Urteil des OLG Oldenburg vom 14.03.2017

OLG Oldenburg: einkünfte, aufnahme einer erwerbstätigkeit, treu und glauben, einkommen aus erwerbstätigkeit, trennung, scheidung, leichtfertiges verhalten, selbstbehalt, minderjähriger, beweislast

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Urteil, unbekannt
Datum:
00.00.0000
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des OLG Oldenburg
Volltext:
Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des OLG Oldenburg
Stand: 1.1.1996
Inhaltsübersicht
1. Einkommen des Unterhaltspflichtigen
1. Nettoeinkommen
a) Grundsatz
b) Steuern
2. Abzüge
a) Unkostenpauschale
b) Vorsorgeaufwand
c) Schuldenabtrag
d) Hauskosten
3. Fiktive Arbeitseinkünfte
4. Einkommensermittlung bei Selbständigen
5. Einkommensermittlung bei hohen Einkünften
II. Beschränkung aufgrund der ehelichen Lebensverhältnisse
1. Begriff
2. Maßgebliche Faktoren
3. Maßgebliche Zeitpunkte
a) Ehezeitlicher Unterhalt
b) Nachehezeitlicher Unterhalt
III. Bedarfsberechnung bei minderjährigen Kindern
1. Anwendung der Düsseldorfer Tabelle
2. Regelfall
3. Betreuung und Barunterhaltspflicht
4. Anrechnung auf den Bedarf
a) Kindergeld
b) Einkünfte des Kindes
IV. Bedarfsberechnung bei volljährigen Kindern
1. Eigener Hausstand
2. Anwendung der Düsseldorfer Tabelle
3. Anrechnungen auf den Bedarf
4. Barunterhaltspflicht beider Elternteile
a) Bedarfsberechnung
b) Verteilungsmaßstab
c) Anspruchsbgrenzung
V. Bedarfsberechnung für den getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten
1. Grundlagen
a) Unterhaltsquote
b) Vorwegabzug des Kindesunterhalts
c) Erhöhung des Einsatzbetrages (Mindestunterhalt)
2. Berücksichtigung eigener Einkünfte des Berechtigten
a) Erwerbsobliegenheit
- im ersten Trennungsjahr
- nach der Scheidung
- neben Kindesbetreuung
- Umfang der Erwerbsbemühungen
- fiktive Einkünfte
b) Betreuung eines neuen Partners
c) Wohngeld
d) Erziehungsgeld
e) Überobligatorische Einkünfte
3.Berechnungsmethoden bei eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten
a) Differenzmethode
b) Abzugsmethode
c) Mischmethode
VI. Leistungsfähigkeit und Mangelfallberechnung
1. Selbstbehalte
2. Grundsätze der Mangelfallberechnung
VII. Billigkeitskontrolle
VIII. Beweislast
1. Bedarf
2. Leistungsfähigkeit
I. Einkommen des Unterhaltspflichtigen
1. Nettoeinkommen
a) Ausgangspunkt ist das durchschnittliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen inkl.
anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
- Überstunden sind voll anzurechnen, wenn sie betriebsüblich und nicht im Einzelfall überobligatorisch sind.
- Auslösungen, Spesen usw. werden in der Regel zu 1/3 angerechnet.
- Vermögenswirksame Leistungen (ohne Arbeitnehmersparzulage) werden dem Einkommen hinzugerechnet.
- Abfindungen bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sind zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards
umzulegen.
- Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gelten auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten als Einkommen.
b) Maßgebend ist grundsätzlich die tatsächliche Besteuerung, nicht eine fiktive, deren Feststellung unsicher und für
den Tatrichter schwierig wäre.
Daraus folgt:
- Steuervorteile aufgrund des begrenzten Ehegattensplittings werden erst dann berücksichtigt, wenn sich diese
Vorteile real auswirken. (Anders: 12. Zivilsenat, wenn -etwa durch Eintragung in die Steuerkarte - steuerliche Vorteile
(begrenztes Realsplitting) ohne weiteres realisiert und der Höhe nach gem. § 287 ZPO geschätzt werden können.)
- Steuererstattungen werden im Jahr ihrer Auszahlung auf die einzelnen Monate umgelegt.
- Wählt der wiederverheiratete Unterhaltsverpflichtete die Steuerklasse IV (gleichwertig mit Steuerklasse 1), so ist
dies nicht zu beanstanden. Wählt er zugunsten der neuen Ehefrau die Steuerklasse V, so ist das in der Regel nicht
zu billigen.
2. Abzüge
a) Das durchschnittliche Nettoeinkommen ist in der Regel zu bereinigen um die allgemeine Unkostenpauschale von
5 % (bei Vollzeittätigkeit mindestens 90,- DM, höchstens 260,-DM), sofern das Einkommen aus Erwerbstätigkeit
erzielt wird.
- Dieser Abzug gilt auch, wenn bei Ehegattenunterhalt und nachehezeitlichem Unterhalt dem Pflichtigen 4/7 des
Einkommens belassen werden,
- sowie ferner im Mangelfall.
b) Weiterhin ist ein angemessener tatsächlicher Kranken-und Altersvorsorgeaufwand zu berücksichtigen, soweit
diesem nicht bereits bei den gesetzlichen Abzügen ausreichend Rechnung getragen worden ist.
c) Schuldenabtrag
Schulden sind in der Regel im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplans abzuziehen, soweit ehebedingt.
- Bei gemeinsamer Kreditaufnahme der Eheleute ist der Verwendungszweck des Kredits in der Regel ohne
Bedeutung.
- Es ist nicht allein auf den gemäß § 850 c ZPO pfändbaren Betrag abzustellen, sondern dieser ist angemessen zu
erhöhen.
- Der Abzug gilt auch bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder, da die zum Schuldenabtrag
verwendeten Beträge auch bei fiktivem Fortbestehen der Familiengemeinschaft für Unterhaltszwecke nicht zur
Verfügung gestanden hätten.
- Im Mangelfall oder wenn der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder nicht mehr gedeckt wäre, ist der Zuschlag zu
dem pfändbaren Betrag gering bis Null.
Kein Abzug für Aufwendungen für einseitige Vermögensbildung.
d) Hauskosten (Abträge und laufende Kosten)
- Bei Getrenntleben können (jedenfalls während des ersten Trennungsjahres) auch die Kosten für das im
Alleineigentum des Unterhaltspflichtigen stehende Haus abgezogen werden.
- Bei gemeinsamem Haus können die Hauskosten auch über die Scheidung hinaus für eine Übergangszeit
abgezogen werden.
- Wohnt der Unterhaltsverpflichtete allein weiterhin in dem Haus, dessen Kosten er trägt, und können diese beim
Unterhalt berücksichtigt werden, so ist das anrechnungspflichtige Einkommen um einen angemessenen Zuschlag für
den Ausgleich des Wohnvorteils des Pflichtigen zu erhöhen.
3. Fiktive Arbeitseinkünfte
- Auszugehen ist von der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten, die gegenüber minderjährigen Kindern
nach Maßgabe des § 1 603 BGB gesteigert ist.
- Dem wiederverheirateten Elternteil obliegt es wegen der Gleichrangigkeit des Unterhalts minderjähriger Kinder aus
verschiedenen Ehen ungeachtet seiner Pflichten aus der neuen Ehe durch Aufnahme einer Nebentätigkeit zum
Unterhalt der minderjährigen Kinder aus der früheren
Ehe beizutragen.
- An die Erfüllung dieser Erwerbsobliegenheit werden die gleichen Anforderungen gestellt wie auf Seiten des
Unterhaltsberechtigten (Ziff.V 2).
- Einem Unterhaltspflichtigen kann die Berufung auf eine als Folge einer beruflichen Entscheidung eingetretene
erhebliche Einkommensminderung nur dann nach Treu und Glauben verwehrt werden, wenn ihm ein
verantwortungsloses oder zumindest leichtfertiges Verhalten zur
Last fällt, das sich insbesondere aus dem Bezug zur Unterhaltspflicht ergeben kann.
- Dem Unterhaltspflichtigen kann jedoch zugemutet werden, mit Rücksicht auf die bestehenden
Unterhaltsverpflichtungen jedenfalls für eine Übergangszeit für eine Sicherstellung des Unterhalts Sorge zu tragen
(z.B. durch Kreditaufnahmen, Rücklagen usw.).
- An der fiktiven Fortschreibung früherer Einkünfte ist ein UnterhaItspflichtiger nicht unbegrenzte Zeit festzuhalten. In
der Regel wird die Fiktion nach ca. drei Jahren nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Der Pflichtige ist dann danach zu
behandeln, was er nunmehr auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte.
4. Einkommensermittlung bei Selbständigen
- Grundsätzlich ist das durchschnittliche Einkommen aus den letzten drei Jahren maßgebend.
- Bei der Ermittlung der Einkünfte eines selbständigen Gewerbetreibenden ist die Gewinn- und Verlustrechnung in der
Regel nicht ohne Korrekturen zu verwerten. Steuerliche und unterhaltsrechtlich relevante Einkommen sind nicht
deckungsgleich.
- Steuerliche Abschreibungen (AfA usw.) sind regelmäßig unterhaltsrechtlich unbeachtlich. Ausnahmen erfordern
entsprechende Darlegungen.
5. Einkommensermittlung bei hohen Einkünften
- Einkünfte, die während des ehelichen Zusammenlebens nicht für Unterhaltszwecke verwandt worden sind, sondern
z.B. für die Vermögensbildung, bleiben auch nach der Trennung grundsätzlich unbeachtlich.
- Bei hohen Einkünften (Faustregel: wenn die Höchststufen der Düsseldorfer Tabelle überschritten werden) ist darauf
abzustellen, was für den Lebensunterhalt konkret verwendet worden ist oder verwendet werden könnte.
Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Hat sich der Unterhaltsberechtigte während des ehelichen
Zusammenlebens mit einem aufgrund unverhältnismäßiger Vermögensbildung geringeren Unterhalt zufrieden
gegeben, braucht er sich nach dem Scheitern der ehelichen
Lebensplanung daran nicht mehr festhalten zu lassen.
II. Beschränkung aufgrund der ehelichen Lebensverhältnisse
Für Ehegattenunterhalt und nachehezeitlichen Unterhalt wird der Bedarf begrenzt durch die ehelichen
Lebensverhältnisse.
1. Begriff
Der in § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB genannte Begriff Lebensverhältnisse entspricht dem Tatbestandsmerkmal eheliche
Lebensverhältnisse in § 1578 Abs.1 BGB.
2. Maßgebliche Faktoren
Unter den ehelichen Lebensverhältnissen ist der Lebensstandard nach dem sozialen Status der Ehegatten zu
verstehen. Dieser wird primär, jedoch nicht allein, durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestimmt.
- Einkünfte müssen die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben. Dazu gehören nicht Steuererstattungen, deren
Voraussetzungen entfallen sind.
- Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit sind nicht zu berücksichtigen, wenn sie zwar während der ehelichen
Lebensgemeinschaft regelmäßig angefallen, nach der Trennung aber weggefallen sind.
3. Maßgebliche Zeitpunkte
a) Ehezeitlicher Unterhalt
Maßgebend sind die Einkommensverhältnisse im gegenwärtigen Stand, nicht im Zeitpunkt der Trennung.
Ausnahmen gelten bei unerwarteten und vom Normalverlauf erheblich abweichenden Einkommenssteigerungen nach
der Trennung.
b) Nachehezeitlicher Unterhalt
Maßgebend sind die Einkünfte zur Zeit der Rechtskraft der Scheidung. Dabei wird die gewöhnliche Entwicklung der
wirtschaftlichen Verhältnisse seit der Trennung grundsätzlich mit einbezogen.
Einkommensänderungen nach Rechtskraft der Scheidung sind (ausnahmsweise) zu berücksichtigen, wenn diese
aus der Sicht des Scheidungszeitpunktes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren und diese Erwartung
bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat.
Dazu können gehören:
- Einkommenssteigerungen durch normale Lohn- oder Gehaltserhöhungen.
- Wegfall von Kreditverpflichtungen.
- Die Besteuerung nach Einkommenssteuerklasse I ist zwar erst eine Folge von Trennung und Scheidung. Wenn
dadurch jedoch nachhaltig die verfügbaren Einkünfte absinken, müssen dies beide Ehegatten gleichermaßen tragen.
III. Bedarfsberechnung bei minderjährigen Kindern
1. Der Bedarfsberechung werden die Sätze der Düsseldorfer Tabelle zugrundegelegt.
2. Grundlage der Einstufung in eine bestimmte Einkommensgruppe ist die Annahme einer bestehenden
Unterhaltspflicht für Frau und 2 Kinder. Bei geringerem oder weitergehendem Umfang der Unterhaltslasten kann eine
Höher- oder Rückstufung erfolgen.
3. Der minderjährige Kinder betreuende Elternteil ist grundsätzlich nicht auch barunterhaltspflichtig. Eine Ausnahme
kann gelten, wenn er über wesentlich höhere Einkünfte als der nicht betreuende Elternteil verfügt.
4. Anrechnungen auf den Bedarf
a) Kindergeld
- Bei Zahlung an den Unterhaltspflichtigen: Der Zahlbetrag erhöht sich um die Hälfte des auf das Kind entfallenden
Kindergeldanteils.
- Bei Zahlung an den betreuenden Elternteil: Der Zahlbetrag mindert sich um die Hälfte des auf das Kind entfallenden
Kindergeldanteils. Es erfolgt jedoch keine Anrechnung, soweit das Kindergeld erforderlich ist, um wenigstens den
Mindestbedarf (= unterster Tabellensatz der
Düsseldorfer Tabelle) sicherzustellen.
- Keine Berücksichtigung des Zählkindvorteils durch nicht gemeinschaftliche Kinder.
b) Eigene Einkünfte des Kindes (z.B. Ausbildungsvergütung) werden angerechnet. Dazu wird die um den
ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 150,- DM gekürzte Ausbildungsvergütung zur Hälfte von dem Bedarf
(Tabellensatz) des minderjährigen Kindes abgezogen. Die andere Hälfte
dient zur Entlastung des versorgenden Elternteils.
IV. Bedarfsberechnung bei volljährigen Kindern
1. Bei unterhaltsberechtigten volljährigen Kindern mit eigenem Hausstand oder bei auswärtigen Studenten ist der
Bedarf in der Regel mit 1.050,-DM anzusetzen.
2. Sonst errechnet sich der Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle, jedoch begrenzt durch den Bedarf für
unterhaltsberechtigte volljährige Kinder mit eigenem Hausstand, es sei denn, die Einkommensverhältnisse der
unterhaltsverpflichteten Eltern sind außergewöhnlich gut.
3. Anrechnungen auf den Bedarf
- Kindergeld und Ausbildungsvergütung sind in vollem Umfang anzurechnen.
- Freibetrag für ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 150,-DM gilt nicht bei eigenem Hausstand oder auswärtigem
Studenten (diese Kosten sind in den 1.050,- DM bereits enthalten).
- BAFöG-Leistungensind voll anzurechnen, auch wenn sie nur als Darlehen gewährt werden.
4. Ab Volljährigkeit besteht grundsätzlich die Barunterhaltspflicht beider Elternteile.
Bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht gilt folgende Berechnung:
a) Wenn der Bedarf des volljährigen Kindes nicht mit 1.050,-DM anzunehmen ist, so ist von dem
zusammengerechneten Einkommen beider Eltern unter Berücksichtigung von anerkennenswerten Mehrkosten
auszugehen. Danach erfolgt die Einstufung nach der Düsseldorfer Tabelle.
b) Der nach Abzug eigener Einkünfte des volljährigen Kindes verbleibende Restbedarf ist auf die Eltern im Verhältnis
der jeweiligen, den großen Selbstbehalt (1.500,- DM) übersteigenden anrechnungspflichtigen Einkünfte zu verteilen.
c) Höchstens kann das verlangt werden, was der Pflichtige bei Zugrundelegung allein seines Einkommens zu zahlen
hätte.
V. Bedarfsberechnung für den getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten
1. Grundlagen
Auszugehen ist von dem anrechnungspflichtigen Einkommen des Unterhaltspflichtigen.
a) Davon stehen dem unterhaltsberechtigten Ehegatten 3/7 (gegebenenfalls 3/7 der Einkommensdifferenz) zu. Wird
das Einkommen nicht durch eine Erwerbstätigkeit erlangt, so ist von der Halbteilung der Einkünfte auszugehen.
b) Vorweg ist vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen im allgemeinen der Unterhalt für die gemeinsamen
minderjährigen Kinder in Höhe des Tabellensatzes abzuziehen.
c) Ergibt sich für den Unterhaltsberechtigten als 3/7-Quote ein Bedarfssatz (Einsatzbetrag), der einschließlich
anzurechnender eigener Einkünfte hinter einem Betrag von 1300,- DM zurückbleibt, wird - u.a. im Hinblick auf
trennungsbedingte Mehrkosten - eine Erhöhung dieses
Einsatzbetrages auf 1.300,- DM in Betracht kommen.
2. Berücksichtigung eigener Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten
a) Erwerbsobliegenheit
aa) Bei Getrenntlebensunterhalt entsteht grundsätzlich vor Ablauf des ersten Trennungsjahres keine
Erwerbsobliegenheit.
bb) Bei nachehezeitlichem Unterhalt besteht eine Erwerbsobliegenheit nur dann nicht, wenn der geschiedene
Ehegatte durch Alter, Krankheit, Gebrechen oder Kindesbetreuung an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert
ist.
cc) Erwerbsobliegenheit neben der Kindesbetreuung
Bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres oder bis zum Beginn des 3. Schuljahres eines zu betreuenden einzelnen
Kindes besteht keine Erwerbsobliegenheit. Danach wird eine halbtägige Erwerbsobliegenheit neben der Betreuung
des einzelnen Kindes häufig anzunehmen sein.
Ob eine Erwerbstätigkeit überobligatorisch ist, bestimmt sich nach der konkreten Lage, in der der betreuende
Elternteil sich nach der Trennung befindet. Auf eine frühere Lebensplanung, die eine Erwerbstätigkeit neben der
Kindesbetreuung vorsah, kann sich der unterhaltspflichtige Ehegatte nach der Trennung nicht berufen.
Werden mehrere minderjährige Kinder betreut, so beginnt die Halbtagserwerbsobliegenheit erst, wenn das jüngste
Kind 13 - 14 Jahre alt geworden ist.
Eine volle Erwerbsobliegenheit ist bei einem etwa 16 Jahre alten Kind anzunehmen.
Bei Getrenntlebensunterhalt ist die Betreuung in die Ehe mitgebrachter Kinder zu berücksichtigen.
dd) Umfang der Erwerbsbemühungen
Erwerbsbemühungen müssen im einzelnen dargelegt und belegt werden.
- Erforderlich sind ernsthafte und nachhaltige, auch eigenständige Bemühungen. Allein die Meldung beim Arbeitsamt
reicht nicht aus.
- Nicht ausreichend sind Bewerbungen, die ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt sind, also bei Firmen, die gar keine zu
besetzende Stellen haben.
- Nicht ausreichend sind lediglich telefonische Nachfragen.
- Es gibt keine feste Anzahl erforderlicher Bewerbungen im Monat. Nicht ausreichend aber sind massierte
Bewerbungen kurz vor dem Verhandlungstermin.
- Der Hinweis auf die Arbeitsmarktlage macht Bemühungen nur im Ausnahmefall (Frauen etwa ab 55, Männer ab 60
Jahren) entbehrlich.
ee) Fiktive Einkünfte bei nicht hinreichenden Bemühungen sind nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen.
Zum Beispiel ist bei ungelernten Frauen oder Frauen, die ehebedingt ihren Beruf lange nicht mehr ausgeübt haben,
im Falle halbtägiger Erwerbsobliegenheit von 800,- bis 900,-DM und im Falle ganztägiger Erwerbsobliegenheit von
etwa 1.100,- bis 1.200,- DM auszugehen. Diese Beträge berücksichtigen bereits die Berufskostenpauschale und
einen angemessenen Krankenversicherungsbetrag, nicht aber einen etwaigen Erwerbstätigenbonus.
b) Betreuungsleistungen für neuen Partner
- Bei Bestehen einer eheähnlichen Lebens- (und Haushaltsgemeinschaft) ist ein fiktives Betreuungsentgelt von in der
Regel 800,- DM anzurechnen.
- Es handelt sich dabei nicht um eine Erwerbstätigkeit, so daß die Betreuung des neuen Partners der Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit nicht entgegensteht
c) Wohngeld
- Wohngeld wird, soweit dadurch nicht nur ein Mehrbedarf abgedeckt wird, dem Einkommen hinzugerechnet
- Dafür gilt folgende Berechnung:
Auszugehen ist von dem Betrag, der aus dem verfügbaren Einkommen zumutbar für Mietkosten aufgewendet
werden kann (in der Regel 30 % bis 1/3, mindestens 400,- DM). Soweit die Kaltmiete diesen Betrag übersteigt, liegt
ein durch das Wohngeld zunächst abzudeckender
Mehrbedarf vor.
d) Erziehungsgeld
Erziehungsgeld wird nur bei Anwendung der Härteklausel (§§ 1 579, 1361 Abs. 3 BGB) als Einkommen
zugrundegelegt.
e) Überobligatorische Einkünfte
Bei Getrenntleben sind überobligatorische Einkünfte nach Treu und Glauben teilweise oder gar nicht anzurechnen.
Bei nachehezeitlichem Unterhalt gilt § 1577 Abs. 2 BGB. Danach ist wie folgt zu verfahren:
- Zunächst ist der Unterhaltsanspruch fiktiv ohne Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens zu
errechnen.
- Soweit dieser fiktive Unterhaltsbetrag (zuzüglich sonstiger anzurechnender Einkünfte) hinter einem angemessenen
Betrag von im allgemeinen 1.700,- DM zurückbleibt, bleibt das überobligatorische Einkommen anrechnungsfrei. Der
Rest wird nach Billigkeit angerechnet.
3. Berechnungsmethoden bei eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten
a) Differenzmethode
Wenn die ehelichen Lebensverhältnisse durch Erwerbseinkünfte beider Ehegatten geprägt worden sind, so steht dem
Unterhaltsberechtigten 3/7 der Einkommensdifferenz zu.
- Nicht die ehelichen Lebensverhältnisse prägend sind Einkünfte aus Zugewinn und Vermögensauseinandersetzung
aus Anlaß der Scheidung.
- Fiktive Einnahmen aus dem Verhältnis zu einem anderen Partner haben niemals prägenden Einfluß auf die
ehelichen Lebensverhältnisse gehabt.
- Einkünfte aus einer erstmals nach der Trennung aufgenommenen Erwerbstätigkeit, die der Unterhaltsberechtigte
ohne die Trennung nicht aufgenommen hätte, sind nicht als prägend anzusehen.
- Einkünfte aus einer erst nach der Scheidung aufgenommenen Erwerbstätigkeit, auch wenn deren Aufnahme einer
früheren Lebensplanung entspricht, können nur dann als prägend angesehen werden, wenn diese Planung bereits vor
der Scheidung teilweise verwirklicht worden war.
b) Abzugsmethode
Soweit der unterhaltsberechtigte Ehegatte Einkünfte bezieht, die die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt
haben, sind diese (bei Erwerbseinkommen in der Regel zu 6/7) auf die Unterhaltsquote anzurechnen. Im Einzelfall
kann zur Milderung von Härten der
quotenmäßig festgestellte Unterhaltsbedarf zuvor um einen angemessenen Zuschlag erhöht werden, wovon der 4.
und 14. Zivilsenat weitgehend Gebrauch machen.
c) Mischmethode
Haben die Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten nur in geringerem Umfange die ehelichen
Lebensverhältnisse geprägt, besteht jetzt aber ein weitergehendes Einkommen, so sind Differenz- und
Abzugsmethode zu kombinieren.
VI. Leistungsfähigkeit und Mangelfallberechnung
1. Selbstbehalte
Dem Unterhaltspflichtigen muß nach Abzug der Unterhaltsansprüche von seinem anrechungspflichtigen Einkommen
der sog. Selbstbehalt verbleiben.
Dieser Selbstbehalt beträgt gegenüber Ansprüchen des getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten oder
volljähriger Kinder mindestens 1.500,- DM, gegenüber den Ansprüchen minderjähriger Kinder mindestens 1.300,-
DM.
2. Grundsätze der Mangelfallberechnung
Eine Mangelfallberechnung wird immer dann notwendig, wenn dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug des Ehegatten-
und Kindesunterhalts nicht wenigstens 1.500,- DM (= sog. großer Selbstbehalt) bzw. bei Ansprüchen nur
minderjähriger Kinder 1.300,- DM (= sog. kleiner
Selbstbehalt) verbleiben.
Zu unterscheiden sind zwei Teilungsmassen:
- Die Teilungsmasse ist der Betrag, um den das anrechnungspflichtige Einkommen des Unterhaltspflichtigen 1.500,-
DM übersteigt. Dabei ist die Berufspauschale wie sonst auch abzuziehen.
- Die Teilungsmasse II beträgt 200,- DM und resultiert aus dem um 200,- DM geringeren Selbstbehalt gegenüber den
Unterhaltsansprüchen der minderjährigen Kinder.
Die Teilungsmasse 1 ist auf alle Unterhaltsberechtigten in angemessenem Verhältnis zu verteilen. In der Regel ist
für die getrenntlebende oder geschiedene Ehefrau ein Einsatzbetrag von 1.300,- DM (gegebenenfalls unter Abzug
anrechnungspflichtiger Eigeneinkünfte), für die
minderjährigen Kinder der unterste Satz der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle anzusetzen.
Die Teilungsmasse II ist zwischen den minderjährigen Kindern im Verhältnis ihrer Mindestunterhaltsbeträge zu
verteilen. Insgesamt erhalten die Kinder aber nicht mehr als den Mindestunterhaltssatz.
VII. Billigkeitskontrolle
Letztlich muß jede Einkommensaufteilung auf ihre Angemessenheit im Einzelfall kontrolliert und gegebenenfalls
modifiziert werden.
VIII. Beweislast
1. Bedarf
Im Rahmen der Bedarfsberechnung trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für
a) die Höhe des Einkommens des Verpflichteten, soweit daraus ein höherer als der Mindestbedarf hergeleitet werden
soll (den Verpflichteten trifft insoweit jedoch eine substantiierte Bestreitenspflicht),
b) die Höhe tatsächlicher oder fiktiver Einkünfte, die den Bedarf mindern könnten (insbesondere gehört dazu, daß
kein eheähnliches Verhältnis besteht bzw. daß aus einer Beziehung zu einem neuen Partner keine geldwerten
Vorteile oder Entgelte gezogen werden könnten. Diese negative Darlegungs- und Beweislast wird erst durch einen
substantiierten Vortrag des Pflichtigen zum Bestehen einer derartigen Beziehung des Berechtigten zu einem neuen
Partner ausgelöst).
2. Leistungsfähigkeit
Steht der Unterhaltsbedarf der Höhe nach fest, so trägt der Pflichtige die Beweislast dafür, daß er nicht über
ausreichende Einkünfte verfügt, um diesen Bedarf zu decken.