Urteil des OLG Oldenburg vom 07.10.2009

OLG Oldenburg: gesetzesänderung, rechtssicherheit, begriff, vergütung, einzelrichter, gebühr, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 13 W 43/09
Datum:
07.10.2009
Sachgebiet:
Normen:
RVG § 15 a, RVG § 60 Abs 1
Leitsatz:
Keine Anwendung des § 15a RVG auf so genannte Altfälle
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
13 W 43/09
5 O 222/09 Landgericht Osnabrück
Beschluss
In der Beschwerdesache
A… L…, …
Klägerin und Beschwerdegegnerin
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen
1. T… M…, …
Beklagter zu 1. und Beschwerdeführer
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
2. C… H…, …
Beklagter zu 2.
Prozessbevollmächtigter zu 2:
Rechtsanwalt …
3. M… S…, …
Beklagter zu 3.
Prozessbevollmächtigte zu 3:
Rechtsanwälte …
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Richter am Oberlandesgericht … als
Einzelrichter zu Ziffer I. und durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht …, den Richter am
Oberlandesgericht …und den Richter am Oberlandesgericht … zu Ziffern II. bis IV.
am 7. Oktober 2009
beschlossen:
I. Das Verfahren wird gemäß § 568 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss I des Rechtspflegers des
Landgerichts Osnabrück vom 31.08.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 1.
III. Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf bis 600 €.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.08.2009 hat das Landgericht Osnabrück die dem Beklagten zu 1. von der
Klägerin zu ersetzenden Kosten festgesetzt und dabei auf die Verfahrensgebühr die hälftige außergerichtliche
Geschäftsgebühr
nach einem Gebührensatz von 0,65 in Höhe von 367,90 € angerechnet.
Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1. mit der sofortigen Beschwerde und macht geltend, dass eine Anrechnung
der hälftigen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach der am 05.08.2009 in Kraft getretenen Bestimmung
des § 15a RVG nicht mehr zulässig sei. Diese Vorschrift sei auch auf Verfahren anzuwenden, bei denen die
Beauftragung des Anwalts bereits vor dem 05.08.2009 erfolgt sei. Die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG
betreffe nicht das Kostenfestsetzungsverfahren.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO. § 11 Abs. 1 RPflG zulässig,
aber nicht begründet.
Die teilweise Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr gemäß Teil 3
Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV zum RVG entspricht für die Zeit vor dem 05.08.2009 der herrschenden
Rechtsprechung, der auch der Senat folgt (vgl. im Einzelnen BGH Beschluss vom 22.01.2008 - VIII ZB 57/07, NJW
2008, 1323 ff.). Für das Kostenfestsetzungsverfahren gilt nichts anderes. Festzusetzen ist die nach den
Bestimmungen des RVG begründete Gebühr, die der Auftraggeber seinem Anwalt schuldet.
An der Anrechnung ändert auch die Einführung des § 15a RVG für sog. ´Altfälle´ nichts, weil insoweit § 60 Abs. 1
RVG Anwendung findet, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte
Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt
worden ist.
Die Einführung des § 15a RVG durch das am 23. April 2009 beschlossene Gesetz zur Modernisierung von Verfahren
im anwaltlichen Berufsrecht stellt eine Gesetzesänderung im Sinne des § 60 Abs. 1 RVG dar (vgl. auch OLG Celle
Beschluss vom 26.08.2009 - 2 W 240/09. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.08.2009 - 12 W 91/09. OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 06.08.2009 - 20 W 62/09. OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2009 - 6 WF 154/09). Die
Gegenansicht sieht darin lediglich eine gesetzgeberische Klarstellung mit der Rechtsfolge, dass die
Übergangsvorschrift des § 60 RVG keine Anwendung findet und die Regelung des § 15a RVG rückwirkend für
Altfälle maßgeblich ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2009 - 8 W 339/09. OLG Koblenz Beschluss vom
01.09.2009 - 14 W 553/09. OLG Dresden, Beschluss vom 13.08.2009 - 3 W 793/09). Zur Entscheidung der Frage, ob
es sich bei einer gesetzlichen Neuregelung um eine Gesetzesänderung oder nur um eine ´Klarstellung´ handelt, ist
eine formalisierte Betrachtungsweise geboten. Andernfalls wird die Auseinandersetzung über inhaltliche
Auslegungsfragen verlagert auf die Frage der Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift selbst. Damit würde die
Übergangsvorschrift überfrachtet. So wird vom zweiten Zivilsenat des BGH, der in der Frage der Anrechnung der
Geschäftsgebühr eine andere Auffassung vertritt als die übrigen Senate, die Neuregelung des § 15a RVG als
Klarstellung seiner Rechtsauslegung begrüßt (Beschluss vom 02.09.2009 - II ZB 35/07), während sie von der
Mehrheitsauffassung, die ihre gegenteilige Auffassung auf den gesetzlichen Wortlaut der Anrechnungsbestimmung
stützt, ebenso klar als Gesetzesänderung aufgefasst werden muss. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der
Begriff der Gesetzesänderung in weitem Sinn dahin gehend auszulegen, dass die durch das Gesetz vom 23.04.2009
eingefügte neue Vorschrift des § 15a RVG eine Gesetzesänderung nach § 60 Abs. 1 RVG darstellt (so auch OLG
Celle a.a.O.).
Infolgedessen ist § 15a RVG auf Altfälle wie den vorliegenden nicht anwendbar. Soweit in der Rechtsprechung eine
vermittelnde Auffassung vertreten wird, wonach die in § 15a RVG zum Ausdruck gebrachte Wertung des
Gesetzgebers auch bei der Auslegung der Anrechnungsvorschrift nach bisherigem Recht in dem Sinn zu
berücksichtigten sei, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht (mehr) in Betracht komme, auch wenn es
sich bei § 15a RVG um eine Neuregelung im Sinne des § 60 Abs. 1 RVG handele (OLG Köln Beschluss vom
14.09.2009 - 17 W 195/09), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine derartige Auslegung scheitert bereits an
dem eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 Satz 1 VV zum RVG (vgl. BGH
Beschluss 22.01.2007 - VIII 57/07 bei juris Rz 7,8. NJW 2008, 1323).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die
divergierenden Auffassungen über die Frage des Anwendungsbereichs der Übergangsvorschrift geboten (§ 574 Abs.
1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO).
… … …