Urteil des OLG Oldenburg vom 22.04.2010

OLG Oldenburg: unternehmen, werbung, familie, verbraucher, anzeige, kopie, eigenschaft, klageberechtigung, gesellschafter, konkurrenz

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 1 W 16/10
Datum:
22.04.2010
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Kein Leitsatz eingetragen
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
1 W 16/10
12 O 919/10 Landgericht Oldenburg Verkündet am 22. April 2010 …, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
Verein zur W... e. V., vertreten durch den Vorstand…
Antragsteller, Verfügungskläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen
Z... GmbH & Co. KG, vertreten durch den Geschäftsführer, D...,
Antragsgegnerin, Verfügungsbeklagte und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts …, den
Richter am Oberlandesgericht
… und den Richter am Oberlandesgericht … auf die mündliche Verhandlung vom 08.04.2010 für Recht erkannt:
Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für
Handelssachen - des Landgerichts Oldenburg vom 10.03.2010 geändert.
Zusätzlich zu dem erstinstanzlich ausgesprochenen Verbot der konkreten Rabattgewährung wird es der
Verfügungsbeklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € auch untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wie aus der nachstehend in verkleinerter Kopie
wiedergegebenen Anzeige ersichtlich anzukündigen:
„110 Jahre Z... Familientradition“.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens erster und zweiter Instanz.
Kopie von Bl. 3 d.A. einfügen
Gründe:
I.
Wegen des Sachverhalts wird auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluss der 12. Zivilkammer - 2. Kammer
für Handelssachen - des Landgerichts Oldenburg vom 10.03.2010 Bezug genommen.
Soweit das Landgericht auf den Antrag zu 2) des Verfügungsklägers die in der Werbung angekündigte
Rabattgewährung untersagt hat, hat die Verfügungsbeklagte dagegen kein Rechtsmittel eingelegt.
Gegenstände des Beschwerdeverfahrens sind die vom Antrag zu 1) des Verfügungsklägers zu 2 betroffenen
Zusätze „Die 110 jährige Familien Tradition“ unterhalb des Werbetextes „JAHRHUNDERTFEIER BEI Z...“ bzw.
„FAMILIENTRADITION“ unterhalb des Textes „110 JAHRE Z... …“, die der Verfügungskläger als eine irreführende
und daher wettbewerbsrechtlich unzulässige Traditionswerbung ansieht.
Das Landgericht hat diesen Teil des Verfügungsbegehrens (Antrag zu 1) als unbegründet zurückgewiesen. Das mit
der Werbung angesprochene Publikum verstehe angesichts der bekanntermaßen laufend erfolgenden
Unternehmensumstrukturierungen und Firmenübernamen die Werbung nicht so, dass ein Unternehmen der Familie
Z... seit 110 Jahren in unveränderter Form betrieben werde, sondern als den zutreffenden Hinweis darauf, dass die
Familie Z... seit 110 Jahren in der Möbelbranche tätig ist.
Gegen den ihm am 15.03.2010 zugestellten Beschluss hat der Verfügungskläger am 23.03.2010 sofortige
Beschwerde eingelegt. Der Senat hat die Sache in ein Verfahren mit mündlicher Verhandlung übergeleitet.
Der Verfügungskläger beantragt,
den angefochtenen Beschluss zu ändern und (auch) seinem Antrag zu 1) - wie aus dem Tenor dieses Urteils
ersichtlich - stattzugeben.
Die Verfügungsbeklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Das Rechtsmittel des antragsbefugten Verfügungsklägers hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Der
Unterlassungsantrag ist zulässig. seine Dringlichkeit wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Der Antrag ist auch in
der Sache begründet.
1. Der Verfügungskläger ist ein rechtsfähiger Förderungsverband. Er ist unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3
Nr. 2 UWG antragsbefugt. Diese Voraussetzungen, namentlich eine relevante Überschneidung der wettbewerblichen
Interessen der Mitglieder des Verfügungsklägers und der in Anspruch genommenen Anspruchs und
Verfahrensgegner sind im Verhältnis zur Verfügungsbeklagten gegeben.
Die Verfügungsbeklagte hat ihren Sitz in D... und handelt mit Wohnmöbeln. Ihr Einzugsbereich erstreckt sich im
Westen bis über O... hinaus, im Osten bis über das Umland B...s hinaus. Dieser Einzugsbereich deckt sich regional
in erheblichem Umfang mit dem der ebenfalls mit Wohnmöbeln handelnden Mitglieder des Verfügungsklägers. Denn
zu seinen Mitgliedern gehört eine ausreichende Anzahl an Unternehmen und Verbänden, deren Interessen von dem
beanstandeten Wettbewerbsverhalten der Verfügungsbeklagten berührt werden. Dazu hat der Verfügungskläger auch
jeweils Wettbewerbsverhältnisse zwischen seinen repräsentativen Mitgliedern und der Verfügungsbeklagten
glaubhaft gemacht.
Die aktuelle Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der vorgelegten Mitgliederliste des Verfügungsklägers hat
ihr Verfahrensbevollmächtigter anwaltlich zu Protokoll versichert. Dazu war er als Mitglied der bevollmächtigten
Anwaltskanzlei infolge deren genereller Beauftragung zur Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben für den
Verfügungskläger, aber auch durch eine schriftliche Bevollmächtigung speziell für dieses Verfahren zusätzlich
ausdrücklich ermächtigt worden.
Der Senat hat mit den Parteien auf der Grundlage der allgemein und gerichtsbekannten Betätigungsfelder der
Vereinsmitglieder, den Ausdehnungen ihrer räumlichen Einzugsbereiche sowie deren Überschneidungen mit dem
Einzugsbereich der Verfügungsbeklagten die Frage der Anspruchs und Klagebefugnis des Verfügungsklägers
ausführlich erörtert. Diese Erörterung hat ergeben, dass jedenfalls hinsichtlich der räumlichen Tätigkeitsbereiche der
im Großraum B.../O… werblich auftretenden Firmen M... und S... (hier namentlich in den Bereichen der sog. „weißen
Ware“) nicht nur geringe Überschneidungen vorhanden sind. Insbesondere besteht aber in Bezug auf die in der
vorbezeichneten Region als einer der Marktführer im Möbelhandel zu qualifizierende D... GmbH & Co KG mit Sitz in
A.../P... in der Nähe B...s schon infolge des tatsächlichen Kundenstroms, der auch durch eine überregionale
Werbung in diesem Sinne gefördert wird, eine erhebliche Überlappung der Einzugsbereiche.
Es war danach festzustellen, dass der Verfügungskläger aus der dargestellten Überschneidung der gewerblichen
Interessen seiner repräsentativen Mitglieder mit den gewerblichen Interessen der Verfügungsbeklagten, die nicht nur
in regionalen Randbereichen und auch im Kernbereich der Angebotspalette auf dem Wohnmöbelmarkt besteht, eine
Anspruchs und Klageberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG herleiten kann.
2. In der Sache beanstandet der Verfügungskläger zu Recht eine wettbewerbswidrige Werbung unter dem Aspekt
einer irreführenden, weil inhaltlich falschen Angabe zu einer wertungsrelevanten Eigenschaft des Unternehmens der
Verfügungsbeklagten (§ 5 Satz 2 Nr. 3 UWG).
Im Streitfall hat die Verfügungsbeklagte damit geworben, dass sie wegen einer „110jährigen Familientradition“ ein
„Jahrhundert“Jubiläum feiert und aus diesem Anlass Sonderangebote macht.
Eine solche Alters oder Traditionswerbung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sie hinsichtlich ihrer
zeitlichen Anknüpfungen richtig ist und die - auch im Streitfall hervorgehobene - Unternehmenskontinuität muss
während des hervorgehobenen Zeitraums angedauert haben. Die Anforderungen sind geboten, weil die sog.
„Alterswerbung“ versteckte Qualitätssignale enthält, die geeignet sind, die Kaufentscheidungen der Verbraucher
zugunsten des Werbenden zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2003, 628, 629 - Klosterbrauerei). Das maßgebliche
Qualitätssignal ist aus der Sicht des angesprochenen Publikums eine im modernen Wirtschaftsleben besonders
seltene langzeitigkontinuierliche Aufrechterhaltung eines Unternehmens durch alle politischen und wirtschaftlichen
Wirrungen innerhalb des angegebenen Zeitraums hindurch, in den (im Streitfall 1900 - 2010) zwei Weltkriege und
massive wirtschaftliche Turbolenzen fielen. Wer unter diesen Umständen ein Unternehmen (jedenfalls im
Familienverbund) überlebens oder zumindest wiederaufbaufähig erhält, verdient aus der Sicht des Verkehrs Respekt
und Vertrauen gerade auch in seine derzeitige unternehmerische Leistungskraft und die Qualität seiner Angebote.
Im Streitfall hat das Landgericht Zweifel daran geäußert, dass die beworbene Altersangabe die Vorstellung erzeugen
könne, die beklagte „Z... GmbH & Co KG“ sei bereits vor 110 Jahren gegründet worden und bestehe seither weiter
unter der Leitung der Familie Z....
Mit dieser Ansicht stellt sich das Landgericht gegen die Rechtsansicht des OLG Hamburg (GRUR 1984, 200 f. -
„Familientradition seit 1910“), dass bei dieser Art der Werbung gerade die Hervorhebung der familiären Beteiligung an
dem Unternehmen nicht im Vordergrund der Werbebotschaft stehe. Wesentlicher sei die traditionelle Verbindung
zwischen dem fortlaufend weiter geführten Unternehmen und der gleichermaßen fortlaufenden familiären Führung.
Der Senat hält diese Rechtsansicht für zutreffend. Die fortlaufend leitende familiäre Beteiligung an einem
Unternehmen ohne Rücksicht auf den Unternehmensgegenstand kann in gewissem Rahmen ein Vertrauen in die
Person des konkreten, bereits früher erfolgreich tätig gewesenen Unternehmensleiters begründen. Ein Vertrauen in
eine besondere und gegenüber der Konkurrenz auf dem Angebotsmarkt vorrangige Qualität der aktuellen und in der
Vergangenheit Wechseln unterworfenen Angebotspalette wird dadurch nicht ohne Weiteres mit erzeugt.
Der für den Senat entscheidende Gesichtspunkt liegt aber darin, dass es sich bei der Beklagten um ein 1992 neu
gegründetes Unternehmen handelt. Bei einem vor 18 Jahren neu gegründeten Unternehmen kann es aber keine
110jährige Familientradition geben.
Sollte ggf. eine 110jährige Tradition in der Familie der Gesellschafter gemeint sein, wird dies aus der Anzeige nicht
deutlich.
Die vorbeschriebenen Vorstellungen und Erwartungen der mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise
entsprechen denen durchschnittlich informierter und gleichermaßen verständig handelnder Verbraucher. Zu diesem
Personenkreis gehören auch die Mitglieder des Senats, so dass insoweit keine weitere Sachaufklärung zum
Verständnishorizont der Werbeadressaten erforderlich war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist unanfechtbar, so dass es keiner besonderen
Vollstreckbarkeitsanordnung bedarf.
… … …