Urteil des OLG Oldenburg vom 02.09.2003

OLG Oldenburg: neues tatsächliches vorbringen, unnötige kosten, unfall, verschulden, sorgfalt, rücknahme, beweiswürdigung, weisung, reiten, ferien

Gericht:
OLG Oldenburg, 15. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 15 U 47/03
Datum:
02.09.2003
Sachgebiet:
Normen:
BGB 833 Satz 1, BGB 833 Satz 2
Leitsatz:
Kein Verschulden des Betreibers eines Ponyhofs, wenn ein reiterfahrenes 12jähriges Mädchen in
einer Reitgruppe von Kindern auf einem gutmütigen Pferd reitet und dabei aus ungeklärter Ursache
stürzt und sich verletzt.
Es wird auf den Hinweis im Volltext hingewiesen.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
15 U 47/03
5 O 3449/02 Landgericht Osnabrück
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit
..., geb. am 23.08.1989, ..., ..., gesetzlich vertreten durch die Eltern ... und ... ..., ..., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...,
gegen
Firma Reiterhof ... GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer ... ..., ... ..., Ortsteil ..., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte der 2. Instanz:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 2.September 2003
nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig beschlossen:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8.5.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 20.907,62 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Zurückweisung beruht auf den mit Hinweis des Vorsitzenden vom 12.8.2003 mitgeteilten Gründen (§ 522 Abs. 2
Satz 3 ZPO).
Die Stellungnahme der Klägerin vom 28.8.2003 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Es verbleibt dabei, dass die Beklagte den Entlastungsbeweis gem. § 833 Satz 2 BGB geführt hat. Angesichts der
Ausführungen in dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten W... und des Ergebnisses der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme hat das Landgericht zu Recht ein Verschulden der Beklagten bei der Auswahl des Pferdes „...“ für
die Klägerin verneint.
Es verbleibt auch dabei, dass die Beklagte bei der Beaufsichtigung des Reitvorgangs die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt beobachtet hat.
Dass die Klägerin – wie die anderen Kinder auch auf dem abgegrenzten Reitplatz ohne Sattel geritten ist, wobei sie
sich frei und nicht nur in einer „geordneten Abteilung“ bewegen durfte , stellt unter den hier gegebenen Umständen
keine Sorgfaltspflichtverletzung dar. Auf die Ausführungen im Hinweis des Vorsitzenden wird verwiesen.
Der Berufung ist deshalb der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung entspricht § 97 Abs. 1 ZPO. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 522 Abs. 3 ZPO ; das
Urteil des Landgerichts erwächst damit in Rechtskraft. Eines Ausspruches über die Vollstreckbarkeit bedarf es nicht
(vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rn. 40).
... ... ...
15 U 47/03
Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO
I.
Die Berufung wird durch einstimmigen, nicht anfechtbaren Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO
zurückzuweisen sein. Um unnötige Kosten zu vermei-den, dürfte sich für die Klägerin die Rücknahme des
Rechtsmittels empfehlen. Falls der Senat andernfalls durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entschei-den muss,
belaufen sich die von der Klägerin zu tragenden Gerichtsgebühren auf das Neunfache der bei einer Zurücknahme der
Berufung entstehenden (Kostenverzeichnis zum GKG Nr. 1220 und 1226 bzw. Nr. 1221).
Die Klägerin kann zu diesem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum 29. August 2003 Stellung nehmen.
Danach wird der Senat entscheiden.
II.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fort-bildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Berufung hat auch keine Aus-
sicht auf Erfolg.
Für die Berufungsinstanz sind die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils bindend, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO,
soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den Urteilsfeststellungen bestehen. Solche sind hier aber nicht
er-sichtlich. Insbesondere ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass der ge-naue Unfallhergang letztlich nicht
festgestellt werden konnte. Die dahingehen-de Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht rechtsfehlerhaft. Soweit
die Berufungsbegründung eine von den Urteilsfeststellungen abweichende Sach-verhaltsdarstellung enthält, konnte
diese nicht berücksichtigt werden; dasselbe gilt gemäß § 531 Abs. 2 ZPO für in der Berufungsbegründung
enthaltenes neues tatsächliches Vorbringen und neue Beweisantritte.
Dies vorausgeschickt beruht die vom Landgericht ausgesprochenen Klageab-weisung nicht auf Rechtsfehlern. Ob,
wie das Landgericht meint, nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Unfall auf einer typischen Tiergefahr
beruht, für die allein § 833 Satz 1 BGB Schadensersatzansprüche gewährt, kann dahin stehen. Denn dem
Landgericht ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass der Beklagte im Sinne von § 833 Satz 2 BGB entlastet ist.
Zum einen liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon in der Aus-wahl des Pferdes „Lancer“ ein
Verschulden des Beklagten. Zwar mag - wie die Berufung ausführt - auch ein Pferd gutmütiger Wesensart wie
„Lancer“ in Ausnahmesituationen ein gefährliches Verhalten an den Tag legen. Daraus kann die Klage aber nicht mit
Erfolg herleiten, der Beklagte habe sich hinsicht-lich der Auswahl des Pferdes nicht entlastet. Denn abgesehen
davon, dass im Zusammenhang mit dem Unfall für eine solche Ausnahmesituation nichts er-sichtlich ist, dürften
dann überhaupt keine Pferde auf einem Ponyhof gehalten werden.
Zum anderen kann dem Beklagten entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht vorgeworfen werden, er habe bei
der Beaufsichtigung des Reitvorgangs nicht die erforderliche Sorgfalt beobachtet. Dass der Beklagte die damals
12jährige Klägerin, die bereits über Reiterfahrung verfügte und auch auf dem Ponyhof des Beklagten mehrere Pferde
- auch im Galopp - geritten hatte, auf einem als brav und gutmütig bekannten Pony im Rahmen einer Kinderreit-
gruppe in der geschehenen Weise alleine reiten ließ, ist nicht zu beanstanden. Gerade das ist typisch für die von der
Klägerin gewünschten Reiterferien. Un-ter diesen Umständen wäre es entgegen der Ansicht der Berufung auch einer
versierten Aufsichtskraft nicht möglich gewesen, jeglichen Sturz eines Kindes von einem Pferd zu verhindern, u.a.
deshalb, weil eine Aufsichtsperson sich nicht in unmittelbarer Nähe eines jeden Pferdes einer Reitergruppe aufhalten
kann, und weil ein Sturz von einem Pferd vielfältige Gründe haben kann und in Sekundenschnelle geschieht. Das
Landgericht war angesichts dessen auch nicht gehalten, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Demzufolge sind auch die Voraussetzungen einer Haftung wegen schuldhafter Rechtsgutverletzung nach § 823 Abs.
1 BGB nicht gegeben. Da weitere An-spruchsgrundlagen nicht bestehen, hat das Landgericht die Klage zu Recht
abgewiesen.
So bedauerlich der Unfall mit seinen sehr schweren Folgen auch ist, so stellt er sich letztlich doch als ein Unglück
dar, wie es im Leben immer geschehen kann und für dass die Klägerin niemand anderen haftbar machen kann. Reit-
unfälle sind - wie allgemein bekannt ist - nicht selten. Immer wieder fallen Kin-der von Pferden und ziehen sich
Knochenbrüche oder andere Verletzungen zu. Der 13jährigen Tochter des Vorsitzenden ist es nicht anders ergangen.
Bei Teilnahme an Reiterferien auf einem Ponyhof, mit ihrem ausgedehnten engen Zusammenleben der Kinder mit
den Pferden und vielen Ritten erhöht sich die nie auszuschließende Reitergefahr naturgemäß beträchtlich. Trotz
dieses Ri-sikos sind solche Ferien pädagogisch wertvoll und eine Freude für die Kinder. Im vorliegenden Fall ist es
zu einem Sturz vom Pferd gekommen, wie er im Rahmen von Reiterferien immer wieder einmal geschieht, leider hier
mit be-sonders schweren Folgen für das Kind. Eine Haftung des Beklagten als Betreibers des Ponyhofs käme aber
nur in Betracht, wenn nicht ausgeschlos-sen werden könnte, dass diesem ein konkretes schuldhaftes Fehlverhalten
zur Last fällt. Davon ist indessen hier nicht der Fall.
Oldenburg, 12. August 2003
Oberlandesgericht Oldenburg
15. Zivilsenat
Der Vorsitzende