Urteil des OLG Oldenburg vom 19.11.1990

OLG Oldenburg: nebenkosten, pachtzins, inventar, räumung, heizung, abrechnung, bedürfnis, begriff, steigerung, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 1 W 120/90
Datum:
19.11.1990
Sachgebiet:
Normen:
GKG § 16
Leitsatz:
Streitwertbemessung des Pachtzinses ohne Nebenkosten
Bei der Ermittlung des Streitwertes eines Prozesses um die Räumung eines Pachtobjekts sind
Abschlagszahlungen nicht zu berücksichtigen.
(Leitsatz aus JurBüro)
Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19.11.1990 - 1 W 120/90
Volltext:
B e s c h 1 u s s
In dem Rechtsstreit
des Architekten ...
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
g e g e n
den Gastwirt ...
Beklagter und Beschwerdeführer,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 19. November 1990
durch die unterzeichneten Richter beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss
des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Land
gerichts Osnabrück vom 08. Oktober 1990 geändert.
Der Streitwert wird auf 78.393,60 DM festgesetzt.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss vom 10. September 1990 wird zurückgewiesen, soweit er eine
Herabsetzung des Streitwerts auf mehr als 78.393,60 DM begehrt.
Die Enscheidung ergeht gerichtsbührenfrei;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
Nachdem das Landgericht ausgehend von einem monatlichen Pachtzins 7.100, DM -
den Streitwert gemäß § 16 GKG zunächst auf 85.200,DM (12fache Bruttomonatspacht) festgesetzt hatte, hat es ihn
auf die Beschwerde des Klägers mit dem angefochtenen Beschluss auf 65.585,36 reduziert. Dabei ist das
Landgricht nur noch von einer Bruttopacht von 5.240,07 DM im Monat ausgegangen und hat eine Steigerung um
224,73 DM angenommen.
Der Kläger begehrt eine weitergehende Herabsetzung; er vertritt da die Ansicht, dass weder die Kosten für die
Nutzung des Inventars noch die Nebenkostenvorauszahlungen Berücksichtigung finden dürften.
Der Beklagte begehrt eine Heraufsetzung des reduzierten Streitwertes; er ist der Meinung, auch das monatliche
Entgelt für die Benutzung des Inventars sei ein zu berücksichtigender Teil des Pachtzins.
Die Beschwerden sind zulässig. In der Sache hat die Beschwerde des Beklagten Erfolg; die Beschwerde des
Klägers gegen den ursprünglich Streitwertbeschluss ist teilweise begründet.
Nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien zahlt der Beklagte monatlich für das Pachtobjekt 7.102,80 DM.
Dieser Betrag gliedert
sich wie folgt:
Pacht (Räume) 5.240,72 DM
Nebenkosten 570, DM
Pacht (Inventar) 1.292,08 DM
7.102,80 DM
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Da die Parteien um die Räumung des Pachtobjektes gestritten haben, richtet sich der Streitwert gemäß § 16 GKG
nach dem für die Dauer eines Jahres zu zahlenden Pachtzins.
Hierzu zählt auch der - ebenfalls in § 4 des Pachtvertrages geregelte für das Inventar zu zahlenden Pachtzins, da
zur Pacht nicht nur die Gebrauchsgewährung der Räumlichkeiten zählt, sondern auch der Fruchtgenuss, hier also
der Gebrauch des Inventars (§581 Abs. 1 BGB).
Streitig ist, ob auch durch Abschläge für Nebenkosten unter dem Begriff des Pachtzinses im Sinne des § 16 GKG
fallen.
Während eine früher vorherrschende Rechtssprechung die Zahlungen für Nebenkosten für die Streitwertberechnung
mit einbezog (vgl. LG Oldenburg JurBüro 81, 1232; LG Heilbronn AnwBl. 81, 69; LG Köln AnwBl 81, 286; AG
Bergheim ZMR 82, 190; verneinend für Beheitzung und Warmwasserversorgung bereits BGHZ 18, 168 ff, 173),
differenziert die überwiegende Kommentarliteratur danach, ob es sich um vertragliche Gegenleistungen anderer Art
wie Übernahme öffentlicher Abgaben und sonstiger Lasten, etwa Feuerversicherungsprämien, handelt oder um
Leistungen, die nicht als Entgelt für die Überlassung der Pachtsache angesehen werden, wie Zahlungen für Heizung,
Licht, Warmwasser usw.
(vgl. Markl. GKG, 2. Aufl., 16 Rdz. 11; Schneider, Streitwertkommentar 8. Aufl., Rdz. 3550; Hartmann
Kostengesetze, 23. Aufl., § 16 GKG 2 B; in der Rechtsprechung so auch LG Saarbrücken, JurBüro 86, 1061).
Eine im Vordringen befindliche Ansicht in Rechtsprechung und Literatur will dagegen die Vorauszahlungen auf
Nebenkosten völlig unberücksichtigt lassen, weil damit nicht für Leistungen des Verpächters gezahlt werde, sondern
es sich um ein durchlaufendes Entgelt für dieLeistungen Dritter handele und die Berechnungsweise praktikabeler sei
(LG Kleve JurBüro 85, 423; LG Freiburg, JurBüro 84, 85; LG Düsseldorf JurBüro 87, 877 und JurBüro 89, 685;
Mümmler, Entwicklung der Streitwertberechnung in den Jahren 1986/87 JurBüro 88, 6 ff., 15; Drischler/
Oestreich/Heun/Haupt GKG Anhang VIII Stichwort Mietstreitigkeiten V 1).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Abschlagszahlungen auf Nebenkosten sind kein Teil des
Miet oder Pachtzinses; hiermit wird nicht für Leistungen des Verpächters gezahlt, so dass sie nicht als ihm
gebührendes Äquivalent angesehen werden können. Für die Bewertung des Interesses des Verpächters, den
Nutzungswert des Pachtobjekts zurückzuerhalten, sind Vorauszahlungen für Nebenkosten nicht mitbestimmend.
Die einfachere Berechnungsweise spricht ebenfalls für die ausschließliche Berücksichtigung der Grundmiete bzw. -
pacht. Wollte man die verbrauchsabhängigen Kosten zum Pachtzins zählen, müßte zur korrekten Ermittlung - zum
Zwecke der Streitwertberechnung! - zunächst eine Abrechnung erstellt werden, was nicht praktikabel erscheint. Aber
auch wenn nur bestimmte öffentliche Abgaben dem Zins als Entgelt zugerechnet würden, müßten anhand früherer
Abrechnungen komplizierte Differenzierungen bei den Abschlagszahlungen vorgenommen werden, was dem
Bedürfnis der Praxis nach schneller und einfacher Ermittlung des Streitwerts widerspricht. Für die Festsetzung des
Streitwertes sind klare und übersichtliche Grundlagen erforderlich, die nicht erst durch weitläufige Erhebungen zu
ermitteln sein dürften.
Wenn die Vertragsparteien die Nebenkosten gesondert ausweisen und abrechnen, geben sie damit zugleich zu
erkennen, dass diese nicht Teil der eigentlichen Pacht sind, sondern für - vielfach nicht vom Verpächter zu
erbringende Sonderleistungen zu zahlen sind.
Damit ist von einem monatlichen Pachtzins von 6.532,80 DM (Pacht für Räume und Inventar ohne Nebenkosten)
auszugehen, was zu einem Jahrespachtzins von 78.392,60 DM führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 25 Abs. 3 GKG.
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