Urteil des OLG Oldenburg vom 04.03.1997

OLG Oldenburg: vernehmung von zeugen, wagen, arglist, firma, fahrlässigkeit, erwerb, zustand, auto, begriff, absicht

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 172/96
Datum:
04.03.1997
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 463
Leitsatz:
Arglistiges Verschweigen des wahren Umfanges einer Vorschädigung eines gebrauchten Pkw.
Volltext:
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen gebrauchten PKW.
Am 26. 1.1996 kaufte sie von dem Beklagten einen VW Polo, Erstzulassung
16.2.1995, mit einer Laufleistung von gut 10.000 km zum Preise von 13.250,-- DM. Nach Erhalt des Kaufpreises
unterschrieb der Beklagte die Quittung mit dem Vermerk, gekauft wie besehen" und übergab den Wagen mit
sämtlichen KFZ-Papieren. Das Fahrzeug, das einen erheblichen Transportschaden abbekommen hatte, hatte der
Beklagte im Februar 1995 von der Firma Auto G erworben.
Die Klägerin hat behauptet, bei den eingehenden Vertragsverhandlungen auch über Schäden und Unfallfreiheit habe
der Beklagte lediglich auf einen kleinen inzwischen reparierten Transportschaden an der Heckklappe hingewiesen. In
Wahrheit habe es sich aber um einen dem Beklagten bekannten schweren Unfallschaden gehandelt, der nicht
fachgerecht repariert worden sei. Der Verkehrswert läge bei nur 5.000,-- DM.
Mehr habe der Beklagte auch der Firma G nicht bezahlt.
Der Beklagte hat behauptet, er habe von der Firma G lediglich mitgeteilt bekommen, der Wagen habe einen
Transportschaden mitbekommen, der ordnungsgemäß repariert worden sei. Das habe er auch der Klägerin
weitergegeben. Zusätzlich habe er sie darauf hingewiesen, daß die Heckklappe nicht ganz passe. Die Kläger habe
trotz der Kenntnis von dem Vorschaden den PKW wegen des günstigen Kaufpreises und der geringen Laufleistung
unbedingt haben wollen. Er habe ihn seinerzeit für 13.500,-- DM erworben und ihn etwa 1 Jahr ohne Beanstandungen
und ohne Unfälle genutzt.
Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises und einzelne zusätzliche Schadensersatzleistungen
gerichtete Klage nach Vernehmung von Zeugen zu den Vertragsverhandlungen abgewiesen, weil der Klägerin der
Umfang des Mangels infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
...
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
Die Klägerin hat gem. § 463 BGB einen Schadensersatzanspruch, da sie der Beklagte arglistig über das Ausmaß
der Vorschädigung des KFZ getäuscht hat. Das berechtigt sie, ihm den Wagen wieder zur Verfügung zu stellen und
Ersatz des gesamten ihr durch die Nichterfüllung des Vertrages entstandenen Schadens zu verlangen (sog. großer
Schadensersatz, vgl. nur Palandt/Putzo, BGB, 56. Aufl. § 463 Rdnr. 19).
Auf die Frage, ob unter Berücksichtigung des Quittungsvermerks von einem vereinbarten Gewährleistungsschluß
auszugehen ist, kommt es daher ebensowenig an, wie auf die nicht ganz unbedenkliche Annahme des Landgerichts,
der Klägerin sei infolge grober Fahrlässigkeit der Mangelzustand unbekannt geblieben.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zumindest fest, daß der Beklagte bei den Vertragsverhandlungen
lediglich von einem ,Transportschaden" und einer ,Delle am Heck" gesprochen hat. Damit hat er der ihm obliegenden
Offenbarungspflicht über den Umfang der Vorschädigung nicht genügt, um den Vorwurf der Arglist zu entge-
hen.
Arglist i. S. v. § 463 BGB erforderte keine betrügerische Absicht. Es reicht, wenn der Verkäufer mit dem
Vorhandensein von solchen Mängeln rechnet oder sie jedenfalls für möglich hält, die für den Inhalt des
abzuschließenden Vertrages von Bedeutung sind. Insoweit ist anerkannt, daß der Verkäufer eines KFZ insbesondere
auf die bekannten Vorschäden hinzuweisen hat und sie nicht verharmlosen darf (vgl. statt aller Pa-
landt/Putzo aaO. Rdn. 11 m. v. w. Nw).
Im Gegensatz zum Landgericht ist dem Beklagten eine solche Arglist begründende Bagatellisierung vorzuwerfen.
Dabei kann mit der Berufungserwiderung davon ausgegangen werden, daß er die Beschädigungen im einzelnen bei
dem Erwerb des Fahrzeugs nicht mitgeteilt bekommen und es auch erst im reparierten Zustand gesehen hat. Der
KFZ-Händler G hat ihn aber deutlich darüber unterrichtet, daß der Wagen einen ,schweren Transportschaden" erlitten
hatte. Das Ausmaß des Schadens spiegelte sich für den Kläger zudem klar erkennbar in dem Preis wieder. Er hat
das noch nicht gebrauchte Auto (Laufleistung 0 km) in etwa zur Hälfte des Neupreises bekommen.
Auch wenn der Begriff des Transportschadens keinen genau konturierten Inhalt aufweist, hat der Beklagte mit
diesem Begriff auch nicht annähernd die ihm aus den Umständen des Erwerbs bekannt gewordene Schwere des
Schadenszustandes beschrieben. Die Käuferin ist damit nicht in die Lage versetzt worden, sich einigermaßen
realistische Vorstellungen über den Vorschaden zu machen. Der äußerliche Zustand des Fahrzeugs gab dafür
unstreitig keinerlei Anhalt. Durch die in diesem Zusammenhang vom Beklagten nur noch erwähnte Delle in der
Heckklappe mit der gebliebenen nicht ganz sauberen Anpassung des Abstandes zum Rahmen und der Unfallfreiheit
im übrigen wird im Gegenteil von dem wahren Schadensumfang und den erfolgten Instandsetzungsarbeiten
abgelenkt. Für die Käuferseite bestand damit auch kein Anlaß zur weiteren Nachfrage. Sie konnte und durfte sich
vielmehr aufgrund dieser Angaben damit zufrieden geben - so wie es der Ehemann der Klägerin anschaulich
geschildert hat - und eine so umschriebene Beschädigung, die ordnungsgemäß und optisch einwandfrei repariert
worden war, hinnehmen und ihrem Kaufentschluß zugrunde legen. Es bestand für die Klägerin nach diesen
Hinweisen kein Anlaß mehr, an einen umfangreichen schwerwiegenden Vorschaden zu denken.
Der Beklagte handelte mithin arglistig, wenn er seinen vom Vorverkäufer erhaltenen Kenntnisstand über die wahre
Vorschädigung nicht in entsprechender Weise an die Kaufinteressentin weitergab und damit die sonst erfolgte
Einflußnahme des Vorschadens auf die Vertragsverhandlungen und -gestaltung verhinderte.
Die belegten Schadenspositionen sind in der Berufungsinstanz nicht mehr im Streit. Eine Nutzungsentschädigung
kam angesichts der geringen Laufleistung seit Erwerb von ca. 130 km, wie sie der Ehemann der Beklagten bekundet
hat, nicht in Betracht.
Auf die Berufung war daher das landgerichtliche Urteil zu ändern und der Klage insgesamt mit den
Nebenentscheidungen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO stattzugeben.