Urteil des OLG Oldenburg vom 06.11.1990

OLG Oldenburg: grundstück, rauch, beweislast, beweisführung, luft, feuerungsanlage, subjektiv, immission, datum, störer

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 72/90
Datum:
06.11.1990
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1004
Leitsatz:
Zur Feststellung der Voraussetzungen eines nachbarrechtlichen Abwehr- anspruchs gegen
Luftverunreinigungen (Rauchbelästigung).
Volltext:
Auf die zutreffenden Angriffe der Berufung gegen den Urteilsausspruch
- der Beklagte kann im Rahmen eines nachbarrechtlichen Abwehranspruchs nur zur Unterlassung einer
Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks verurteilt werden - haben die Kläger ihren Antrag entsprechend angepaßt.
Das so formulierte Klageziel haben sie offensichtlich auch von Beginn an des Rechtsstreits im Auge gehabt. Die
Verurteilung zu "geeigneten Maßnahmen" muß als ausreichend bestimmt angesehen werden, da dem Störer die Art
der Beseitigung der rechtswidrigen Immissionsbeeinträchtigung überlassen bleiben muß (vgl. BGH NJW 1977, 146;
1958, 1776; BGH WM 1964, 1102).
Zu Recht rügt die Berufung, das Landgericht habe für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des
nachbarrechtlichen Abwehranspruchs (§§ 906, 1004 BGB) keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Die Kläger
trifft zunächst die Beweislast für die Immission vom Grundstück des Beklagten, die Beeinträchtigung ihres
Grundstücks und den entsprechenden Ursachenzusammenhang. Der Beklagte hat dann die Unwesentlichkeit der
Beeinträchtigung zu beweisen.
Bislang sind die Verhältnisse auf dem Grundstück der Kläger nicht bewiesen, und zwar weder objektiv noch
subjektiv. Den Aussagen der Zeugen kann nur entnommen werden, daß sie auf ihren Grundstücken mehr oder
weniger stark in unterschiedlicher Häufigkeit (dreimal wöchentlich, einmal monatlich) und unterschiedlicher Dauer
(1/4 Stunde bis 2 Stunden) Rauch verspürt haben, dessen Ursprung sie dem Tischlereibetrieb zuordnen und der sie
zum Teil veranlaßt hat, kurzzeitig Fenster und Türen zu schließen. Für einen Anscheinsbeweis im Rahmen der den
Klägern obliegenden Beweislast reichen diese Angaben mangels Typizität des behaupteten Geschehensablaufs
nicht aus. Als bloßes Indiz genügen sie ebenfalls für die Beweisführung nicht; ob das Wohnen auf dem Grundstück
der Kläger durch den Rauch der Feuerungsanlage des Beklagten relevant an Annehmbarkeit eingebüßt hat, ist auf
diese Weise nicht festzustellen. Zudem kann der Beklagte so nicht wissen, gegen welche Beeinträchtigung er die
Unwesentlichkeit gegebenenfalls nachzuweisen hat.
Darin liegt der Verfahrensfehler des Landgerichts. Der Grad von Luftverunreinigung erfolgt grundsätzlich durch
entsprechende Messungen der Masse. Die technische Möglichkeit dürfte nicht zweifelhaft sein. Die
Luftbeschaffenheit ist gegebenenfalls unter Heranziehung von Sachverständigen festzustellen, und zwar zur
Beurteilung von Beeinträchtigungen und der Wesentlichkeit solcher Beeinträchtigungen zunächst anhand objektiver
und schließlich anhand sogenannter objektiv/subjektiver Maßstäbe (vgl. MünchKomm.-Säcker, BGB, 2. Aufl., § 906
Rdnr. 59 ff., 61, 68). Für letzteres kommt dann die Beweisführung durch Augenscheinseinnahme und
Zeugenvernehmung in Betracht. Die Beweisaufnahme für die erforderlichen Feststellungen hätte das Gericht geäß §
144 ZPO insoweit von Amts wegen durchführen müssen. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, daß es keine Bindung
an die Werte der TA-Luft in dem Sinne gibt, daß die Einhaltung die nachbarrechtliche Zulässigkeit und die
Überschreitung die nachbarrechtlicheUnzulässigkeit zur Folge hat. Diese Werte geben nur einen allgemeinen Anhalt,
der nicht stets für einen Anscheinsbeweis ausreicht. Das Überschreiten der Grenzwerte gibt allerdings in der Regel
einen Hinweis auf die Beantwortung der Frage nach der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung und der
Kausalitätsfrage (vgl. BGHZ 70, 102; MünchKomm.-Säcker, a.a.O., Rdnr. 59; und Palandt/Bassenge, BGB, 49.
Aufl., § 906 Anm. 3 b cc, c; 4 e m. w. N.)