Urteil des OLG Oldenburg vom 11.10.2007

OLG Oldenburg: feststellung des ausländischen rechts, flugzeug, internationale zuständigkeit, grobe fahrlässigkeit, gerichtliche zuständigkeit, gefährdungshaftung, unfall, zuschauer, dänemark, gebäude

Gericht:
OLG Oldenburg, 14. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 14 U 71/07
Datum:
11.10.2007
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 293
Leitsatz:
1. Die Einholung eines Rechtsgutachtens zur Ermittlung ausländischen Rechts ist entbehrlich, wenn
eigene Erkenntnismöglichkeiten durch verfügbare Literatur und Gesetzestexte bestehen und eine dem
deutschen Recht verwandte Rechtsordnung anzuwenden ist.
2. Zur Haftung für einen auf einem privaten Flugplatz in Dänemark entstandenen Personenschaden
nach dänischem Luftverkehrsrecht und allgemeinem Deliktsrecht.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
14 U 71/07
5 O 996/06 Landgericht Aurich Verkündet am 11.10.2007
…, JAnge
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
J...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt …
gegen
K...,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin …
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …,
den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Landgericht … auf die mündliche Verhandlung vom
20.09.2007 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.03.2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Unfalls am 22.05.2005, bei dem sie durch
den Motorsegler des in Deutschland wohnhaften Beklagten auf einer privaten Start und Landebahn in Dänemark
schwer verletzt worden ist.
Die 1950 geborene Klägerin ist britische Staatsangehörige und war bis zu dem Unfall als Lehrerin tätig. Am
Wochenende des 20. bis 22.05.2005 nahmen die Parteien an einem privaten Freundschaftstreffen in Dänemark teil.
Am 22.05.2005 traf sich die Gruppe zum Frühstück auf dem Anwesen des Eigentümers S..., das über eine ca. 600
m lange und ca. 18 bis 20 m breite Start und Landebahn verfügt. Im Anschluss wollte der Beklagte gegen 11.25 Uhr
mit seinem Motorsegler (Typ SF 25 C Falke), der über eine Spannweite von ca. 15,30 m verfügt, in Begleitung einer
weiteren Person den Rückflug nach Deutschland antreten.
Von den Teilnehmern des Freundschaftstreffens begleiteten etwa 20 Personen den Beklagten zur Startbahn, um
sich zu verabschieden. Wegen der Örtlichkeit wird Bezug genommen auf Bild 1 (Bl. 3 d. A). Das Bild zeigt die Start
und Landebahn, an deren Ende sich das Anwesen des Herrn S... befindet. Der Beklagte rollte mit seinem
Motorsegler von diesem Anwesen aus zu dem etwa 500 m entfernten Startplatz (ersichtlich am unteren Rand von
Bild 1, Bl. 3 d.A.). Die übrigen Personen blieben in Höhe des Hangars am Rande der Bahn zurück, um den Start des
Motorseglers zu beobachten. Die Klägerin stand neben dem Eigentümer des Geländes, Herrn S..., direkt am Rande
der Startbahn und unterhielt sich mit diesem. Bei ihnen standen weitere Personen, deren Anzahl streitig ist. Die
Klägerin befand sich an einem Standort, der auf Bild Nr. 4 (Bl. 6 d.A.) etwa ½ m vor der Flügelspitze des dort
abgebildeten Flugzeugs des Herrn S... anzusiedeln wäre, allerdings weiter hinten in Höhe des Hauses mit der weißen
Mauer. Der Beklagte entschloss sich vor dem Start zu einem Überflug in geringer Höhe, um sich zu verabschieden.
Die Zuschauer konnte er von dem Startplatz aus nicht sehen. Er nahm vor Startbeginn allerdings eine Person, Herrn
C..., auf der Startbahn wahr. Während des Startvorgangs fertigte Herr C... das auf Bild 5 und 6 (Bl. 7/8 d.A.)
ersichtliche Foto. Beim Start stieg das Flugzeug nicht sofort auf. Der Beklagte flog mit den Tragflächen in Kopfhöhe
an den am Rand der Startbahn stehenden Personen vorbei. Dabei wurde die Klägerin von der rechten Tragfläche
erfasst und am rechten Arm erheblich verletzt. Die Verletzungen im Einzelnen und deren Ausmaß sind streitig.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe den Unfall allein verschuldet. Er sei absichtlich tief geflogen, denn er
habe unmittelbar nach dem Unfall gegenüber dem Herrn S... angegeben, er habe einen „low fly over“ geplant. Ihr sei
der Blick auf das Flugzeug durch andere Personen verstellt gewesen. Aufgrund der erlittenen Verletzungen werde ihr
rechter Arm vollständig gelähmt bleiben, was zu ihrer Erwerbsunfähigkeit geführt habe. Sie verlangt Ersatz von
materiellen und immateriellen Schäden, Zukunftsschäden und Dauerschäden. Wegen der Schadenspositionen im
Einzelnen wird auf die Klageschrift Bl. 21 ff. und 70 f. Bezug genommen.
Der Beklagte hat den Unfall auf ein überwiegendes Eigenverschulden der Klägerin zurückgeführt, die sich zu dicht an
der Startbahn aufgehalten habe. Er habe beabsichtigt, eine Höhe von mindestens 10 m zu erreichen. Dass er die
Personengruppe in einer Höhe von etwa 2 m überflogen habe, habe an Windverwirbelungen aufgrund der Bebauung
und des links neben dem Gebäude befindlichen Windrads gelegen. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sich
Zuschauer ohne ausreichenden Sicherheitsabstand auf der Startbahn aufhielten. Als er zum Beginn der Startbahn
gerollt sei, habe die gesamte Gruppe weiter hinten zwischen Hangar und Wohnhaus gestanden. Er sei erst gestartet,
als sich die Person auf der Startbahn seiner Wahrnehmung zufolge entfernt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Gefährdungshaftung nach dem
maßgeblichen dänischen Luftverkehrsgesetzes greife nicht ein, wenn die geschädigte Person den Unfall selbst
entweder vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht habe. Letzteres sei hier der Fall. Die Klägerin habe sich, indem
sie sich beim Startvorgang direkt am Rande der Startbahn aufgehalten habe, leichtfertig in eine große
Gefahrensituation begeben. Der Motorsegler habe erkennbar über eine große Spannweite verfügt. Darüber hinaus
habe die Klägerin nach ihrem eigenen Sachvortrag an letzter Stelle in der Zuschauergruppe gestanden und dadurch
ihre Aufmerksamkeit nicht hinreichend auf das herannahende Flugzeug gerichtet. Demgegenüber lasse sich ein
bewusst eingeleitetes riskantes Flugmanöver des Beklagten nicht feststellen. Er sei berechtigt gewesen, die
gesamte Länge der Startbahn auszunutzen. Damit seien Schadensersatzansprüche der Klägerin schon dem Grunde
nach ausgeschlossen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.
Sie macht geltend, der Verlauf der Startbahn sei nicht klar erkennbar gewesen, weil sich, wie aus dem Bild 1(Bl. 3
d.A.) ersichtlich, die gemähte Rasenfläche am Ende der Startbahn bis in den Bereich der dort befindlichen Gebäude
erstreckt habe. Der Verlauf der Bahn sei gerade in diesem Bereich nicht markiert gewesen. Dass die Tragflächen
über die gemähte Fläche hinaus ragten, sei mit bloßem Auge nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Die Klägerin
habe sich auch deshalb nicht grob fahrlässig verhalten, weil sie – unstreitig - im Zeitpunkt des Unfalls direkt neben
dem Eigentümer des Geländes gestanden habe, der ein erfahrener Pilot sei. Sie habe zu Recht annehmen dürfen,
dass Herr S... die Situation genau einschätzen könne. Wenn er die von dem startenden Flugzeug ausgehende
Gefahr nicht erkannt habe, könne dies erst recht nicht der Klägerin vorgeworfen werden, die keine Flugerfahrung
besitze. Das Landgericht hätte weitere Ermittlungen zum dänischen Recht anstellen und insbesondere einen
Anspruch der Klägerin aus Verschuldenshaftung prüfen müssen. Von einem Verschulden des Beklagten sei nämlich
nach dessen Vortrag auszugehen, weil er einen Überflug in bewusst geringer Höhe geplant habe. Gerade weil die
Startbahn sehr schmal gewesen sei, hätte der Beklagte von vornherein eine größere Höhe anfliegen müssen. Der
Beklagte hätte vor dem Start Sicherheitsvorkehrungen hinsichtlich der Aufsicht am Rande der Startbahn treffen
müssen. Hierzu sei er umso mehr verpflichtet gewesen, als er beabsichtigt habe, über die gesamte Startbahn im
Tiefflug hinweg zu fliegen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin 585.986,13 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2005 zu zahlen,
2. an vorgerichtlichen Kosten 2.508,38 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu
zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, weitere Ermittlungen zum dänischen Recht seien entbehrlich gewesen, weil die Parteien den Inhalt der
Gefährdungshaftung nach dänischem Recht übereinstimmend vorgetragen hätten. Dass die Klägerin neben dem
Zeugen S... gestanden habe, könne sie nicht entlasten. Ein Verschulden auf seiner Seite scheide schon deshalb
aus, weil der Startvorgang eines Flugzeuges immer mit besonderen Gefahren verbunden sei. Sein Motorsegler sei
voll besetzt und vollgetankt gewesen und habe schon aus diesem Grunde nahezu die gesamte Startstrecke
benötigt. Die anvisierte Höhe von 10 m habe er allein aufgrund von Windverwirbelungen nicht erreichen können.
Der Senat hat den Beklagten als Partei vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug
genommen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 20.09.2007 (Bl. 183 ff. d.A.). Der Schriftsatz des
Klägervertreters vom 24.09.2007 lag vor, gab jedoch keinen Anlass zum erneuten Eintritt in die mündliche
Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 2 Abs. 1
der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen gegeben.
Sie ist jedoch unbegründet. Gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist der Schadensersatzanspruch der Klägerin
nach dänischem Recht als dem Recht des Handlungs und Erfolgsorts zu beurteilen.
1. Der Senat hat davon abgesehen, ein Rechtsgutachten zum dänischen Recht einzuholen. Gemäß § 293 ZPO hat
das Gericht von Amts wegen Feststellungen zum ausländischen Recht zu treffen, weil ausländische Rechtsnormen
für den deutschen Richter Rechtssätze und nicht Tatsachen sind (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 293 Rdz.
17, 20 f. m.w.N.). Welcher Mittel sich der Tatrichter zur Feststellung des ausländischen Rechts bedient, steht im
richterlichen Ermessen. Nächstliegende Möglichkeit ist die Nutzung eigener Erkenntnismöglichkeiten (Zöller/Geimer
aaO., § 293 Rdz. 20), wobei an die Ermittlungspflicht umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je komplexer und
je fremder im Vergleich zum deutschen das ausländische Recht ist. Dagegen sind die Anforderungen bei Anwendung
einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen geringer (vgl. nur BGH, NJW
2006, 762, 764. Zöller/Geimer aaO., § 293 Rdz. 15).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage hat der Senat die Einholung eines Rechtsgutachtens jedenfalls zum
Grund der Haftung nicht für erforderlich gehalten. Die einschlägigen Gesetze sind in aktueller Fassung verfügbar. Es
gibt deutsche Literatur zum dänischen Haftungsrecht. Auch ähnelt das dänische dem deutschen Deliktsrecht.
Schließlich sind die Anforderungen an die richterliche Ermittlungspflicht umso größer, je detaillierter und kontroverser
die Parteien eine ausländische Rechtspraxis vortragen (BGH, BGHZ 118, 151). Letzteres ist hier gerade nicht der
Fall, denn zum Grund der Haftung tragen die Parteien im Wesentlichen übereinstimmend vor.
2. Nach dänischem Recht ergibt sich ein Anspruch der Klägerin weder aufgrund der Gefährdungshaftung (hierzu
unter a.) noch aufgrund der Verschuldenshaftung (hierzu unter b.).
a. Ein Anspruch gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 des dänischen Luftfahrtgesetzes („Lov om luftfart“) scheidet aus. Dies
ergibt sich zwar nicht schon aus § 128 Abs. 1 des dänischen Luftfahrtgesetzes, der die Gefährdungshaftung für
Schäden auf genehmigten Flugplätzen („godkendt flyveplads“) ausschließt, weil es sich um einen privaten und nicht
um einen öffentlichen Flugplatz im Sinne von § 60 Abs. 1 des dänischen Luftfahrtgesetzes gehandelt hat. Die
Haftung ist aber gemäß § 127 Abs. 2 dieses Gesetzes ausgeschlossen. Danach entfällt die grundsätzlich
bestehende Gefährdungshaftung des Piloten für Personen und Sachschäden dann, wenn nachgewiesen ist, dass der
Geschädigten den Schaden selbst durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit („forsæt eller grov uagtsomhed“)
verursacht hat. Die Bedeutung von Vorsatz und Fahrlässigkeit entspricht dabei im Wesentlichen dem deutschen
Recht und bestimmt sich nach objektiven Kriterien (Nørgaard/Vagner, Dänemark, in: v.Bar, Deliktsrecht in Europa,
Dänemark, 1993, S. 5 ff.. IPG 2002 Nr. 10 Rz. 4 (Hamburg)). Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße vernachlässigt, also selbst einfachste und ganz nahe liegende
Überlegungen nicht anstellt (v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band II, 1999, Rz. 243 m.N. auch zur
dänischen Rechtsprechung). Ist das Mitverschulden dagegen nicht als grob fahrlässig einzustufen, mindert es den
Anspruch entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung in keiner Weise (so v. Bar,
Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band II, 1999, Rz. 524 ausdrücklich zu § 127 des dänischen Luftfahrtgesetzes).
Die Klägerin hat die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen und damit grob fahrlässig
gehandelt. Auf die Ausführungen des Landgerichts kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.
Schon als das Flugzeug zum Startplatz rollte, war ersichtlich, dass es aufgrund seiner Spannweite fast die gesamte
Startbahn einnahm. Offenkundig war dies erst recht beim Start selbst, wie sich aus dem Bild 5 (Bl. 7 d.A.) ergibt.
Wegen der Unsicherheit des Startverlaufs gerade bei einer leicht gebauten Maschine handelte die Klägerin
leichtfertig, als sie direkt am Rande der Startbahn stehen blieb, ohne den Blick und die Aufmerksamkeit auf das
startende Flugzeug zu richten. Sie hat selber angegeben, sie habe sich mit Herrn S... unterhalten, während ihr Blick
auf das Flugzeug durch andere Personen verdeckt gewesen sei. Dass der Verlauf der Startbahn in dem in Nähe der
Gebäude befindlichen Bereich nicht klar erkennbar war, hätte umso mehr Anlass sein müssen, einen beträchtlichen
Sicherheitsabstand einzuhalten. Ihr Vertrauen in den Flugplatzeigentümer S... kann sie nicht entlasten. Dessen
Verhalten mag Ansprüche der Klägerin gegen ihn als Sicherungspflichtigen begründen. Es enthob die Klägerin aber
nicht ihrer eigenen Verantwortung für ihre Sicherheit.
b. Der Beklagte haftet auch nicht nach dem allgemeinen dänischen Deliktsrecht.
§ 129 des dänischen Luftfahrtgesetzes bestimmt ausdrücklich, dass die Gefährdungshaftung Ansprüche, die sich
aus der Anwendung allgemeiner Rechtsregeln ergeben, nicht einschränkt. Die Gefährdungshaftung tritt nur
ergänzend neben die allgemeine Verschuldenshaftung (siehe auch IPG 2002 Nr. 10 Rz. 5 (Hamburg)). Insoweit setzt
das Gesetz über die Verpflichtung zum Schadensersatz („Lov om Erstatningsansvar“, Gesetz Nr. 228 vom 23. Mai
1984) in § 1 voraus, dass eine Erstattungspflicht für Schäden besteht, regelt also nur Umfang und Höhe der Haftung.
Ob eine Haftung dem Grunde nach besteht, richtet sich dem ungeschriebenen Grundsatz des dänischen
Deliktsrechts zufolge nach dem Verschuldensprinzip. Eine Ersatzpflicht tritt ebenso wie im deutschen Recht nur
dann ein, wenn ein Schaden vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt wird (IPG 2002 Nr. 10 Rz. 4 (Hamburg)).
Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass ein Verschulden des Beklagten, insbesondere ein fahrlässiges
Verhalten, nicht feststeht:
Für Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich der Sicherung der Personengruppe vor Besteigen des Flugzeugs hatte er
keinen Anlass. Der Gruppe war bekannt, dass er sein Flugzeug starten wollte, weil sie ihn gerade zum Zwecke des
Abflugs nach draußen begleitet hatte. Darüber hinaus befand sich der flugerfahrene Geländeeigentümer S... unter
den Zuschauern. Der Beklagte musste zu diesem Zeitpunkt nicht damit rechnen, dass Personen direkt an der
Startbahn stehen bleiben würden. Immerhin lag zwischen dem Besteigen des Flugzeugs und dem eigentlichen Start
noch eine gewisse Zeitspanne, weil erst der Start vorbereitet, das Flugzeug zu dem 500 m entfernten Startpunkt
rollen und dort gewendet werden musste. In dieser Zeit konnte der Beklagte ohnehin nicht mehr Einfluss auf das
Verhalten der Zuschauer nehmen.
Ein Verschulden beim Start selbst ist nicht ersichtlich. Start und Landung stellen bekanntlich gefahrenträchtige
Vorgänge dar. Ein Motorsegler ist schwach motorisiert und – wie aus den Fotos ersichtlich - leicht gebaut. Er war mit
zwei Personen stark beladen. Die Startbahn bestand aus einer Wiese, auf der mit Unebenheiten gerechnet werden
musste. Es bestand ein Hindernis am Rand der Startbahn in Gestalt des Flugzeugs des Geländeeigentümers S....
Aus diesen Gründen musste der Beklagte als Pilot seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Startvorgang als solchen
richten. Die Sicherung der an der Startbahn stehenden Personengruppe konnte er nicht beeinflussen, zumal er
keinen Funkkontakt hatte. Er konnte sich nur auf den anwesenden Eigentümer des Flugplatzes verlassen, der für die
Sicherheit der Zuschauer Sorge zu tragen hatte. Zu diesem Ergebnis gelangt auch die dänische „Havarikommission“,
die den Unfall untersucht hat (Bl. 92 d.A.. „Accident Investigation Board“ = „Havarikommission“ i.S. der §§ 134 ff.
des dänischen Luftfahrtgesetzes). Ein Verschulden lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der Beklagte vor dem
Startvorgang unstreitig einen Menschen auf der Startbahn – Herrn C... – wahrnahm, denn der Beklagte hat
angegeben, er habe den Start erst begonnen, als aus seiner Sicht die Startbahn frei gewesen sei.
Nichts anderes folgt schließlich aus der Angabe des Beklagten, er habe einen Überflug in geringer Höhe geplant. Ihn
traf keine Rechtspflicht, das Flugzeug möglichst schnell hochzuziehen. Unstreitig konnte er die Personengruppe
nicht sehen. Mit Personen direkt am Rand der Startbahn musste er nicht rechnen. Er hat im Rahmen seiner
Parteivernehmung glaubhaft angegeben, er habe die Zuschauer im Bereich des Hangars vermutet. Festzuhalten ist,
dass der Beklagte mit seinem Flugzeug im Bereich der Startbahn geblieben ist, die ihm in voller Länge und Breite für
den Start zur Verfügung stand.
Der Vortrag der Klägerin, der Beklagte habe beabsichtigt, über die gesamte Startbahn im Tiefflug hinweg zu fliegen,
hat sich im Übrigen durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Beklagte wollte den Angaben in seiner
Parteivernehmung zufolge eine Flughöhe von ca. 5 bis 10 m erreichen. Er könne sich nicht erklären, warum er am
Ende der Startbahn nur eine Flughöhe von ca. 2 m erreicht habe. Diese Angaben hält der Senat für glaubhaft, da
nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte durch ein riskantes Flugmanöver sich und seinen Fahrgast unnötig gefährden
wollte. Sie sind auch deshalb plausibel, weil der Beklagte das eng an der Startbahn geparkte Flugzeug des Zeugen
S... passieren und schon aufgrund der Spannweite seines eigenen Motorseglers zu diesem Zweck eine gewisse
Höhe gewinnen musste (vgl. Bild 3, Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2007, Bl. 182
d.A.). Die anvisierte Höhe hätte für einen gefahrlosen Überflug ausgereicht. Warum der Beklagte schließlich im
Bereich der Klägerin nur eine Höhe von ca. 2 m erreicht hatte und ob dies möglicherweise auf einen Flugfehler
zurückzuführen war, wird sich nicht mehr aufklären lassen. Insoweit hat das Landgericht zu Recht auf die Vielzahl
von Faktoren hingewiesen, die die Länge der Startrollstrecke und den Beginn des Aufsteigens beeinflussen. Dass
der Motorsegler am Ende der Startbahn nicht höher aufgestiegen war, kann aufgrund der leichten Bauweise, der
vollen Beladung, der Windverhältnisse, der Umgebung (Gebäude, Windrad, Bäume), Temperatur und Luftdruck sowie
Unebenheiten der Startbahn verschiedene und sich wechselseitig beeinflussende Ursachen haben. Aus diesem
Grund handelt es sich auch nicht um einen typischen Geschehensablauf, der einen für den Beklagten nachteiligen
Rückschluss im Sinne eines Anscheinsbeweises erlauben würde. Ob ein Anscheinsbeweis eingreift, richtet sich
überwiegender Ansicht zufolge nach deutschem Recht (Nachweise zum Meinungsstand bei Zöller/Geimer aaO., §
363 Rz. 160). Schließlich wird auch ein Sachverständigengutachten wegen der Vielzahl der einzubeziehenden
Faktoren keinen Aufschluss mehr über die genaue Ursache geben können.
Der Senat sieht keinen Grund für die Zulassung der Revision. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO,
die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
… … …