Urteil des OLG Oldenburg vom 26.11.2001

OLG Oldenburg: vollmacht, stillschweigend, kaufpreis, befreiung, abtretung, vertragsverletzung, grundstück, unentgeltlich, schwiegertochter, abgabe

Gericht:
OLG Oldenburg, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 91/01
Datum:
26.11.2001
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 662, BNotO § 19
Leitsatz:
Zur Frage der Haftung einer Notariatsangestellten, die als Auflassungsbevollmächtigte einer
Vertragspartei auftritt, obwohl die Voraussetzungen, auf Grund der die Auflassung erklärt werden darf,
noch nicht vorliegen.
Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26.11.2001 - 13 U 91/01 -.
Volltext:
U R T E I L
IM NAMEN DES VOLKES!
In dem Rechtsstreit
1. E...,
2. L...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ... –
g e g e n
B...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...–
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2001
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...
und der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Kläger gegen das am 15. Juni 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.500, DM
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 50.000, DM festgesetzt.
Die Revision wird gemäß § 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Am 30.09.1999 schlossen die Kläger vor dem Notar V... einen notariellen Grundstückskaufvertrag mit ihrer
Schwiegertochter, Frau R.... Diese hatte für das Grundstück den Klägern einen Kaufpreis von 50.000, DM zu zahlen.
Der Kaufpreis sollte auf ein Konto der Kläger eingezahlt werden. Die Auflassung sollte nach § 5 des notariellen
Vertrages nach Vorliegen der Abschreibungsunterlagen des Katasteramtes und nach Zahlung des Kaufpreises
erfolgen. Der Beklagten, Bürovorsteherin der Kanzlei V... und Partner, und ihrer Kollegin W... wurden von beiden
Vertragsparteien unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Auflassungsvollmacht erteilt. Die
Bevollmächtigten sollten weiter ermächtigt sein, alle zur Durchführung des Vertrages etwa noch notwendig
werdenden Erklärungen für die Beteiligten allen Behörden gegenüber abzugeben.
Am 01.12.1999 erklärte die Beklagte vor dem Notar V... die Auflassung (URNr. .../...). Zu diesem Zeitpunkt war der
Kaufpreis noch nicht bezahlt. Am 23.12.1999 bewilligte die Käuferin zugunsten der ... die Eintragung zweier
Grundschulden über 50.000, DM und 25.000, DM. Die Eintragung des Eigentumsübergangs und der Grundschulden
erfolgte am 11.01.2000.
Die Kläger haben zunächst im Verfahren 3 0 486/00 LG Aurich den Notar V... auf Schadensersatz in Anspruch
genommen. Ihre Klage wurde rechtskräftig abgewiesen, weil nicht festgestellt werden konnte, dass keine
anderweitige Ersatzmöglichkeit vorhanden war.
Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil Bezug genommen.
Die Kläger begehren nun in diesem Verfahren Schadensersatz von der Beklagten. Sie haben dazu vorgetragen, von
ihrer ehemaligen Schwiegertochter, die sich von ihrem Sohn inzwischen getrennt habe, sei keine Zahlung zu
erwarten, sie sei hochverschuldet. Auf Antrag der ... sei zwischenzeitlich die Zwangsversteigerung des Grundstücks
angeordnet worden. Die Kläger haben gemeint, die Beklagte hätte überprüfen müssen, ob die Kaufpreiszahlung
erfolgt sei. Sie habe als Auflassungs und Vollzugsbemächtigte auch den Antrag zur Umschreibung nicht stellen
dürfen.
Das Landgericht Aurich hat mit dem am 15.06.2001 verkündeten Urteil die auf Zahlung von 50.000, DM Zug um Zug
gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen die Käuferin gerichtete Klage abgewiesen, da die Beklagte
nicht die Pflicht getroffen habe, die Voraussetzungen der Auflassung zu überprüfen. Das sei Angelegenheit des
Notars gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung beantragen die Kläger, die dem Notar Väterlein den Streit verkündet haben,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 50.000, DM
nebst 5 % Zinsen seit dem 25.03.2000 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger aus dem notariellen
Kaufvertrag vom 30.09.1999 gegen Frau E... geb. R..., zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger tragen vor, es habe bürointern zu den Aufgaben der Beklagten gehört, den Eingang des Geldes zu
überwachen, so dass es ihr auch möglich gewesen sei, die Weisung des Klägers, wann die Auflassung erfolgen
sollte, zu beachten. Die Kläger hätten auch das Grundstück von der ... nicht zurückerwerben und die Grundschulden
nicht ablösen können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Kläger können die Beklagte nicht wegen einer schuldhaften Verletzung
des der Vollmacht zugrundeliegenden Auftragsverhältnisses auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestanden und
die Beklagte aufgrund dieses Verhältnisses von der Vollmacht Gebrauch gemacht hat. Er geht ferner angesichts des
Wortlauts des § 5 des Kaufvertrages davon aus, dass die Beklagte erst nach Zahlung des Kaufpreises von der
Vollmacht Gebrauch machen durfte, so dass sie gegen die Pflichten aus dem Auftragsverhältnis verstoßen hat und
danach grundsätzlich eine Haftung aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommt.
Dennoch können die Kläger die Beklagte nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, da, wie in der mündlichen
Verhandlung erörtert, von einem stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss auszugehen ist. Dieser
stillschweigend vereinbarte Haftungsausschluss folgt für den Senat aus folgenden Umständen:
Den Klägern war es gleich, wer für sie handelte; das ergibt sich aus der Tatsache, dass sie nicht nur der Beklagten,
sondern auch der Fachangestellten W... unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eine
Auflassungsvollmacht erteilt haben. Für sie war nur entscheidend, dass im Rahmen der weiteren notariellen
Abwicklung jemand für sie unter Federführung des Notars auftrat. Ein besonderes Vertrauensverhältnis in Bezug auf
die Beklagte haben sie nicht in Anspruch genommen. Wenn die Vollmachterklärung, so wie es der Vertreter der
Kläger im Termin angedeutet hat, ausschließlich im Interesse des beurkundenden Notars erfolgt wäre, weil dieser ein
Interesse an der zügigen Abwicklung gehabt hatte, dann läge es bereits nahe, ein Auftragsverhältnis insgesamt zu
den Klägern zu verneinen.
Die Kläger gingen bei Vollmachterteilung erkennbar davon aus, dass die Ausübung der Vollmacht unentgeltlich und
ohne Vergütung für irgendwelche Auslagen erfolgte. Die Beteiligten des Auftragsverhältnisses gingen ferner davon
aus, dass die Kläger, wenn sie denn im Rahmen der notariellen Vertragsabwicklung einen Schaden erlitten, der von
einem Dritten nicht ersetzt werden konnte, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Notar gemäß § 19 Abs. 1
BNotO hatten, wenn dieser nur in irgendeiner Form schuldhaft handelte. Für eine danebenstehende Haftung der
Beklagten im Rahmen der normalen Abwicklung des Kaufvertrages bestand danach keine Veranlassung.
Wenn jedoch davon auszugehen wäre, dass ein stillschweigend vereinbarter Haftungsausschluss daran scheitert,
dass die Beklagten nicht an einen möglichen Schaden durch das Handeln der Beklagten gedacht haben, führt die
ergänzende Vertragsauslegung des Auftrags zu dem gleichen Ergebnis.
Die Beauftragung der Beklagten ging nach dem notariellen Vertrag von den Klägern aus; die Beklagte sollte
unentgeltlich handeln und Gedanken über eine mögliche Haftung der Beklagten haben sich die Parteien nicht
gemacht. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte mit der Annahme des Auftrags durch
Ausübung der Vollmacht, damit einverstanden war, für fahrlässiges Handeln die Haftung zu übernehmen, solange
eine Haftung des Notars gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO in Betracht kam. Danach kann die Annahme des weiter
bestehenden Auftragsangebots nicht als Einverständniserklärung mit der Übernahme einer derartigen Haftung
verstanden werden, so dass eine Regelungslücke vorhanden ist. Angesichts der bereits dargestellten Interessenlage
und der vollen Absicherung der Kläger durch einen Anspruch gegen den Notar, ist im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung entweder von einem völligen Entfallen der Haftung im Rahmen der Haftung des Notars
auszugehen oder der Beklagten muß der bei auftragloser Geschäftsführung geltende Schutz des § 680 BGB zugute
kommen. In beiden Fällen ist eine Haftung nicht gegeben.
Schließlich kommt, wenn den vorherigen Ausführungen nicht gefolgt werden sollte, eine Haftung der Beklagten nicht
in Betracht, weil es an dem notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen der fahrlässigen Handlung der
Beklagten und dem eingetretenen Schaden fehlt. Zwar stellt der Schaden der Kläger eine adäquate Folge der
Pflichtverletzung der Beklagten dar, weil ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im allgemeinen
und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge
außer Betracht zu lassenden Umstände zur Herbeiführung des Erfolges geeignet war (vgl. BGH NJW 1990, 2282,
2283). Es liegt nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit, dass ein Notar nach Beurkundung der Auflassung die
Auflassungserklärung dem Grundbuchamt ohne weitere Prüfung, ob die Vollmacht zur Auflassung ausreichend war,
einreicht, so dass eine Umschreibung erfolgen kann.
Der eingetretene Schaden liegt aber außerhalb des Schutzbereichs der Haftungsnorm der positiven
Vertragsverletzung des Auftrags.
Angesichts der bestehenden Haftung des Notars für Beurkundungen von Auflassungen in Fällen, in denen die
Voraussetzung der Abgabe der Auflassungserklärung für den Bevollmächtigten nicht vorliegen, bedarf es nicht eines
besonderen Schadensersatzanspruchs des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer, zumal anderenfalls die
subsidiäre Haftung des Notars gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO dauernd unterlaufen würde, weil der Notar aufgrund
arbeitsrechtlicher Verpflichtung seine Arbeitnehmerin im Falle des fahrlässigen Verstoßes von der Haftung freistellen
müßte, während er sich selbst, würde er denn in Anspruch genommen werden, gegenüber dem Geschädigten auf die
Subsidiarität seiner Haftung berufen könnte. Deshalb reicht in derartigen Fällen die Haftung des Notars aus, wenn
denn nicht Ersatzansprüche gegenüber weiteren Personen bestehen.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Haftung des Personals soweit diese als
Auflassungs oder Vollzugsbevollmächtigte der Notariatsparteien handeln (vgl. Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2.
Aufl., Rdz. 156 f) die Revision zugelassen. Die vom Oberlandesgericht Celle (DNotZ 1973, 503, 504) getroffene
Entscheidung greift im vorliegenden Fall nicht ein.
Die Nebenentscheidungen im übrigen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 ZPO.
... ... ...