Urteil des OLG Oldenburg vom 21.02.2005

OLG Oldenburg: die post, zustellung, haftbefehl, spanien, verhaftung, vorführung, erlass, warnung, bekanntmachung, versuch

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 Ws 73/05
Datum:
21.02.2005
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 37 Abs 1, ZPO § 183, ZPO § 181
Leitsatz:
Eine Zustellung eines Haftbefehls gem. § 230 Abs 2 StPO im Ausland durch Einschreiben mit
Rückschein (§§ 37 Abs 1 StPO, 183 ZPO) ist nur wirksam, wenn der unterschriebene Rückschein zu
den Gerichtsakten gelangt. Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung genügt nicht.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
1. Strafsenat
1 Ws 73/05
2 Qs 513/04 LG Oldenburg
25 Ls 15/04 AG Oldenburg
102 Js 42845/02 StA Oldenburg
Beschluss
In der Strafsache
gegen U ... K ... ,
geboren ... 1960 in H ... ,
wohnhaft ... SPANIEN,
Verteidiger: Rechtsanwalt ... –
wegen Meineides
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 21. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Angeklagten werden der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 30.11.2004
und der Haftbefehl des Amtsgerichts Oldenburg vom 03.11.2004 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
In der Anklage vom 03.05.2004 wird dem Angeklagten vorgeworfen, am 29.05.2002 einen Meineid geleistet und den
Versuch der Strafvereitelung begangen zu haben. Die Anklage ist dem in Spanien wohnenden Angeklagten durch die
Post mit internationalem Rückschein zugestellt worden. Am 10.08.2004 ist die Anklage zur Hauptverhandlung
zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Zur Hauptverhandlung am 03.11.2004 sollte der Angeklagte
ebenfalls durch Einschreiben mit Rückschein geladen werden. Das Ladungsschreiben, das an den Angeklagten am
16.08.2004 abgesandt wurde, gelangte am 14. September 2004 ohne Rückschein mit dem Vermerk „No
reclamado/a“ wieder zu den Gerichtsakten. Am 17.10.2004 erfolgte eine erneute Ladung per Einschreiben mit
Rückschein sowie formlos. Auch dieses Ladungsschreiben gelangte am 08.11.2004 ohne Rückschein mit dem
Vermerk „No reclamado/a“ wieder zu den Gerichtsakten. Da der Angeklagte zum Hauptverhandlungstermin am
03.11.2004 nicht erschien, erließ das Amtsgericht am selben Tage einen Sicherungshaftbefehl gemäß § 230 Abs. 2
StPO. In dem Haftbefehl wird als Haftgrund genannt, dass der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung
unentschuldigt zur Hauptverhandlung nicht erschienen sei und andere Maßnahmen nicht ausreichten, um seine
Anwesenheit in der Hauptverhandlung sicherzustellen. Die vom Angeklagten eingelegte Haftbeschwerde vom
08.11.2004 hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.11.2004 verworfen und zur Begründung
ausgeführt, dem Angeklagten sei die Ladung zum Hauptverhandlungstermin durch Niederlegung förmlich zugestellt
und formlos übersandt worden. Das formlose Ladungsschreiben sei nicht zurückgekommen. Außerdem habe der
Angeklagte vor dem Termin aufgrund der Kontakte zu seinem Verteidiger von dem anstehenden
Hauptverhandlungstermin gewusst.
Die dagegen eingelegte weitere Beschwerde des Angeklagten ist zulässig (§§ 296 Abs. 2, 310 Abs. 1 StPO). Sie hat
auch in der Sache Erfolg. Der gemäß § 230 Abs. 2 StPO wegen des Ausbleibens des Angeklagten in der
Hauptverhandlung vom 03.11.2004 erlassener Haftbefehl kann keinen Bestand haben. Voraussetzung für die
Anwendung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Zwangsmittel ist eine ordnungsgemäße Ladung zur
Hauptverhandlung. Die Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten muss nach § 216 Abs. 1 StPO
schriftlich unter der Warnung geschehen, dass im Fall seines unentschuldigten Ausbleibens seine Vorführung und
Verhaftung erfolgen werde und ihm, da sie die Mitteilung der Terminsanberaumung enthält, durch deren
Bekanntmachung die Ladungsfrist (§ 217 StPO) in Lauf gesetzt wird, förmlich zugestellt werden. Für das
Zustellungsverfahren gilt § 37 StPO i. V. m. d. Zustellungsbestimmungen der ZPO. Hier wurde die Zustellung der
Ladung zur Hauptverhandlung im Ausland gemäß §§ 37 Abs. 1 StPO, 183 ZPO i. v. m. Art. 52 Abs. 1 SDÜ durch
Einschreiben mit Rückschein versucht. Ein von dem Angeklagten unterschriebener Rückschein ist jedoch unstreitig
nicht zu den Gerichtsakten gelangt. Der Nachweis der Zustellung ist demnach nicht geführt (s. § 183 Abs. 2 ZPO).
Eine wirksame Zustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein liegt nicht vor. Soweit das Landgericht
davon ausgegangen ist, die Ladung zum Hauptverhandlungstermin am 03.11.2004 sei durch Niederlegung förmlich
zugestellt worden, kann ihm nicht gefolgt werden, denn eine unmittelbare oder sinngemäße Anwendung der
Vorschriften über die Ersatzzustellung durch Niederlegung kommt bei einer Auslandzustellung nicht in Betracht. In §
183 ZPO (Zustellung im Ausland) wird nicht auf die Vorschriften über die Ersatzzustellung durch Niederlegung
verwiesen. Aus dem Umstand, dass zum Nachweis der Zustellung der Rückschein genügt ist zu schließen, dass
eine wirksame Zustellung im Ausland nur vorliegt, wenn der vom Empfänger unterschriebene Rückschein zu den
Gerichtsakten gelangt ist (vgl. auch OLG Brandenburg, StV 2003, 324). Abgesehen davon fehlt es auch an der zum
Nachweis der Ersatzzustellung durch Niederlegung erforderlichen Zustellungsurkunde mit dem in § 182 ZPO näher
bezeichneten Inhalt. Da es an einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung fehlt, waren
der Haftbefehl und der angefochtene Beschluss aufzuheben. Dass das formlose Ladungsschreiben nicht
zurückgekommen ist und der Angeklagte von seinem Verteidiger von dem anstehenden Hauptverhandlungstermin
wusste, ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Sicherungshaftbefehls mangels
ordnungsgemäßer Zustellung der Ladung fehlen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog.
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