauben, gütliche einigung, widersprüchliches verhalten, versuch, grundstück, wohnung, hütte, beschwerdeinstanz, datum, verwirkung

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 5 W 18/97
Datum:
11.03.1997
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 242, WEG § 14, WEG § 15, WEG § 23 ABS 4
Leitsatz:
Treuwidrige Durchsetzung von Beseitigungsansprüchen bez. baulicher Veränderungen in einer
Wohnungseigentumsanlage
Volltext:
G r ü n d e
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsanlage. Jeder Wohnungseigentümer hat einen der
jeweiligen Wohnung zugeordneten Gartenteil eigenständig gestaltet. In dem der Antragsgegner zu 1) befindet sich
jedenfalls seit 1988 ein von ihnen genutztes Gartenhaus. Die Antragsgegner zu 2) haben in ihrem Gartenteil ein
Betonfundament für ein Gartenhaus erstellt. Die Eigentümerversammlung hat am 09.03.1995 dem Bau des
Gartenhauses darauf mit 6 : 2 Stimmen - gegen die Stimmen der Antragsteller - zugestimmt.
Die Antragsteller begehren die Entfernung von Gartenhaus und Betonfundament; die Gärten seien
Gemeinschaftseigentum, das nicht durch qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse umgestaltet werden dürfe.
Die Antragsgegner berufen sich demgegenüber auf entsprechende Sondernutzungsrechte.
Amtsgericht und Landgericht haben das Begehren der Antragsteller zurückgewiesen. Etwaige Ansprüche gegen die
Antragsgegner zu 1) seien verwirkt und das Betonfundament der Antragsgegner zu 2) sei durch den nicht
angefochtenen Beschluß der Eigentümerversammlung gedeckt.
Die dagegen eingelegte gemäß § 45 Abs. 1 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde führt, soweit es die
Antragsgegner zu 1) betrifft, zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz; im übrigen bleibt
sie ohne Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen reichen die von ihnen getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht für
ihre Annahme aus, die Antragsteller hätten etwaige Beseitigungsansprüche verwirkt. Verwirkung setzt voraus, daß
seit der Möglichkeit, ein Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten,
die das verspätete Geltendmachen des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. nur
BGH NJW-RR 1995, 109; BayObLG WE 1997, 76, 77). Das Berufen auf die Rechtsposition stellt sich dann als
widersprüchliches Verhalten dar, das die Rechtsübung unzulässig macht (vgl. Münch.Komm.-Roth, BGB, 3. Aufl., §
242 Rdnr. 360).
Es bestehen bereits Bedenken, ob der festgestellte Zeitablauf seit 1988, von dem der Senat als
Rechtsbeschwerdegericht auszugehen hat, ausreicht, um den Verwirkungstatbestand auszufüllen. Jedenfalls fehlt
es aber an einem Verhalten der Antragsteller, wonach die Antragsgegner darauf hätten vertrauen dürfen, die
Antragsteller würden keine Beseitigungsansprüche mehr geltend machen. Daß sie ihr Wohnungseigentum nicht mehr
selbst zu Wohnzwecken nutzen, begründet ebensowenig einen solchen Vertrauenstatbestand wie der bisher
unterbliebene Versuch einer gerichtlichen Durchsetzung der behaupteten Ansprüche. Im Gegenteil haben die
Antragsteller in der Vergangenheit des öfteren darauf hingewiesen, daß sie mit baulichen Veränderungen so nicht
einverstanden sind. Ein treuwidriges Vorgehen der Antragsteller ist insoweit nicht belegt. Für etwaige
Verwirkungsumstände im Hinblick auf Art und Bedeutung des Anspruchs bzw. das (geringe) Gewicht der
Veränderung oder Beeinträchtigung fehlt es an jeglichen Feststellungen.
Das Verlangen der Antragsteller könnte sich aber auch anderen Gründen als rechtsmißbräuchlich darstellen und
damit unzulässig sein. In der Beschwerdeinstanz haben die Antragsgegner zu 1) mit Schriftsatz vom 09.07.1996
vorgetragen, der Antragsteller habe sich auf der Eigentümerversammlung vom 09.03.1995 damit einverstanden
erklärt, daß die "Hütte auf dem Grundstück des Eigentümers ... bestehen bleiben dürfe und solle"; das sei denn
auch im Protokoll festgehalten worden. Vor dem Amtsgericht haben die Antragsgegner zu 2) mit Schriftsatz vom
07.05.1996 dargelegt und unter Zeugenbeweis gestellt, die Antragsteller hätten im Rahmen derselben
Eigentümerversammlung erklärt, sie hätten gegen das Gartenhaus der Antragsgegner zu 1) nichts einzuwenden,
dieses könne stehen bleiben; nur aus Prinzip könne dem beabsichtigten Bau des Gartenhauses durch die
Antragsgegner zu 2) nicht zugestimmt werden.
Insoweit sind die Tatsacheninstanzen ihrer Verpflichtung aus § 12 FGG, die Entscheidungsgrundlagen von Amts
wegen zu beschaffen, nicht hinreichend nachgekommen. Das Verhalten der Antragsteller könnte den Einwand der
unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) begründen. Der Senat muß in der Rechtsbeschwerdeinstanz danach
zugunsten der Antragsgegner zu 1) davon ausgehen, daß die Antragsteller gegen deren Gartenhaus keine
sachlichen Bedenken hatten bzw. haben und dies auch zum Ausdruck gebracht haben. Daraufhin bestand in der
Eigentümerversammlung kein Anlaß, auch insoweit wie bei dem Vorhaben der Antragsgegner zu 2) eine
Beschlußlage herbeizuführen. Die lediglich aus einer formalen Position erfolgte Ablehnng, um einem formalen Prinzip
zu genügen, ohne inhaltlich etwas gegen solche Gartenhäuser vorzubringen zu haben, könnte sich als treuwidrig
erweisen, insbesondere, wenn zudem auch noch gleichsam willkürlich bzw. schikanös zwischen einzelnen
Wohnungseigentümern unterschieden wird. Es erscheint sachgemäß, wenn der Sachverhalt in der ersten Instanz
abgeklärt wird, wobei im Vordergrund wie stets der Versuch zu stehen hat, durch eine gütliche Einigung den
Rechtsfrieden in der Wohnungseigentumsgemeinschaft wiederherzustellen.
Nicht zu beanstanden sind hingegen die Entscheidungen der Vorinstanzen in Bezug auf das Gartenhausfundament
der Antragsgegner zu 2). Insoweit haben Amtsgericht und Landgericht rechts- und verfahrensfehlerfrei einen
Mehrheitsbeschluß zugundegelegt, der den Antragsgegnern zu 2) das Aufstellen des Gartenhauses gestattet. Die
Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Annahme eines solchen Beschlusses greifen angesichts der unstreitigen
Protokollfassung nicht durch. Dieser Beschluß, der lediglich die Gestattung einer bestimmten Gartennutzung regelt,
ist nicht nichtig. Er hätte daher, was nicht geschehen ist, in der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG
angefochten werden müssen. Damit können sich die Antragsgegner zu 2) auf eine gültige Beschlußlage berufen, die
ihnen die Aufstellung des Gartenhauses auf dem vorhandenen Fundament gestattet und dem Beseitigungsverlangen
der Antragsteller entgegensteht. Angesichts dieser klar erkennbaren Rechtslage erscheint es gemäß § 47 WEG
angemessen, den Antragstellernauch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu 2)
aufzuerlegen.