Urteil des OLG Oldenburg vom 27.08.1991

OLG Oldenburg: vergütung, gerichtsbarkeit, vermögensvorteil, fahren, vorsteuerabzug, meinung, obsiegen, fälligkeit, datum, zivilrecht

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 2 W 36/91
Datum:
27.08.1991
Sachgebiet:
Normen:
BRAGO § 25 ABS 2, USTG § 15, ZPO § 91 ABS 1
Leitsatz:
Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Kostengläubigers ist im Kostenfest- setzungsverfahren auch
dann nicht zu überprüfen und zu berücksichtigen wenn sie unstreitig ist oder auf der Hand liegt.
Volltext:
Nach § 91 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei
die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der ob-
siegenden Partei zu erstatten. Dazu gehört nach § 25 Abs. 2 BRAGO
auch die auf die Vergütung des Rechtsanwalts entfallende Umsatz-
steuer. Diese nach dem Gesetzeswortlaut bestehende Pflicht zur
Kostenerstattung besteht auch dann, wenn die obsiegende Partei
selbst vorsteuerabzugsberechtigt ist (§ 15 UStG) und deshalb die
an ihren Anwalt gezahlte Umsatzsteuer von ihrer eigenen Umsatz-
steuerschuld abziehen könnte. Die Erstattungspflicht setzt nämlich
lediglich voraus, daß die Kosten tatsächlich entstanden sind und
daß es sich um notwendige Kosten handelt. Beide Voraussetzungen
treffen für die auf die Vergütung des Rechtsanwalts der obsiegen-
den Partei entfallende Mehrwertsteuer zu. Die obsiegende Partei
schuldet diese Kosten mit der Fälligkeit der Anwaltsvergütung. Für
sie sind diese Kosten nicht vermeidbar und deshalb im Kostenfest-
setzungsverfahren nach § 104 f ZPO entsprechend festzusetzen. Die
Vorsteuerabzugsberechtigung des Kostengläubigers ist im Kosten-
festsetzungsverfahren nicht zu überprüfen und zu berücksichtigen,
auch dann nicht, wenn sie unstreitig ist oder auf der Hand liegt.
Der Senat schließt sich damit der Rechtsprechung des 5. Zivil-
senats (Beschluß vom 09.06.1991 - 5 W 61/91 -), des 9. Zivilsenats
(Beschluß vom 30.05.1991 - 9 W 9/91 -) und des 14. Zivilsenats
(Beschluß vom 12.07.1991 - 14 W 8/91 -) des OLG Oldenburg an. Die
zugrundeliegende, im Bereich der ordentlichen Gerichte bisher
herrschende Auffassung wird auch nach der abweichenden Entschei-
dung des BFH vom 06.03.1990 (Bundessteuerblatt 1990 II, 584) von
anderen Obergerichten geteilt.
Die vom BFH vertretene Meinung, der sich der 6. Zivilsenat (6 W
1/91), der 8. Zivilsenat (8 W 12/91), der 11. Zivilsenat (11 W
10/91), der 12. Zivilsenat (12 W 2/91) und der 13. Zivilsenat (13
W 103/90, 13 W 33/91) des OLG Oldenburg jedenfalls für die Fälle
der offensichtlich gegebenen oder nicht bestrittenen Vorsteuer-
abzugsberechtigung angeschlossen haben, ist für den zivilrecht-
lichen Bereich nicht überzeugend. Ob die obsiegende Partei wegen
der auf die Vergütung ihres Rechtsanwalts entfallenden Umsatz-
steuer möglicherweise gleichzeitig einen Kostenerstattungsanspruch
gegen den Steuerfiskus erlangt hat, ist kostenrechtlich ohne
Bedeutung. Das bewußt formal ausgestaltete Kostenfestsetzungsver-
fahren ist nicht dazu geeignet, irgendwelche Rechtsbeziehungen und
Ansprüche der Parteien gegen am Rechtsstreit und Kostenstreit
nicht beteiligte Dritte nachzuprüfen.
Ausführungen zu den dabei möglicherweise auftauchenden Schwierig-
keiten, insbesondere auch bei der Darlegungslast hat u.a. das OLG
Koblenz in seinem Beschluß vom 26.02.1991 (NJW 1991, 1688, 1689)
gemacht. Schon diese keineswegs erschöpfend aufgezählten möglichen
Komplikationen belegen, daß das bewußt vereinfachte, effektive
Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls im Bereich der Zivil-
gerichtsbarkeit nicht mit der Nachprüfung und Beurteilung steuer-
rechtlicher Fragen und Rechtsbeziehungen belastet werden darf, die
außerhalb des Rechts- und Kostenstreits der Parteien auftreten.
Dies würde den Grundsätzen des Kostenverfahrens widersprechen. Aus
diesem Grunde ist auch der Rechtsgedanke der "Vorteilsaus-
gleichung" nicht entsprechend anwendbar. Die Antwort auf die Frage
nämlich, ob der obsiegenden Partei tatsächlich ein anrechenbarer
Vorteil im Wege des Vorsteuerabzugs erwächst, würde den vorgege-
benen Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens sprengen. Im übrigen
bringt die Vorsteuerabzugsberechtigung der obsiegenden Partei
nicht zwangsläufig einen Vorteil, der auszugleichen wäre. Dabei
ist zu berücksichtigen, daß die obsiegende Partei bei gegebener
Vorsteuerabzugsberechtigung lediglich das Recht, nicht aber die
Pflicht hat, von diesem Vorsteuerabzug Gebrauch zu machen. Da es
sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, besteht für
die obsiegende Partei auch keine Schadensminderungspflicht im
Sinne des § 254 Abs. 2 BGB.
Die vom Senat vertretene Auffassung führt auch nicht zu einem
unberechtigten Vermögensvorteil des Kostengläubigers.
Die mehrwertsteuerpflichtige Partei kann bei ihrer Umsatzsteuer-
zahlung die Mehrwertsteuer, die ihr von ihrem Rechtsanwalt in
Rechnung gestellt ist, als Vorsteuer rechnerisch abziehen. Erhält
sie jedoch später vom Gegner gem. § 104 ZPO die Gebühren mit der
Mehrwertsteuer erstattet, so muß sie dieses mehrwertsteuerpflichte
Geschäft gegenüber dem Finanzamt erneut als Einnahme buchen und
die Mehrwertsteuer an das Finanzamt abführen. Die erstattungs-
berechtigte, redliche Partei behält also im Ergebnis keinen
Vorteil, der den Kostenschuldner ungerechtfertigt belasten würde.
Es ist deshalb und aufgrund der ausgeführten grundsätzlichen Er-
wägungen auch nicht gerechtfertigt, zwischen problematischen und
unproblematischen Fällen zu unterscheiden.