Urteil des OLG Oldenburg vom 12.06.2007

OLG Oldenburg: berufliche tätigkeit, entstehung, thüringen, gebühr, entschädigung, pause, arbeitskraft, unterbrechung, vergütung, strafverfahren

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 Ws 310/07
Datum:
12.06.2007
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Eine Mittagspause wird bei der Berechnung des Längenzuschlags (Nr. 4122, 4123 VV RVG) nicht
berücksichtigt.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
1 Ws 310/07
6 Ks 2/06 Landgericht Osnabrück
710 Js 7006/06 Staatsanwaltschaft Osnabrück
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen Herrn M...,
geboren am … 1961 in S…,
Verteidiger: Rechtsanwalt K…,
hier: Festsetzung der Vergütung des Verteidigers,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 12. Juni 2007
durch die Richter am Oberlandesgericht ….., … und … beschlossen:
Die Beschwerde des Rechtsanwalts K… gegen den Beschluss der 6. großen Strafkammer des Landgerichts
Osnabrück vom 3. Mai 2007,
mit dem dessen Erinnerung gegen die am 5. März 2007 erfolgte Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung als
unbegründet zurückgewiesen worden ist,
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG.
Gründe
Das fristgerecht eingelegte (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und damit zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen
Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach und Rechtslage.
Die geltend gemachten Zusatzgebühren für die Hauptverhandlungstermine am 17. August 2006, 5. September 2006
und 28. September 2006 (Nr. 4122 VV RVG) in Höhe von jeweils 178 € für eine jeweils mehr als 5 Stunden dauernde
Verhandlung stehen dem Beschwerdeführer aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht
zu. Das Gericht hat die jeweilige Mittagspause von 55 Minuten bzw. 60 Minuten an diesen Tagen bei der
Berechnung des Längenzuschlages (Nr. 4122 VV RVG) zu Recht abgesetzt.
Ob eine Mittagspause von 1 bis 1 ½ Stunden auf die Zeit der Teilnahme an der Hauptverhandlung anzurechnen oder
hiervon abzuziehen ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig. Es entspricht der Fürsorgepflicht des
Gerichts gegenüber den Verfahrensbeteiligten, diesen zur Einnahme einer Mahlzeit und zur Erholung gegen Mittag
eine Mittagspause zuzubilligen. Hiervon gehen in der Regel auch alle Beteiligten bei einer über die Mittagszeit
hinausgehenden Hauptverhandlung aus. Insoweit sind Mittagspausen anders als andere längere Unterbrechungen
auch für die beteiligten Anwälte vorhersehbar und planbar. Zwar wird die Mittagspause vom Gericht festgelegt, aber
es trifft nicht zu, dass sich der Rechtsanwalt während dieser Zeit zur Verfügung halten müsste und deswegen an
einer anderweitigen Ausübung seines Berufs gehindert wäre. Während der Mittagszeit gibt das Gericht dem
Rechtsanwalt gerade Gelegenheit zur freien und eigenverantwortlichen Gestaltung in dieser Zeit. Es ist deshalb
gerechtfertigt, eine Mittagspause als eine „prozessneutrale“ Unterbrechung zu bezeichnen, während der der
Rechtsanwalt aus eigenem Interesse nicht an der Verhandlung teilnimmt und deshalb eine zeitliche Beanspruchung
seiner Arbeitskraft nicht geltend machen kann (vgl. OLG Zweibrücken NStZRR 2006, 392. OLG Koblenz NJW 2006,
1149. OLG Bamberg AGS 2006, 124). Der Gesetzgeber hat die Regelungen über Längenzuschläge für bestellte
Verteidiger in das RVG aufgenommen, um diesen den besonderen Zeitaufwand für anwaltliche Tätigkeit angemessen
zu honorieren und sie nicht mehr auf die Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschvergütung zu verweisen. Diesem
gesetzgeberischen Willen lässt sich weder für noch gegen die Anrechnung der Mittagspause etwas entnehmen. Zwar
hat der Gesetzgeber an die obergerichtliche Rechtsprechung zur Annahme eines besonders umfangreichen
Verfahrens im Rahmen der Prüfung einer Pauschvergütung angeknüpft, als er die Zeitrahmen für die
Längenzuschläge festsetzte. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Mittagspause bei der Bestimmung des
Verfahrensumfangs bestand bereits seinerzeit keine einheitliche Rechtsprechung (vgl. OLG Thüringen StV 1997,
427. OLG Zweibrücken und OLG Bamberg a.a.O.). Der Wortlaut von Nr. 4122 VV RVG spricht eher gegen die
Einbeziehung einer Mittagspause in die Bestimmung der Hauptverhandlungsdauer, denn die Regelung erfordert für
die Entstehung des Gebührenanspruchs, dass der Rechtsanwalt mehr als fünf Stunden an der Hauptverhandlung
teilnimmt, was während der Mittagspause gerade nicht der Fall ist. Aus der Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 in Teil 4
VV RVG, die bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch erhält, wenn er zu einem anberaumten
Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, lässt sich für die hier
vorliegende Frage der Längenzuschläge und damit die Höhe der Gebühr nichts herleiten (a. A. OLG Stuttgart StV
2006, 200. OLG Düsseldorf NStZRR 2006, 391. OLG Hamm StraFo 2006, 173).
Nach der Senatsrechtsprechung ist die Zeit einer Mittagspause weder bei der Entschädigung eines
Sachverständigen (vgl. Senatsbeschluss NdsRpfl. 1991,120) noch bei der Frage des Längenzuschlages für die
Teilnahme des Rechtsanwalts an der Hauptverhandlung zu berücksichtigen (vgl. Senatsentscheidung 1 Ws 177/07
vom 3. Mai 2007).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt vorliegend keine abweichende Entscheidung. Dass der Beschwerdeführer
seine Kanzlei nicht am Gerichtsort unterhält und nicht die Möglichkeit besaß, in der Mittagspause an seinen
Arbeitsplatz zurückzukehren, kann dahin stehen. Da jeder Rechtsanwalt - ortsansässig oder nicht - in der Regel eine
Mittagspause hält, kommt es auf die Prüfung, ob diese Pause für berufliche Tätigkeit hätte genutzt werden können,
nicht entscheidend an.
Das Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.
… … …