Urteil des OLG Oldenburg vom 11.11.1997

OLG Oldenburg: erblasser, pflichtteil, ergänzung, ausführung, abweisung, erbe, zuwendung, anerkennung, schwiegervater, verfügung

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 56/97
Datum:
11.11.1997
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 2327, BGB § 2325, BGB § 2316
Leitsatz:
Soweit sich anzurechnende Vorausempfänge bei der Pflichtteilsberechnung nicht ausgewirkt haben,
sind sie noch bei der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen.
Volltext:
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem am 30.1.1995 verstorbenen ...,
Schwiegervater bzw. Großvater der Kläger und Vater der Beklagten, die ihn aufgrund testamentarischer Verfügung
allein beerbt hat. Der Erblasser hatte fünf Kinder. Die - gesetzliche - Erbquote der Kläger beträgt daher 1/5.
Das Landgericht hat nach einem tatsächlichen Nachlaßwert von 1.868.423,- DM und gem. § 2316 BGB
anzurechnenden Vorausempfänger aller Abkömmlinge von 672.505,03 DM (fiktiver Nachlaßwert: 2.540.928,03 DM)
den 1/5-Erbteil mit 508.185,61 DM errechnet, davon den Vorausempfang des Rechtsvorgängers der Kläger von
294.746,35 DM in Abzug gebracht und danach den Pflichtteil mit der Hälfte des Restwertes in Höhe von 106.719,03
DM angesetzt. Nach weiterem Abzug eines bereits ausgekehrten Vorausvermächtnisses in Höhe von 103.380,66
DM hat es den Klägern eine Restpflichtteilszahlung von 3.338,97 DM zugesprochen. Des weiteren hat es ihnen
einen Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen eines der Beklagten vom Erblasser geschenkten Grundstückes in Höhe
von 1/10 nach einem Wert von 307.453,- DM mithin 30.745,30 DM zuerkannt.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte die Anerkennung von weiteren Nachlaßabzügen bzw.
Nachlaßverbindlichkeiten (1.100,- DM Vermögenssteuer, 450,- DM für Gartenarbeiten, 3.840,07 DM für Malerarbeiten
und 30,- DM für eine Gewerbeabmeldung) und die Abweisung der Pflichtteilsergänzungsansprüche insgesamt. Bei
letzterem habe das Landgericht übersehen, daß gem. § 2327 BGB noch die Hälfte der schenkweise vom Erblasser
überlassenen Vorausempfänge in Anrechnung zu bringen sei, da sich diese bei der Pflichtteilsberechnung auch nur
zur Hälfte ausgewirkt hätten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in ganz wesentlichem Umfang Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht allerdings in seinem ausführlich begründeten Urteil die Positionen Garten- und
Malerarbeiten sowie Gewerbeabmeldung von den Nachlaßverbindlichkeiten ausgenommen. Insoweit kann zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe
(LGU 6 letzter Absatz bis LGU 7 zweiter Absatz) verwiesen werden. Der Erblasser hatte die Arbeiten noch in Auftrag
gegeben und der Beklagten ist als seine Rechtsnachfolgerin der mit der Ausführung verbundene Gegenwert zur
Werklohnforderung zugeflossen. Die Frage nach einer Werterhaltung des Grundstücks stellt sich insoweit nicht. Die
Gewerbeabmeldungskosten sind keine Nachlaßverbindlichkeiten, sondern es sind Kosten, die die Beklagte selbst
aufzubringen hat, wenn sie den
Zustand des Nachlasses entsprechend verändern will.
Durch die Vorlage des Kontoauszuges vom 31.1.1995 - Konto Nr. 072-405 103 LzO - hat die Beklagte dagegen
nachgewiesen - was erstinstanzlich noch bestritten worden ist (Schrifsatz vom 22.1.97 (GA 76) - , daß die
Vermögensteuer in Höhe von 1.100,- DM bereits mit Wertstellung vom
29.1.1995 vom Erblasser bezahlt worden war, so daß sich der tatsächliche Nachlaßwert auf 1.867.323,- DM
vermindert, denn in dem vom Landgericht als unstreitig zugrundegelegten Barvermögen i.H.v. 620.725,- DM ist noch
ein Kontostand von 2.322,06 DM eingeflossen, wie die Klageschrift 3.4. (GA 4) belegt, die Wertstellung vom
29.1.1995 i.H.v. 1.100,- DM mithin noch nicht berücksichtigt, woraus sich ein Restpflichtteil von 3.228,99 DM
errechnet.
Zu Recht rügt die Berufung im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsberechnung das Übersehen der in § 2327 BGB
gesetzlich festgelegten Anrechnung von sogenannten Eigengeschenken an den anspruchstellenden
Pflichtteilsberechtigten. Der Ehemann bzw. Vater der Kläger hat anrechnungspflichtige Vorausempfänge in Höhe von
unstreitig 294.746,35 DM erhalten. Diese Vorausempfänge haben zur Hälfte - wie die Pflichtteilsberechnung belegt -
den gesetzlichen Pflichtteil in Höhe von 253.982,80 DM (1/10 des fiktiven Nachlaßwertes) um 147.373,17 DM auf
106.609,63 DM herabgesetzt. Die verbliebene Hälfte muß bei der Pflichtteilsergänzungsberechnung als
Eigengeschenk in Ansatz gebracht werden, so daß von der errechneten Pflichtteilsergänzung nichts verbleibt (vgl.
dazu insgesamt die ausführlichen Erläuterungen bei Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB, 12. Aufl., § 2327 Rn. 12 und 13).
Die Berufungserwiderung läßt bei ihrer Kontrollrechnung unberücksichtigt,
daß die Zuwendung an die Beklagte nicht auf das Erbe angerechnet werden sollte, also lediglich bei der
Pflichtteilsergänzung zu beachten ist, und vergißt im übrigen bei der Berechnung der Ergänzung den ordentlichen
Pflichtteil von dem Betrag aus Pflichtteil und Ergänzung in Abzug zu bringen. Die noch "unverbrauchte" Hälfte des
Eigengeschenkes übersteigt den sich daraus ergebenden Betrag, so daß Ergänzungsansprüche insgesamt
ausscheiden.