Urteil des OLG Oldenburg vom 15.06.1995

OLG Oldenburg: gesellschafter, abfindung, beschränkung, zugehörigkeit, kontrolle, angemessenheit, mitgliedschaft, liquidität, datum, anteil

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 1 U 126/90
Datum:
15.06.1995
Sachgebiet:
Normen:
AKTG § 241 NR 3, GMBHG § 34, BGB § 723 ABS 3, BGB § 138
Leitsatz:
Eine Beschränkung der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters darf diesen nicht
unangemessen benachteiligen oder sein Kündigungsrecht un- zulässig beeinträchtigen.
Volltext:
Die am 9.12.1989 beschlossene Satzungsbestimmung über die Abfin-
dung ausscheidender Gesellschafter ist des weiteren nicht nach §
241 Ziffer 3 oder 4 AktG analog nichtig.
Denn sie ist weder nach § 138 BGB zu beanstanden, noch ist durch
sie das Kündigungsrecht der Gesellschafter entgegen § 723 Abs. 3
BGB faktisch in unzulässiger Weise beeinträchtigt.
Die rechtliche Zulässigkeit von Beschränkungen des Abfindungs-
rechts eines GmbH-Gesellschafters ist als Ausdruck der Satzungsau-
tonomie der Gesellschafter im Grundsatz unbestritten (vgl. Ulmer
in Hachenburg, Großkommentar zum GmbHG, 8. Aufl., § 34, Rn. 78).
Eine Beschränkung der Abfindung in einem Gesellschaftsvertrag
trägt dem Interesse der Gesellschaft Rechnung, Liquidität und
Fortbestand des Unternehmens nicht durch unerträglich hohe Abfin-
dungen zu gefährden. Die Verwirklichung dieses Anliegens findet
jedoch dort ihre Grenze, wo es nach den Maßstäben von Treu und
Glauben dem ausscheidenden Gesellschafter nicht mehr zuzumuten
ist, sich mit der Abfindung entsprechend der vertraglichen Rege-
lung zufriedenzugeben (BGH, Urteil vom 20.9.1993 zu II ZR 104/92,
Seite 9) und der Ausscheidende durch eine von der Entwicklung
überholte Abfindungsregelung unangemessen benachteiligt wird. Es
muß deshalb, besonders in den Fällen, in denen sich im Verlaufe
der Jahre der vertragliche Abfindungsanspruch und der reale Abfin-
dungswert in außergewöhnlich hohem Maße auseinanderentwickelt ha-
ben, ohne daß eine solche Entwicklung bei Abschluß des Vertrages
absehbar war, ein den veränderten Verhältnissen angepaßter, ange-
messener Interessenausgleich zwischen ausscheidenden und verblei-
benden Gesellschaftern unter Berücksichtigung der mit der vertrag-
lichen Abfindungsregelung verfolgten Zwecke vorgenommen werden
(BGH in GmbHR 1994, 871, 877).
Der Unterschied zwischen dem Abfindungs- und dem tatsächlichen
Anteilswert ist hier jedoch nach den gesamten Umständen des Fal-
les, insbesondere auch der Dauer der Mitgliedschaft der Kläger in
der Gesellschaft und ihrem Anteil am Erfolg des Unternehmens, im
Zeitpunkt der Satzungsänderung am 9.12.1989 weder für die Kläger
noch für die anderen Gesellschafter derart groß, daß die Ab-
findungsklausel dadurch grob unbillig wäre.
Allerdings besteht im vorliegenden Fall zweifellos ein außerge-
wöhnlich deutliches Auseinanderfallen von vereinbartem Abfindungs-
und tatsächlichem Anteilswert. Denn § 9 i.d.F. vom 9.12.1989 be-
schränkt den Anspruch der nach dem 31.12.1988 der Gesellschaft
beigetretenen Gesellschafter bei deren Ausscheiden auf die Rück-
zahlung ihrer Stammeinlage und gewährt den übrigen Gesellschaftern
-so also auch den Klägern- außer dem Betrag des anteiligen Stamm-
kapitals für jedes vor dem 31.12.1988 liegende Jahr der Mitglied-
schaft ein Betrag von 1.000 DM, der sich vom elften bis zum fünf-
zehnten Mitgliedsjahr um jährlich 250 DM und ab dem sechzehnten
Jahr der Zugehörigkeit zur Gesellschaft um weitere 100 DM pro Jahr
erhöht.
Für die Kontrolle der Angemessenheit der Abfindungsklausel der
Satzung der Beklagten i.d.F. vom 8.12.1989 war von einem Verkehrs-
wert eines Geschäftsanteiles an der Beklagten von 52.600 DM im
Zeitpunkt der Satzungsänderung auszugehen.