Urteil des OLG Oldenburg vom 26.01.1993

OLG Oldenburg: auskunftserteilung, verjährung, hausrat, eigenschaft, vermächtnisnehmer, erblasser, ausschlagung, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 126/92
Datum:
26.01.1993
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 242, BGB § 260 ABS 1
Leitsatz:
Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten trotz ausgesetzter Vermächtnisse - Vorlage eines
notariellen Nachlassverzeichnisses trotz vorhandenem Privatverzeichnis
Volltext:
Den Klägern steht gemäß §§ 2314 Abs. 1 S. 1 und 3, 260 Abs. 1 BGB
ein qualifizierter Anspruch auf Auskunft über den Nachlaßbestand
durch ein von einem Notar aufgenommenes Verzeichnis zu. Dieser An-
spruch ist noch nicht erfüllt und seine Geltendmachung und Durch-
setzung ist auch nicht rechtsmißbräuchlich. Dem im Klageantrag zu
2. selbständig erhobenen Auskunftsverlangen hat - soweit die Anga-
ben nicht von dem vorgenannten qualifizierten Auskunftsanspruch
erfaßt werden - die Beklagte entsprochen durch die Angaben im vor-
prozessualen und prozessualen Schriftswechsel ihrer Verfahrensbe-
vollmächtigten zu den auf die Grundschuld erfolgten Zahlungen und
die Vorlage des Verkehrswertgutachtens, das sich auch mit den
Hausinvestitionen befaßt.
I.
Die in der Berufungsinstanz weiter verfolgte Erörterung, ob und
inwieweit der Erblasser die ihm ausgesetzten Vermächtnisse ange-
nommen hat und deshalb eine Ausschlagung nicht mehr möglich war,
ist für den im Streit befindlichen Auskunfts- und Wertermittlungs-
anspruch unerheblich. Der Pflichtteilsanspruch bleibt dem Grunde
nach bestehen (arg.e. § 2318 BGB) und damit auch der darauf ge-
richtete Auskunftsanspruch und zwar unabhängig davon, ob der
Nichterbe Vermächtnisnehmer ist und das Vermächtnis angenommen
oder ausschlagen hat sowie selbst dann, wenn das Vermächtnis den
Pflichtteilswert deckt (vgl. BGHZ 28, 177, 180; Palandt/Edenhofer,
BGB, 53. Aufl., § 2314 Rn. 2). Nur so kann dem pflichtteilsberech-
tigten Nichterben häufig erst die Möglichkeit gesichert werden,
Bestand und Höhe eines Pflichtteilsanspruchs, § 2303 BGB, Pflicht-
teilsrestanspruchs, § 2307 BGB, oder Pflichtteilsergänzungsan-
spruchs, § 2325 BGB, zu berurteilen (vgl. BGH NJW 1981, 2051 f).
Durch die Vorlage des von ihrem Prozeßbevollmächtigten erstellten
Nachlaßverzeichnisses hat die Beklagte den Anspruch auf Vorlage
eines notariellen Nachlaßverzeichnisses nicht erfüllt. Dieser han-
delte dabei nicht in seiner Eigenschaft als Notar, sondern als Be-
vollmächtigter der Beklagten zur Regelung ihrer Erbschaftsangele-
genheiten.
Die in § 2314 Abs. 1 BGB aufgenommenen Auskunftsansprüche ver-
schiedener Stärkegrade können unabhängig von einander geltend ge-
macht werden. Nach zutreffender allgemeiner Ansicht kann der
Pflichtteilsberechtigte jedenfalls bis zur Verjährung seiner
Pflichtteilsansprüche wegen der größeren Richtigkeitsgarantien
verlangen, daß das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird.
Eine bereits erfolgte Auskunft in einem Privatverzeichnis schließt
diesen Anspruch nicht aus (BGH NJW 1961, 602 f; OLG Köln NJW RR
1992, 8; Palandt/Edenhofer a. a. O. Rn. 6; MünchKomm-Frank, BGB,
2. Aufl., § 2314 Rn. 14; Soergel/Diekmann, BGB, 12. Aufl., § 2314
Rn. 19).
Ohne Erfolg erhebt die Berufung unter Hinweis auf die Entscheidung
des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16.12.1988
- 6 U 195/88 - den Einwand des Rechtsmißbrauchs. In der seinerzeit
zu berurteilenden Fallgestaltung hatte der Senat eine lückenlose
privatschriftliche Auskunftserteilung festgestellt, die der aus-
kunftsbegehrenden Partei einen vollständigen Überblick über den
Nachlaßbestand verschafft hatte und daraus abgeleitet, daß das
Verlangen nach Neuerstellung unter Hinzuziehung des Auskunftsbe-
rechtigten rechtsmißbräuchlich sei. Hier haben dagegen die Kläger
substantiiert Unklarheiten wie im Bereich "Pkw, Hausrat, Wertge-
genstände" vorgetragen, die das Streben nach einem mit größeren
Richtigkeitsgarantien ausgestatteten Verzeichnis jedenfalls nach-
vollziehbar macht. Hinzu kommt, daß ein Verzeichnis den gesamten
Nachlaß insgesamt wiederzugeben hat, also alles, worauf sich der
Auskunftsumfang richtet, mithin die realen Nachlaßaktiva, die
Nachlaßverbindlichkeiten und den sogenannten fiktiven Nachlaßbe-
stand mit den ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers und
seinen Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre. Daher ist es
auch unschädlich, daß die Kläger einzelne Auskunftspositionen als
inhaltlich erfüllt bezeichnet haben. Das qualifizierte Auskunfts-
begehren bezieht sich auf alle Positionen und ist insoweit insge-
samt noch nicht erfüllt. Hinzu kommt, daß die Kläger bereits vor-
prozessual verlangt haben, zu der Verzeichniserstellung hinzugezo-
gen zu werden, und damit zu erkennen gegeben haben, daß ihnen an
einer über die einfache privatschriftliche Auskunftserteilung hin-
ausgehenden überprüfenden Richtigkeitskontrolle gelegen ist, wor-
auf sie nach der gesetzlichen Regelung auch einen Anspruch haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die höhere Gewähr auf
Richtigkeit bei einem notariellen Verzeichnis auch gegeben, soweit
der Inhalt des Verzeichnisses auf Angaben der Partei gegenüber ei-
nem auf Wahrheit und Vollständigkeit hinweisenden Notar beruht.
Das jetzige auf ein notariell errichtetes Verzeichnis gerichtete
Begehren kann vor diesem Hintergrund nicht als rechtsmißbräuchlich
bewertet werden. Es ist gerade nicht in das Belieben des Aus-
kunftsschuldners gestellt, wie er das Auskunftsbegehren zu befrie-
digen gedenkt. Sonstige Anhaltspunkte, die dem Rechtsmißbrauchs-
einwand stützen könnten, sind nicht ersichtlich.