Urteil des OLG Oldenburg vom 21.03.1996

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Gericht:
OLG Oldenburg, 12. Familiensenat
Typ, AZ:
Urteil, 12 UF 11/96
Datum:
21.03.1996
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 519
Leitsatz:
Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn PKH-Gesuch nach unbe- dingter
Berufungseinlegung nur ein vom Rechtsanwalt nicht unterzeichne- ter Begründungs-Entwurf beilag.
Volltext:
G r ü n d e :
Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 21. Dezember
1995 wurde der Beklagte in Ergänzung einer notariellen Urkunde
verurteilt, der von ihm getrennt lebenden Klägerin weitergehenden
Trennungs- und Kindesunterhalt zu zahlen. Gegen das ihm am 29. De-
zember 1995 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einer am 29.
Januar 1996 eingegangenen Berufungsschrift Berufung eingelegt. In
einem am 26. Februar 1996 bei Gericht eingegangenen Antrag hat er
zur Durchführung dieser Berufung die Bewilligung von Prozeßkosten-
hilfe beantragt. Zur Begründung hat er sich auf die in einer ge-
sonderten mit
"Entwurf
Berufungsbegründung"
überschriebenen und nur mit einem Stempeldruck seines Prozebevoll-
mächtigten versehenen Anlage enthaltenen Ausführungen bezogen.
Auf den Hinweis, daß eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht
vorliege, hat der Beklagte ausgeführt, daß er aus finanziellen
Gründen eine Berufungsbegründung nicht habe vorlegen können und so
ohne Verschulden die Frist versäumt habe. Hilfsweise beantragt er,
ihm wegen der Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in
den vorherigen Stand zu gewähren.
Die Berufung ist zwar fristgerecht eingelegt worden. Sie ist
gleichwohl unzulässig, weil der Beklagte es versäumt hat, diese
innerhalb der am 29. Februar 1996 endenden Begründungsfrist (§ 519
Abs. 3 ZPO) zu begründen. Der noch innerhalb dieser Frist einge-
gangene Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe vermag die
gesetzlich vorgeschriebene Begründung der Berufung nicht zu erset-
zen. Der Schriftsatz beschränkte sich auf diesen Antrag und ver-
wies zu dessen Begründung auf eine gesonderte Anlage. Diese war
wiederum ausdrücklich als Entwurf gekennzeichnet und demnach
noch nicht zur Begründung der Berufung bestimmt. Vor allem aber
war diese Anlage nicht von dem Prozeßbevollmächtigten des Beklag-
ten unterzeichnet. Auch wenn man annimmt, daß ein ansonsten den
inhaltlichen Anforderungen des § 519 ZPO genügendes Gesuch auf Be-
willigung von Prozeßkostenhilfe zugleich zur Begründung der Beru-
fung dienen soll (BGH FamRZ 1993, 46 m.w.N.), kann auf das formale
Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Anwalts nicht ver-
zichtet werden. Dies gilt hier vor allem deshalb, weil der Prozeß-
bevollmächtigte des Beklagten nicht nur ausdrücklich auf den Ent-
wurf verwiesen, sondern in seinem Schriftsatz vom 12. März 1996
ergänzend ausgeführt hat, daß er beabsichtigt habe, mit dieser
Verfahrensweise das Kostenrisiko für den Beklagten gering zu hal-
ten. Damit hat er unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß mit der
Anlage zum Gesuch auf Prozeßkostenhilfe die Berufung noch nicht
hatte begründet werden sollen (vgl. auch BGH VersR 1989, 862;
VersR 1991, 936).
Dem Beklagten kann auch nicht Wiedereinsetzung wegen Versäumung
der Frist zur Begründung seiner Berufung gewährt werden. Die ent-
scheidende Voraussetzung hierfür, daß er nämlich ohne sein Ver-
schulden an der Einhaltung der Frist gehindert sei, liegt nicht
vor. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten trotz des
Auftrags, das Rechtsmittel nur bei Gewährung von Prozeßkostenhilfe
durchzuführen, unbedingt Berufung eingelegt hatte, bestand noch
die Möglichkeit, durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf ei-
ne Verlängerung der Begründungsfrist hinzuwirken (§ 519 Abs. 2 S.
3 ZPO). Bei der Bemessung der verlängerten Frist kann der voraus-
sichtlichen Dauer bis zur Entscheidung über den Antrag auf Prozeß-
kostenhilfe Rechnung getragen werden. Auch kommt eine weitere
Fristverlängerung in Betacht, falls sich diese Entscheidung uner-
wartet verzögern sollte. Der Prozeßbevollmächtigte einer Partei
ist daher grundsätzlich gehalten, durch einen rechtzeitigen Antrag
auf Verlängerung der Begründungsfrist dafür Sorge zu tragen, daß
eine Versäumung der Frist nicht eintritt. Mit seiner gegenteiligen
Auffassung befindet sich der Beklagte in Widerspruch zur höch-
strichterlichen Rechtsprechung (BGH Beschluß vom 13. Oktober 1992
- VersR 1993, 1125).
Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine gegenteilige
Praxis in der Rechtsprechung des Senats berufen. Selbst wenn in
einem Verfahren aus dem Jahr 1992 - aus heute nicht mehr bekannten
Gründen - Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Begründungsfrist
trotz verspätet eingereichter Berufungsbegründung gewährt worden
sein sollte, könnte dies kein Vertrauen auf eine ständige Recht-
sprechungspraxis begründen, zumal nach Abschluß jenes Verfahrens
der Beschluß des Bundesgerichtshof vom 13. Oktober 1993 ergangen
und in einer allgemein zugänglichen Fachzeitschrift veröffentlicht
worden war. Auch aus dem Verfahren 12 UF 106/95 läßt sich eine
derartige Spruchpraxis nicht herleiten, weil in jener Sache die
Begründungsfrist durch die Gerichtsferien gehemmt war, so daß der
Senat schon vor Ablauf der Frist in der Sache entscheiden konnte.
Hier konnte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten indes nicht
darauf vertrauen, daß bei dem notwendigerweise zu gewährenden
rechtlichen Gehör der Senat noch rechtzeitig über den Prozeßko-
stenhilfeantrag entschied, nachdem dieser erst 3 Tage vor Ablauf
der Frist bei Gericht eingegangen war. Andererseits stand noch ge-
nügend Zeit zur Verfügung, um durch einen fristgerechten Antrag
auf eine Verlängerung der Begründungsfrist hinzuwirken.
Einer Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbe-
gründung steht darüber hinaus entgegen, daß bis heute eine den An-
forderungen des § 519 ZPO genügende Berufungsbegründung nicht vor-
liegt. Nach § 236 Abs. 1 ZPO ist für den Widereinsetzungsantrag
ausdrücklich die Nachholung der versäumten Prozeßhandlung vorge-
schrieben. Dies ist hier die Berufungsbegründung (vgl. Zöller