Urteil des OLG Oldenburg vom 15.06.1994

OLG Oldenburg: treu und glauben, fälligkeit, urschrift, obliegenheit, original, erfüllung, versicherungsnehmer, ohg, erkenntnis, freiheit

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 U 80/94
Datum:
15.06.1994
Sachgebiet:
Normen:
VVG § 6 ABS 3, VVG § 34 ABS 2, VVG § 11 ABS 1
Leitsatz:
Fälligkeit der Geldleistung des Versicherers in der Krankenversicherung trotz Nichtvorlage der
bedingungsgemäß erforderlichen, aber auf dem Postweg an den Versicherer verlorengegangenen
Originalbelege.
Volltext:
Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann es dahinstehen, ob die
in § 6 Abs. 3 S. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der
Beklagten normierte Verpflichtung, Rechnungen in Urschrift vorzu-
legen, eine Obliegenheit darstellt, für deren Verletzung Leitungs-
freiheit entsprechend § 6 Abs. 3 VVG vereinbart ist. Denn die Be-
klagte macht Leistungsfreiheit nicht geltend; vielmehr beruft sie
sich auf mangelnde Fälligkeit, solange ihr die betreffenden Rech-
nungen nicht in Urschrift vorgelegt seien. Das ist rechtlich zu-
lässig; denn vereinbarte Leistungsfreiheit ist nicht die einzige
Folge einer Verletzung der Auskunfts- oder Belegpflicht. Als ge-
setzliche Rechtsfolge tritt auch diejenige einer Hinausschiebung
der Fälligkeit (§ 11 Abs. 1 VVG) ein (vgl. Bruck-Möller, VVG, 8.
Aufl., Bd. I, § 34 Anm. 37).
Dieser andere - von der Berufung herausgestellte - rechtliche An-
satz führt allerdings nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die
Aufklärungs- und Belegpflicht hat nicht etwa die Aufgabe, dem Ver-
sicherungsnehmer die Führung eines strengen Beweises im prozeß-
technischen Sinne aufzuerlegen, dessen Gelingen oder Mißlingen
über seinen Versicherungsanspruch entscheidet. Sie ist vielmehr
eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, der seinen Vertrags-
partner über alle für die Feststellung des Versicherungsfalls und
des Umfangs der Versicherungsleistung notwendigen Umstände nach
Treu und Glauben aufzuklären hat, um diesen in die Lage zu ver-
setzen, den Anspruch - ebenfalls nach Treu und Glauben - prüfen
und die zur Erfüllung des Vertrages erforderlichen Entscheidungen
treffen zu können. Wenn daher ein Versicherungsnehmer die vom Ver-
sicherer verlangten notwendigen Belege nicht beibringen kann, weil
ihm dies billigerweise nicht zuzumuten ist (§ 34 Abs. 2 VVG), dann
haben die Erhebungen als abgeschlossen zu gelten, so daß sie dem
Eintritt der Fälligkeit nicht im Wege stehen (ÖOHG Vers 1979, 170;
Prölss-Martin, VVG, 25 Aufl., § 11 Anm 2 a.E.). - So ist es hier.
Nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des
Landgerichts hat der Ehemann der Klägerin die Original-Rechnungen
Nr. 7947914 und 250311 auf dem Postweg an die Geschäftsstelle der
Beklagten in München versandt. Das Landgericht hat ferner - ent-
sprechend dem Vortrag der Beklagten - unterstellt, daß sie dort
nicht angekommen sind. Davon geht auch der Senat aus.
Dieser Sachverhalt führt zu der Erkenntnis, daß die Klägerin die
betreffenden Original-Rechnungen nicht vorlegen kann. Sie hat sie
nicht mehr in den Händen, und ihr Verbleib ist ihr unbekannt. Die
Erhebungen der Beklagten haben daher als abgeschlossen zu gelten,
so daß gemäß § 11 Abs. 1 VVG die Fälligkeit der Forderung einge-
treten ist.