Urteil des OLG Oldenburg vom 12.02.2009

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Gericht:
OLG Oldenburg, Senat für Bußgeldsachen
Typ, AZ:
Beschluss, Ss 426/08
Datum:
12.02.2009
Sachgebiet:
Normen:
Nds NRSchG § 5 Abs 2 Nr 3, Nds NRSchG § 3 S 2
Leitsatz:
Tatbestandsmäßig im Rahmen des § 5 Abs.1 Nr.3 Nds. NRSchG sind nur erkennbar ungeeignete
Maßnahmen der verantwortlichen Person.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
Senat für Bußgeldsachen Ss 426/08
144 Js 81571/08 StA Osnabrück
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen
L...,
geboren am …1958,
wohnhaft: …
Verteidiger:
Rechtsanwalt …
wegen Ordnungswidrigkeit – Verstoß gegen das Nds. Nichtraucherschutzgesetz
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 12. Februar 2009
durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht …, die Richterin am Oberlandesgericht … und den Richter am
Amtsgericht … beschlossen:
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das am 25.08.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Nordhorn
aufgehoben.
2. Der Betroffene wird freigesprochen.
3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur
Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Nordhorn hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 1
Abs.1 Nr.10 i.V.m. 3 Abs.1 Nr.3 des Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes (Nds. NRSchG) zu einer
Geldbuße von 120 € verurteilt.
Nach den getroffenen Feststellungen ist der Betroffene Geschäftsführer der G... Brauhaus W... GmbH. Der GmbH
wurde mit Urkunde vom 28.04.1999 die Erlaubnis zum Betrieb einer Schank und Speisewirtschaft in N... erteilt. Der
Bereich der Gaststätte, auf den sich die Erlaubnis bezieht, umfasst neben dem eigentlichen Gastraum noch einen
Veranstaltungsraum und einen zwischen Gaststätte und Veranstaltungsraum gelegenen Vorraum. Der Betroffene
nimmt bei Veranstaltungen, die von anderen Organisatoren durchgeführt werden, die Bewirtung auch im
Veranstaltungsraum vor. Erstmals mit Schreiben vom 12.12.2007 wurde der Betroffene als Geschäftsführer der
GmbH durch die zuständige Verwaltungsbehörde darauf hingewiesen, dass bei Veranstaltungen im Vorraum der
Gaststätte bzw. des Veranstaltungsraumes geraucht worden sei. Es erfolgten auch mündliche Hinweise hierauf. Der
Betroffene hat daraufhin die Aschenbecher im Vorraum entfernt und Verbotsschilder aufgehängt. In der Folgezeit
rauchten sowohl bei sog. Kloatscheterbällen, als auch bei zwei Veranstaltungen vom 17.04. und 20.04.2008 erneut
eine Vielzahl von Personen im Vorraum. Der Betroffene, der nicht selbst Organisator der Veranstaltungen war, aber
die Bewirtung übernommen hatte, befand sich während der Veranstaltungen im Veranstaltungsraum selbst.
In seiner rechtlichen Würdigung führt das das Amtsgericht aus:
„Der Betroffene hat es gem. §§ 3 S.2, 5 Abs.1 Nr.3 Nds. NRSchG vorsätzlich unterlassen, die erforderlichen
Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße gegen das Rauchverbot zu verhindern, nachdem ihm die Verstöße bekannt
geworden waren.
Der Betroffene wurde bereits im Dezember 2007 schriftlich und darüber hinaus mündlich darauf hingewiesen, dass
es zu mehrfachen Verstößen gekommen war. Die von ihm getroffenen Maßnahmen (Entfernen der Aschenbecher,
Anbringen von Schildern) stellten nicht die i.S.d. § 3 S.2 Nds. NRSchG erforderlichen Maßnahmen dar. Zusätzlich
hätten Kontrollen erfolgen müssen, ob die ergriffenen Maßnahmen überhaupt Wirkung zeigen. Bei den mindestens
stichprobenhaft durchzuführenden Überprüfungen hätte der Betroffene die Verstöße festgestellt und hätte die
rauchenden Personen vor die Tür schicken müssen. Insofern ist der Einwand des Betroffenen, er habe von den
konkret vorgeworfenen Verstößen am 17.04 und 20.04.2008 an den Abenden gar keine Kenntnis gehabt, weil er im
Veranstaltungsraum gewesen sei, unerheblich. Indem er als Verantwortlicher der Gaststätte Kenntnis davon erlangt
hatte, dass es in seinen Räumlichkeiten wiederholt zu Verstößen gekommen war, genügte er seinen sich aus dem
Nds. NRSchG ergebenden Pflichten zur Unterbindung weiterer Verstöße nicht, indem er lediglich die Aschenbecher
entfernen und Schilder aufhängen ließ ohne dann im weiteren zu kontrollieren, ob die Maßnahmen ausreichen.
Der Betroffene hat seine Verantwortlichkeit auch nicht an den Veranstalter der jeweiligen Veranstaltungen delegiert,
da er als Geschäftsführer der Gaststättenkonzessionsinhaberin Inhaber des Hausrechts für den konzessionierten
Raum bleibt.“
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Unzutreffend habe das
Amtsgericht den Vorraum unter den Gaststättenbegriff des § 1 Abs.1 S.1 Nr.10 i.V.m § 5 Abs.1 Nds. NRSchG
subsumiert. Denn der Vorraum sei öffentlich zugänglich und eröffne auch den Zugang zu anderen, nicht seinem
Hausrecht unterliegenden Räumen, so dass sich regelmäßig dort auch Personen aufhielten, die keinen Bezug zum
Gaststättenbetrieb hätten. Des weiteren überspanne das Amtsgericht, indem es eine Kontrollpflicht des Betroffenen
annehme, den Ahndungsbereich des § 5 Abs.1 Nr.3 Nds. NRSchG, der nur vorsätzliches Verhalten sanktioniere.
Die Generalstaatsanwaltschaft trägt in ihrer Stellungnahme vom 06.11.2008 vor, das Amtsgericht habe den
bußgeldbewehrten Pflichtenkreis des verantwortlichen Gaststättenbetreibers bei der Umsetzung des Rauchverbotes
rechtsfehlerhaft überdehnt. Denn bußgeldbewehrt sei lediglich das Nichtergreifen von „Maßnahmen´, nicht der
„erforderlichen Maßnahmen´. Der Gesetzgeber habe dem Verantwortlichen gerade keine Gewährleistung dafür, dass
nicht geraucht werde, auferlegt. Darüber hinaus dürfte der Begriff der „im Rahmen des Hausrechts zu ergreifenden,
erforderlichen Maßnahmen“ dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot im vorliegenden Fall nicht mehr
genügen.
II.
Der gem. § 80a Abs.1 OWiG zuständige Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und nach § 80a Abs.3
OWiG dem Senat zur Entscheidung übertragen.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
Das Amtsgericht hat durch die Annahme einer Pflicht des Betroffenen zur Kontrolle des Vorraumes sowie zum
Hinausweisen von Rauchern den Ahndungsbereich des § 5 Abs.1 Nr.3 Nds. NRSchG überdehnt.
Die Vorschrift nimmt Bezug auf die Verpflichtungen des Gaststättenbetreibers nach § 3 S.1 Nr.2, S.2 Nds. NRSchG.
Danach hat der Betreiber einer Gaststätte bei Bekanntwerden eines Verstoßes gegen das Rauchverbot die im
Rahmen des Hausrechts erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere derartige Verstöße zu verhindern. Ein
Verstoß gegen das im Rahmen des § 3 S.2 Nds. NRSchG mit dem Merkmal der erforderlichen Maßnahmen
generalklauselartig umschriebene Pflichtenprogramm erfüllt aber nicht ohne weiteres die objektiven
Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs.2 Nr. 3 Nds. NRSchG. Denn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist nur
das Unterlassen von Maßnahmen bußgeldbewehrt.
Für die Auslegung des Begriffs Maßnahmen ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass das Weglassen des
Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit in § 5 Abs.2 Nr.3 Nds. NRSchG nicht auf einem redaktionellen Versehen,
sondern vielmehr auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Dies erschließt sich aus den
Materialien zur Gesetzgebungsgeschichte.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung zum Nds. NRSchG (DrS. 15/3765) enthält zu § 5 Abs.1 Nr.3
Nds. NRSchG – E - folgende Formulierung:
„Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich
(…)
3. entgegen seinen Verpflichtungen nach § 4 Satz 2 (jetzt § 3 S.2 Nds. NRSchG) eine erforderliche Maßnahme nicht
ergreift.“
Der Begründung des Entwurfs der Landesregierung ist zu entnehmen, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtungen
nach § 4 Satz 2 des Entwurfs zugleich die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs.1 Nr.3 Nds. NRSchG – E -
erfüllen sollte (DrS 15/3765 S.14).
Da im Rahmen der Beratungen durch den Rechtsausschuss Bedenken hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit
des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit geäußert wurden, hat der im Gesetzgebungsverfahren
federführende Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in seiner Beschlussempfehlung zur
abschließenden Beratung (DrS. 15/3978 . vgl. auch DrS. 15/2957) dieses Tatbestandsmerkmal aus dem Wortlaut
des § 5 Abs.1 Nr.3 Nds. NRSchG – E - herausgenommen. In der Begründung hierzu (DrS. 15/3978 S.8) heisst es:
„Hinsichtlich der Nummer 3 hat der Rechtsausschuss auf rechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit und
Erforderlichkeit hingewiesen. Insbesondere bei großen Einrichtungen oder Behörden dürfte es seiner Auffassung
nach schwer fallen, festzustellen, ob eine Maßnahme oder ein Maßnahmenbündel im Einzelfall den Anforderungen
der Erforderlichkeit genügt oder dahinter zurückbleibt. Im Rechtsausschuss ist erwogen worden, die Worte „die
erforderlichen“ zu streichen, um den Tatbestand auf die Fälle zu beschränken, in denen keine oder offenbar
unzureichende Maßnahmen ergriffen werden. Der federführende Ausschuss ist dieser Empfehlung gefolgt. er geht
dabei davon aus, dass auch ohne die Anforderung der Erforderlichkeit erkennbar ungeeignete Maßnahmen gegen
Missachtungen des Rauchverbots nicht ausreichen werden und dass die Feststellung wiederholter Verstöße gegen
das Rauchverbot regelmäßig einen erneuten Anlass für (weitere) Maßnahmen bilden wird.“
Hieraus wird deutlich, dass eine Unterlassung der Verpflichtungen aus § 3 S.2 Nds. NRSchG nicht ohne Weiteres
auch die objektiven Voraussetzungen des § 5 Abs.2 Nr.3 Nds. NRSchG erfüllt. Vielmehr sind nach dem Willen des
Gesetzgebers in Fällen, in denen der Verantwortliche erstmals von Verstößen gegen das Rauchverbot Kenntnis
erlangt, nur erkennbar ungeeignete Maßnahmen als tatbestandsmäßig anzusehen (so auch Weißer, Kommentar zum
Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetz, 1. Aufl. 2007, § 5 Rn.4).
Das Anbringen von Verbotsschildern - hier in Verbindung mit dem Wegräumen von Aschenbechern - ist aber schon
nach der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs.4 Nds. NRSchG als grundsätzlich geeignete Maßnahme zu
qualifizieren. Das Unterlassen von Kontrollen kann demgemäß jedenfalls bei erstmaligem Bekanntwerden von
Verstößen gegen das Rauchverbot nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde der Betroffene erstmals durch die Ordnungsbehörde im Dezember
2007 auf die Nichteinhaltung des Rauchverbotes während der Veranstaltungen hingewiesen. Die von ihm daraufhin
getroffenen Maßnahmen reichten nach dem oben Gesagten aus. Das Unterlassen weiterer Maßnahmen kann
deshalb hier nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene, nachdem er die Verbotsschilder angebracht hat und vor bzw. während der
Veranstaltungen vom 17.04. und 20.4.2008 Kenntnis von (weiteren) Verstößen gegen das Rauchverbot erlangt hat
und demgemäß aufgefordert gewesen wäre, weitere Maßnahmen zu ergreifen, ergeben sich aus dem Akteninhalt
nicht. Deshalb musste die Rechtsfrage, ob der Verantwortliche in einem solchen Fall den Tatbestand des § 5 Abs. 2
Nr. 3Nds. NRSchG erfüllt hätte, vom Senat nicht entschieden werden.
Auf die mit der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob der Vorraum unter den Gaststättenbegriff des Nds.
NRSchG fällt und die weiter von der Generalstaatsanwaltschaft geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken im
Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot kam es für die Sachentscheidung ebenfalls nicht an.
Der Senat konnte gem. 79 Abs.6 OWiG in der Sache selbst entscheiden.
Der Betroffene war danach freizusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 467 StPO, 46 OWiG.
… … …