Urteil des OLG Oldenburg vom 28.06.2001

OLG Oldenburg: fristlose kündigung, firma, wichtiger grund, beendigung des dienstverhältnisses, vernehmung von zeugen, lebensversicherung, aufsichtsrat, generalversammlung, gehalt, zusammenarbeit

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 1 U 132/00
Datum:
28.06.2001
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 626, GenG § 34
Leitsatz:
1. Das Dienstverhältnis eines geschäftsführenden Vorstandsmitglieds einer Genossenschaft kann
gemäß § 626 I BGB fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem
Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsgfrist nicht zugemutet werden kann.
2. Dabei unterliegt das geschäftsführende Vorstandsmitglied strengen Sorgfaltspflichten; das
Dienstverhältnis muß von besonderem Vertrauen des Dienstherrn geprägt sein, so dass sich
verhältnismäßig kleine Verfehlungen im Rahmen der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu ihren
Lasten auswirken.
3. Das Vertrauen leidet erheblich, wenn in einer offensichtlichen finanziellen Krise der
Genossenschaft wichtige Informationen über die Zusammenarbeit mit den Hausbanken nicht an die
übrigen Vorstandsmitglieder weitergegeben werden.
Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28.08.2001 - 1 U 132/00 - nicht rechtskräftig
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
Geschäftsnummer: 1 U 132/00
4 O 497/00 Landgericht Osnabrück
Verkündet am 28. Juni 2001
xxx, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
Exx Hxx xxx, xxx
Beklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt xxx -
gegen
Rxxx Jxxx, xxx
Kläger und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt xxx
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2001 durch die
Richter xxx, xxx und xxx
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
vom 16. November 2000 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
1. an den Kläger 29.198,18 DM nebst 4 % Zinsen auf 7.999,50 DM seit dem 01. Februar 2000, nebst 5 % Zinsen auf
7.999,50 DM über dem Basissatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 seit dem 01.
Mai 2000 und nebst 4 % Zinsen auf 21.198,68 DM seit dem 20. Juli 2000 zu zahlen;
2. die bei der R... zu Gunsten des Klägers abgeschlossene Lebensversicherung, Versicherungsschein-Nr. 6xxx
unverzüglich bei der R... abzumelden;
3. dem Kläger die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers bezüglich der bei der R... abgeschlossenen
Lebensversicherung zur Versicherungsschein-Nr. 6xxx zu überlassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 48.000,00
DM abwenden und der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 17.000 DM abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vorher Sicherheit leistet.
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt bis zu 178.000,00 DM; der Wert der Beschwer übersteigt für beide
Parteien 60.000,00 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung; der Kläger macht restliche Gehaltsansprüche
für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2000 sowie Rechte aus einer für ihn von der Beklagten
abgeschlossenen Lebensversicherung geltend.
Die Beklagte ist eine Genossenschaft, die für ihre Mitglieder Vieh vermarktet. Der Kläger war seit 1981 als
Angestellter bei ihr tätig. Im Herbst 1989 stieg er zum Geschäftsführer auf und war seit November 1991 darüber
hinaus geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Sein Gehalt betrug zuletzt 15.999,00 DM brutto monatlich und er
durfte unentgeltlich privat einen Pkw Mercedes sowie ein Handy nutzen. Mit Wirkung zum 01. Dezember 1999 hatte
die Beklagte bei der Rxxx für den Kläger zu seiner Alterssicherung eine Lebensversicherung mit einer
Versicherungssumme in Höhe von 290.238,00 DM abgeschlossen. Die monatliche Prämie beträgt 792,00 DM,
wovon der Kläger 508,00 DM zahlte. Am 01. Dezember 2000 betrug der Rückkaufswert 42.194,00 DM. Wegen der
Einzelheiten des Vertragsinhalts wird auf den Versicherungsschein vom 27. Juli 1994 Bezug genommen (Bd. I, Bl.
143-149).
Bis einschließlich 1998 erwirtschaftete die Beklagte Gewinne und die Arbeitsleistung des Klägers war nicht zu
beanstanden. 1999 geriet die Beklagte in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Geschäftsbeziehungen
insbesondere zu den Betrieben Pxxx in Sxxx, Mxxx in Axxx, Wxxx in Kxxx, A1xxx in Nxxx und Axxx in Wxxx
entwickelten sich negativ. Bereits am 09. Juli 1998 hatte die Firma Pxxx zur Sicherung aller Ansprüche der
Beklagten ihr alle gegenwertigen und künftigen Kaufpreisforderungen sowie Forderungen, die sie aus
Warenlieferungen und Leistungen hat und die aus Lieferungen der Beklagten stammen, an die Beklagte abgetreten. §
6 Abs. 2 des Abtretungsvertrages lautet wie folgt:
"Der Vertrag wurde aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zu Herrn Rxxx Jxxx geschlossen. Er verliert
seine Gültigkeit in dem Tage, an dem die Geschäftsführung der Firma Exxx nicht mehr in Händen von Herrn Rxxx
Jxxx liegt."
Die steigenden Außenstände waren Gegenstand von Erörterungen in diversen Vorstands- und
Aufsichtsratssitzungen. Anfang Oktober 1999 beauftragte die Beklagte den Unternehmensberater Pxxx den Betrieb
zu kontrollieren und die Außenstände zu untersuchen.
Am 02. Dezember 1999 fand eine gemeinsame Sitzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten statt,
in der ihre Forderungen gegenüber der Firma Pxxx mit 2,7 Millionen DM, gegenüber der Firma Axx per 30.
September 1999 mit 733.000,00 DM, gegenüber der Firma Wxxx mit ca. 2 Millionen DM und gegenüber der Firma
Mxxx per 22. November 1999 mit 2,3 Millionen DM festgestellt wurden. In der ordentlichen Generalversammlung der
Beklagten vom 17. Dezember 1999 erstattete der Kläger Bericht über die aktuelle Lage. Dort teilte Herr Bxxx vom
Rxxx-Gxxx Wxxx-E1xxx als Ergebnis der gesetzlichen Prüfung unter anderem mit, dass für 1999 mit einem
Jahresfehlbetrag zu rechnen sei. Kritik an der Arbeit des Klägers kam nicht auf. Auf der Vorstandssitzung vom 22.
Dezember 1999 stellte der Unternehmensberater Pxxx seinen Prüfbericht vor und erläuterte diesen insbesondere mit
Blick auf die Verbindlichkeiten der Betriebe Wxxx, Mxxx, Pxxx und Axxx. Hierbei wurde dem Kläger erstmals eine
Mitverantwortung an dieser Situation vorgeworfen. Auf die Frage, ob sich die Banken schon gemeldet hätten,
erwiderte der Kläger, er habe gestern mit Herrn Kxxx von der Oxxx gesprochen, von Seiten der Oxxx gebe es keine
Probleme. Wegen der Einzelheiten dieser Sitzung wird auf das Protokoll von diesem Tag (Bd. I, Bl. 22-24) Bezug
genommen.
Am 30. Dezember 1999 beschlossen Aufsichtsrat und Vorstand, den Kläger vorläufig seines Amtes als
geschäftsführendes Vorstandsmitglied zu entheben; gleichzeitig suspendierten sie ihn von seiner Tätigkeit für die
Beklagte. Am 12. Januar 2000 entschied die Generalversammlung der Beklagten, den Kläger seines Amtes als
geschäftsführendes Vorstandsmitglied zu entheben und das Dienstverhältnis fristlos zu kündigen. Dies wurde dem
Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 2000 mitgeteilt. Er war daher nicht mehr in der Lage seinen ihm noch
zustehenden Urlaub von 26,5 Tagen anzutreten. Am 03. Januar 2000 nahm der Kläger noch 4.000,00 DM als
Zahlung des Kunden S1xxx aus Exxx an die Beklagte entgegen, leitete den Betrag jedoch erst am 14. Februar 2000
weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe vor der Kündigung nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu den gegen ihn
erhobenen Vorwürfen zu äußern. Er habe die Beklagte nicht über die bestehenden Verbindlichkeiten getäuscht. Er
sei nicht der Meinung des Unternehmensberaters, dass die Firma Pxxx illiquide gewesen sei. Der Betrieb habe
vielmehr geplant, sein Kapital aufzustocken. Dessen Inventar mit einem Wert von 1,8 Mio DM habe veräußert und
dann zurückgeleast werden sollen, was einen Erlös von 500.000,00 DM für die Beklagte ergeben hätte. Darüber
hinaus sei durch Einstellung eines neuen Verkäufers mit einer Verdopplung des Umsatzes zu rechnen gewesen.
Nach seiner Entlassung seien die Verbindlichkeiten auch in beträchtlichem Umfang zurückgeführt worden. Wenn er
nicht entlassen worden wäre, hätte der Betrieb in Sxxxxxxxx wieder Gewinne gemacht. Die Formulierung der
Globalzession sei unbesehen aus einem Abtretungsvertrag zwischen der Firma A1xxx und der Beklagten vom 14.
Juni 1993 übernommen worden. Damit habe die Firma Pxxx sicherstellen wollen, dass die Abtretung nicht ohne
Rücksprache mit ihr und ohne sein Wissen aufgedeckt werden könne. Die Formulierung in § 6 Abs. 2, die leicht
hätte geändert werden können, sei dem Rxxx-Gxxx Wxxx-E1xxx bekannt gewesen. Schwierigkeiten mit den
Hausbanken Oxxx und Rxxx Lxxx habe es nicht gegeben. Beide hätten eine sofortige Rückführung der Kredite nicht
verlangt. Im Übrigen sei die Verhandlungen mit den Banken allein seine Sache und nicht die des Vorstands
gewesen.
Er hat die Ansicht vertreten, dass ihm bis zum unstreitigen Ende des Anstellungsverhältnisses am 30. Juni 2000
das volle Gehalt zustehe. Vorsorglich stütze er den Zahlungsanspruch auch auf die Abgeltung nicht angetretenen
Urlaubs.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 111.993,00 DM nebst 4 % Zinsen auf 15.999,00 DM seit dem
01.01.2000, nebst 4 & Zinsen auf 15.999,00 DM seit dem 01.02.2000, nebst 4 % Zinsen auf 15.999,00 DM seit dem
01.03.2000, nebst 4 % Zinsen auf 15.999,00 DM seit dem 01.04.2000, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 auf 15.999,00 DM seit dem 01.05.2000, nebst 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06. 1998 seit dem
01.06.2000 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach 3 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom
09.06.1998 auf 15.999,00 DM seit dem 01.07.2000 zu zahlen;
2. die Beklagte wird weiter verurteilt,
a) die bei der Rxxx zugunsten des Klägers abgeschlossene Lebensversicherung, Versicherungsschein-Nummer:
6xxx unverzüglich bei der Rxxx abzumelden, sobald der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten
ausscheidet,
b) dem Kläger die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers bezüglich der bei der Rxxx abgeschlossenen
Lebensversicherung zur Versicherungsschein-Nummer: 6xxx zu überlassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe sie an den Rand des Ruins getrieben. Eine gravierende Pflichtverletzung liege
schon darin, dass er es zugelassen habe, dass sich allein die Außenstände der Firmen Pxxx Fxxx, Wxxx, Mxxx
und Axxx im Jahre 1999 auf insgesamt 8,42 Millionen DM erhöht hätten. Angemessene Sicherheiten seien nicht
vorhanden gewesen. Erst durch den Bericht des Unternehmensberaters Pxxx auf der Generalversammlung am 22.
Dezember 1999 sei sie über das ganze Ausmaß der wirtschaftlichen Schwierigkeiten informiert worden. Gleichwohl
habe der Kläger noch zu diesem Zeitpunkt die Dinge positiv dargestellt. Ihm sei insbesondere vorzuwerfen, dass er
z. B. die Firma Pxxx ohne Vorkasse weiter beliefert habe, obwohl sich die Forderungen auf 2,9 Millionen DM erhöht
hätten. Darüber hinaus habe der Kläger zugegeben, dass die Bestände der Firma Pxxx geschönt worden seien, um
eine positivere Bilanz erstellen zu können.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das
Landgericht der Klage stattgegeben. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe das
Angestelltenverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam fristlos gekündigt. Soweit sie sich auf ein fehlerhaftes
Verhalten hinsichtlich der entstandenen Verbindlichkeiten der Firmen Axxx, Mxxx und Wxxx berufe, sei die
Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet, weil die Schulden dem Vorstand und dem Aufsichtsrat bereits auf
der Sitzung vom 02. Dezember 1999 bekannt gemacht worden seien. Dies treffe im Grundsatz auch hinsichtlich der
Firma Pxxx zu. Es habe durch die Vernehmung von Zeugen nicht festgestellt werden können, dass der Kläger der
Beklagten insofern schuldhaft falsche Zahlen präsentiert habe. Auch die ungewöhnliche Regelung in § 6 Abs. 2 des
Abtretungsvertrages mit der Firma Pxxx rechtfertige angesichts der langen und beanstandungsfreien
Beschäftigungsdauer des Klägers und der bereits zuvor verwendeten identischen Regelung keine fristlose
Kündigung. Die Vernehmung der Bankmitarbeiter K1xxx und Exxx hätten keine gesicherten Feststellungen ergeben,
die es rechtfertigten, die Frist zur ordentlichen Kündigung bis Ende Juni 2000 nicht abzuwarten. Aus diesen Gründen
stünden dem Kläger auch die Rechte aus der Lebensversicherung zu.
Gegen dieses am 23. November 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Dezember 2000 Berufung eingelegt
und sie nach entsprechender Verlängerung am 21. Februar 2001 begründet.
Die Beklagte wiederholt, ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie fasst die Gründe zur fristlosen
Kündigung wie folgt zusammen:
Der Kläger habe bei den Kunden Pxxx Fxxx, Mxxx, Wxxx, A1xxx und Axxx bis einschließlich November 1999
Außenstände in Höhe von 8.768.500,25 DM auflaufen lassen, wobei sie zu Beginn des Jahres noch 5.874.664,02
DM betragen hätten. Erfolgversprechende Maßnahmen zur Verhinderung der desolaten wirtschaftlichen Situation,
wie z. B. die Lieferung gegen Vorkasse, habe der Kläger nicht unternommen, sondern einfach weitergeliefert, obwohl
ihm die Zahlungsschwierigkeiten dieser Betriebe bekannt gewesen seien. Er habe dem Vorstand und dem
Aufsichtsrat die Uneinbringlichkeit der Forderungen verschwiegen und immer alles "schöngeredet". Die
Globalzession sei völlig wertlos gewesen. Auch habe der Kläger über die vorhandenen Probleme mit der Rxxx Lxxx
und der Oxxx Lxxx, insbesondere über die Erweiterung der Kreditlinie, nicht informiert. Erst mit den Erkenntnissen
auf der Sitzung am 22. Dezember 1999 sei sie in der Lage gewesen, die Generalversammlung mit dem Ziel der
fristlosen Kündigung des Klägers einzuberufen. Der Auslieferungsfahrer Jxxx habe dem Kläger 1999 davon erzählt,
dass bei den Firmen Mxxx, Pxxx und Wxxx "nichts los sei" und sich dort niemand um die Waren kümmere. Darauf
habe sich der Kläger lediglich verärgert gezeigt und nichts unternommen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er hält die fristlose Kündigung angesichts
seiner langjähringen unbeanstandeten Arbeit für die Beklagte für unverhältnismäßig. Die Kündigung scheitere auch
schon an einer fehlenden Abmahnung. Die genannten fünf Betriebe seien nicht zahlungsunfähig gewesen, was sich
daran zeige, dass sie nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten noch Zahlungen geleistet hätte. Die
Werthaltigkeit der Kundenforderungen sei 1999 häufig mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat besprochen worden;
die Offene-Posten-Listen seien immer vorgelegt worden.
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens in erster und zweiter Instanz wird auf die vorgetragenen Inhalte der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Schriftsätze vom 05., 06. und 20. Juni 2001 haben vorgelegen, aber keinen Anlass gegeben, die geschlossene
mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie hat in der Sache teilweise Erfolg.
I.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger das noch ausstehende Gehalt für die erste Hälfte des Monats Januar 2000
in Höhe von 7.999,50 DM zu zahlen, § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB, sowie den nicht angetretenen Urlaub mit 21.198,68
DM abzugelten. Sie muss darüber hinaus die auf seinen Namen bei der Rxxx xxx AG abgeschlossene Versicherung
unverzüglich abmelden und dem Kläger die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers überlassen, § 8 Ziff. 1 und 4
des Versicherungsscheins vom 27. Juli 1994. Weitere Gehaltsansprüche stehen dem Kläger entgegen der Ansicht
des Landgerichts nicht zu, weil die Beklagte das Dienstverhältnis gemäß § 626 BGB wirksam mit Zugang des
Schreibens vom 13. Januar 2000 außerordentlich gekündigt hat.
1. Dem Kläger steht noch das Gehalt für die erste Januarhälfte 2000 zu. Er kann den Betrag zwar nicht als
Gegenleistung für seine Dienste gemäß § 611 BGB verlangen, weil er wegen der Suspendierung seit Ende
Dezember 1999 nicht mehr für die Beklagte tätig ist. Der Anspruch folgt aber aus § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach
dieser Vorschrift behält derjenige seinen Anspruch auf die Gegenleistung, dessen eigene Leistung unmöglich ist und
diese Unmöglichkeit der Vertragspartner zu vertreten hat. So liegt es hier, denn die dem Kläger mitgeteilten
Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats vom 30. Dezember 1999 konnten das Dienstverhältnis nicht
wirksam beenden.
Grundsätzlich unterliegt die Bestellung und Abberufung von geschäftsführenden Vorstandsmitgliedern der
Bestimmung der Genossen, erfordert also einen Beschluss der Generalversammlung. Dies betrifft die Organstellung.
Als sog. Annexkompetenz ist die Generalversammlung aber auch für den Abschluss und die Kündigung des
Anstellungsvertrages zuständig (BGHZ 32, 114, 122; OLG Köln DB 1994, 471; Müller, GenG, 2. Aufl., § 24 Rn 68).
Aus diesem Grund waren die durch den Vorstand und den Aufsichtsrat am 30. Dezember 1999 angeordnete
"Amtsenthebung und Suspendierung" des Klägers für den Dienstvertrag und den Gehaltsanspruch des Klägers ohne
Bedeutung. Erst die auf den 12. Januar 2000 einberufene Generalversammlung war rechtlich in der Lage, den
Vertrag mit dem Kläger zu beenden. Der Beschluss ist ihm mit Schreiben vom 13. Januar 2000 bekanntgegeben
worden, so dass erst mit Zugang dieses Schreibens die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Gehalts
entfällt. Der Kläger macht eine unstreitige monatliche Vergütung in Höhe von 15.999,00 DM geltend; bis zum Erhalt
der wirksamen Kündigung stehen ihm daher weitere 7.999,50 DM zu.
2. Einen darüber hinaus gehenden Anspruch auf Zahlung von Gehalt hat der Kläger nicht, denn bereits seit Mitte
Januar 2000 besteht auf Grund der wirksamen Kündigung zwischen den Parteien kein Dienstverhältnis mehr.
a) Die Parteien streiten um die Zahlungsverpflichtung aus einem Dienstvertrag gemäß § 611 BGB. Deshalb kommt
es nicht darauf an, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, den Kläger als Mitglied des Vorstands und damit als
Genossen gemäß § 68 GenG auszuschließen. Ein solcher Ausschluss berührt lediglich das Mitgliedschaftsrecht und
ggf. die Organstellung des Vorstands. Der Rechtsstreit betrifft jedoch die dienstvertraglichen Beziehungen der
Parteien. Weil ein privatschriftlicher Vertrag nicht existiert, bestimmen sich die Rechte und Pflichten der Parteien
ausschließlich nach dem Gesetz, §§ 611 ff. BGB.
b) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei der Prüfung einer
fristlosen Kündigung sind die Interessen der Genossenschaft an der fristlosen Entlassung gegenüber dem Interesse
des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds an der Fortsetzung und vertragsgemäßen Beendigung des
Anstellungsverhältnisses sorgsam abzuwägen. Bei langjährigen Dienstverhältnissen sind dabei strengere Maßstäbe
anzulegen als bei kurzfristigen (BGHZ 20, 239, 248f.).
Nach § 34 Abs. 1 GenG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen
und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden. Die Mitglieder des Vorstands unterliegen
insbesondere dann, wenn ihnen intern die alleinige Geschäftsführung obliegt, strengen Sorgfaltspflichten. Es handelt
sich gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine Modifizierung, aber auch um eine
Verschärfung des Fahrlässigkeitsmaßstabs. Bestimmend für den Pflichteninhalt ist dabei nicht, wie jeder beliebige
Geschäftsmann handelt, sondern wie sich eine Person in der leitenden, verantwortlichen Stellung des Verwalters
fremden Vermögens als Vorstandsmitglied gerade eines derartigen Unternehmens verhalten muss (OLG Köln OLGR
1995, 180, 181; Lang/Weidmüller/Metz/ Schaffland, GenG, 33. Aufl., § 34 Rn 16 ff.; Beuthien, GenG, 13. Aufl., § 34
Rn 7). Ganz allgemein werden an den wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bei leitenden Angestellten
nur geringe Anforderungen gestellt OLG Köln DB 1994, 471; Steding, Anmerkung zu OLG Frankfurt NZG 1999, 356,
359). Diese Personen treffen erhöhte Rechenschafts-, Prüfungs-, Warn- und Überwachungspflichten. Ihr
Arbeitsverhältnis muss von besonderem Vertrauen des Dienstherrn getragen werden, so dass sich verhältnismäßig
kleine Dienstverfehlungen im Rahmen der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu ihren Lasten auswirken. Eine
Schlechterfüllung der dienstvertraglichen Pflichten kann schon ein solcher wichtiger Grund sein (Müller, a.a.O., Rn
69; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl., § 14 Rn 32 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
c) Diesen erhöhten, besonders strengen Anforderungen wird das Verhalten des Klägers nicht in vollem Umfang
gerecht. Ihm sind zumindest zwei nicht nur geringfügige Pflichtverletzungen anzulasten, die einen Fortbestand des
Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30. Juni 2000 für die Beklagte als nicht
zumutbar erscheinen lassen.
(1) Der Kläger war in herausragender Stellung bei der Beklagten beschäftigt. Ihm allein oblag die Geschäftsführung
der Genossenschaft, die zuletzt ca. 60 Mitarbeiter und insgesamt 380 Mitglieder (Schweinemast betreibende
Landwirte), hatte. Er hatte daher für viele Menschen eine erhebliche Verantwortung. Das Verhältnis sowohl der
Genossen zum Vorstand als auch des Vorstands zum Geschäftsführer muss daher auf besonderem gegenseitigen
Vertrauen beruhen.
Unstreitig hat sich die wirtschaftliche Situation der Beklagten im Jahr 1999 dramatisch verschlechtert. Die Beklagte
hat Auszüge aus dem Prüfbericht des Genossenschaftsverbandes Wxxxx-E1xxx e.V. für das Jahr 1999 vorgelegt.
Darin wird ausgeführt, dass nur sehr geringes Eigenkapital vorhanden sei und nahezu der gesamte Geschäftsbetrieb
fremdfinanziert werden müsse. Der Fehlbetrag 1999 habe 8,2 Mio DM betragen und der Unternehmensverlust beliefe
sich auf 1,8 Mio DM. Der Bestand der Genossenschaft werde nach wie vor als gefährdet angenommen. Die
Verbindlichkeiten hätten sich in diesem Jahr von ca. 7,6 Mio DM auf 15,3 Mio DM (= 101,3 %) erhöht. Die
Zulassung von hohen ungesicherten Forderungen wird von dem Verband als nicht vertretbar bezeichnet. Die
Eigenmittel seien in 1999 vollständig aufgezehrt worden.
Der Kläger hat sich zu den konkreten Zahlen angesichts der Unvollständigkeit des Berichts nicht geäußert, nimmt
aber das negative Geschäftsergebnis, die Erhöhung der Außenstände und insgesamt die schlechte wirtschaftliche
Entwicklung der Beklagten nicht in Abrede. Er führt sie aber wesentlich auf die gestiegenen Schweinepreise zurück
und er hält die Forderungen der Beklagten nicht für uneinbringlich.
Es ist zweifelhaft, ob die Beklagte dem Kläger im Rahmen von § 626 BGB mit Erfolg vorwerfen kann, er habe bei
den Kunden Pxxx Fxxx, Mxxx, Wxxx, A1xxx und Axxx bis einschließlich November 1999 Außenstände in nicht zu
verantwortender Höhe auflaufen lassen. Zumindest dürfte dieser Vorwurf gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht mehr als
Grund für eine fristlose Kündigung berücksichtigt werden. Der Kläger hat im Laufe des Verfahrens eine Vielzahl von
Sitzungsprotokollen für die Zeit vom 14. Juli 1998 bis zum 22. Dezember 1999 vorgelegt. Daraus geht deutlich
hervor, dass Vorstand und Aufsichtsrat über die negative Entwicklung der Geschäftsbeziehungen mit den genannten
Kunden informiert waren. Es mag auch dahinstehen, ob dem Kläger insoweit seine positive Einschätzung dieser
Geschäftsentwicklungen, die die Beklagte als "Schönreden" bezeichnet, und generell fehlende Sicherheiten und
Gegenmaßnahmen vorzuwerfen sind.
(2) Jedenfalls stellen in dieser für die Beklagte äußerst prekären Lage das Verschweigen sowohl des Inhalts der
Globalzession vom 09. Juli 1998 als auch der sich negativ verändernden geschäftlichen Beziehungen zu den
Hausbanken einen hinreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung dar.
(a) Der Abtretungsvertrag zwischen der neu gegründeten Firma Pxxx und der Beklagten vom 09. Juli 1998 sollte der
Beklagten als Sicherheit für einen eventuell entstehenden Forderungsausfall dienen. Zuvor hatte sie schon
verlustreiche Geschäfte z.B. mit den Firmen S1xxx und A1xxx gemacht. Frau S1xxx sollte sich an Pxxx beteiligen
und Frau A1xxx war Geschäftsführerin dieses Betriebes. Kaufmännische Vorsicht war also geboten. Schon der
einleitende Satz in § 6 Abs. 2 des Vertrages ist daher wenig verständlich, dass nämlich das besondere
Vertrauensverhältnis zum Kläger maßgebend gewesen sei. Satz 2 ist in hohem Maße risokoträchtig und entwertet
den Schutz für die Beklagte deutlich. Dieses Risiko hat sich auch tatsächlich verwirklicht, denn die Sicherheit durch
einen Forderungserwerb ist nach dem Ausscheiden des Klägers vollkommen wertlos. Nicht recht nachvollziehbar ist
auch die unstreitige Tatsache, dass der Kläger trotz der hohen Verbindlichkeiten die Abtretung niemals gegen der
Firma Pxxx geltend gemacht hat.
Vor dem Hintergrund der sich immer mehr zuspitzenden wirtschaftlichen Entwicklung der Beklagten erforderte eine
vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführer, übrigem Vorstand und Aufsichtsrat zwingend eine
umfassende Information über die sehr ungewöhnliche Globalzession. Wenn auch eine solche Abtretung bereits 1993
mit der Firma A1xxx einmal praktiziert und nunmehr schlicht übernommen worden sein und darüber hinaus der
Genossenschaftsverband in der Person des Prüfers Herrn Dxxx davon Kenntnis genommen haben mag, macht es in
diesem Zusammenhang einen wesentlichen Unterschied, ob eine derartige eingeschränkte personengebundene
Sicherheit in wirtschaftlich gesunden Zeiten oder in einer bedrohlichen Situation akzeptiert und verschwiegen wird.
Es ist die Pflicht des Geschäftsführers, die maßgeblichen Personen der Genossenschaft hierüber zumindest zu
informieren. Gerade hier spielt der Vertrauensgesichtspunkt eine wichtige Rolle. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit
muss Schaden nehmen, wenn verschwiegen wird, dass eine Sicherheit für eine Kreditgewährung in dem Moment
wertlos wird, in dem die Person des Geschäftsführers wechselt. Ob auf die beanstandete Formulierung leicht hätte
verzichtet werden können, wie der Kläger vorträgt, ist mit Blick auf den Vertrauensverlust unerheblich. § 626 Abs. 2
BGB hindert die fristlose Kündigung nicht, denn die Beklagte hatte zumindest vor der Vorstandssitzung vom 22.
Dezember 1999 keine Kenntnis von diesem Umstand.
(b) Das gleiche gilt für das Verhältnis zu den Hausbanken. Der Filialleiter der Oxxx in Cloppenburg, der Zeuge
K1xxxx, hat ausgesagt, dass die Kreditlinie von ca. 7-8 Mio DM ab Sommer 1999 um etwa 1 Mio DM überschritten
worden sei. Der Kläger habe eine Erhöhung erreichen wollen, er – der Zeuge - habe aber die Vorlage weiterer
Unterlagen (Bilanzen für 1997 und 1998 sowie den Prüfbericht 1998) verlangt, die trotz mehrmaliger Aufforderung
nicht vorgelegt worden seien. Die Kreditline sei dann zwar nicht formal erhöht worden, man habe die Überziehung um
etwa 1 Mio DM aber "toleriert". Er habe bis Ende 1999 aber nicht den Eindruck gehabt, dass die Oxxx hingehalten
werden oder etwas vertuscht werden solle. Nach Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten habe man eine Prüfung
bei der Beklagten durchgeführt und überraschend festgestellt, dass Forderungen in Höhe von ca. 10 Mio DM
"gefährdet" gewesen seien.
Der Zeuge Exxx von der Raiffeisenbank hat ausgesagt, im Juni 1999 sei das Kreditlimit um 270.000,00 DM
überschritten gewesen. Zu dieser Zeit sei auch ein neuer Kredit über 400.000,00 DM für den Kauf eines Lkws
abgelehnt worden, weil Unterlagen fehlten, die bis zu dem Ausscheiden des Klägers auch nicht vorgelegt worden
seien.
Ebenso wie das Landgericht hat der Senat keine Zweifel an der Verlässlichkeit der hier wiedergegeben Aussagen.
Die vom Landgericht im angefochtenen Urteil geäußerten Bedenken betreffen lediglich das ernsthafte Bemühen des
Zeugen Exxx, die Rückführung der Darlehen zu verwirklichen. Weil der Senat darauf nicht abstellt, war eine erneute
Vernehmung des Zeugen nicht erforderlich.
In der sich erkennbar abzeichnenden Krise der Beklagten durfte der Kläger auch die zwar "tolerierten", aber neu
vorhandenen Überschreitungen der Kreditlinien nicht für sich behalten und dem Vorstand und Aufsichtsrat
vorenthalten. Sie waren ebenfalls Ausdruck der sich verschlimmernden finanziellen Situation. Er kann sich nicht
darauf zurückziehen, dass es "allein eine Sache zwischen dem Kläger und den Banken" gewesen sei. Das
Verhältnis der Genossenschaft zu ihrem geschäftsführenden Vorstandsmitglied ist, wie dargelegt, ganz wesentlich
von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Diese Vertrauen leidet aber erheblich, wenn in einer offensichtlichen
finanziellen Krise wichtige Informationen in der Zusammenarbeit mit den Hausbanken nicht weitergegeben werden.
In diesem Zusammenhang ist das Verhalten des Klägers auf der Vorstandssitzung vom 22. Dezember 1999 von
Bedeutung. Auf die ausdrückliche Frage, "ob sich die Banken schon gemeldet hätten", antwortete er gemäß
Sitzungsprotokoll, "er habe am 21.12.99 ein Gespräch mit Herrn K1xxx von der Oxxx geführt. Von Seiten der Oxxx
gibt es keine Probleme, es wurde die Senkung des Zinssatzes für das Kontokorrentkonto ausgehandelt". Diese
Äußerung gab den tatsächlichen Sachverhalt verkürzt und damit unzutreffend wieder. Hier wäre in Erfüllung der
Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit eine umfassende Information erforderlich gewesen, die der Kläger
unterlassen hat. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Kläger keine Senkung des Zinssatzes, sondern nur die
teilweise Reduzierung der zuvor erfolgten Erhöhung erreicht hat.
(c) Der Senat verkennt nicht, dass der heute fast 43 Jahre alte Kläger seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt ist, er
von Herbst 1989 bis 1999 seine Tätigkeit als Geschäftsführer unbeanstandet verrichtet hat und deshalb die
Kündigung eine nicht nur finanzielle Härte bedeutet. Gleichwohl ist das Interesse der Beklagten an einer schnellen
Beendigung des Dienstverhältnisses höher zu bewerten. Weil der Kläger das Vertrauensverhältnis zur Beklagten
schuldhaft zerstört hat, war es ihr nicht mehr zuzumuten, den Kläger bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist
weiter zu beschäftigen. Im Rahmen der Interessenanwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach der
Suspendierung noch 4.000,00 DM für seinen ehemaligen Dienstherrn vereinnahmt und diesen Betrag erst erheblich
verspätet nach anwaltlicher Beratung an die Beklagte weitergeleitet hat. Mit einem nach Erhalt des Geldes
angetretenen Urlaub kann er das sechswöchige Einbehalten von Fremdgeld nicht plausibel erklären.
d) Zur Wirksamkeit der Kündigung war eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich. Das Institut der Abmahnung ist
im Arbeitsrecht mit Blick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser
Gesichtspunkt kann bei Leitungsorganen von Genossenschaften nicht ausschlaggebend sein. Sie kennen
regelmäßig die ihnen obliegenden Pflichten und sind sich über die Tragweite etwaiger Pflichtverletzungen auch ohne
besondere Hinwiese und Ermahnungen im Klaren. Soweit Pflichtverstöße so gravierend sind, dass sie – wie hier –
zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses geführt haben, kommt eine Abmahnung ohnehin nicht in Betracht (BGH
NJW 2000, 1638, 1639; NJW-RR 1998, 1409).
3. Ein Zahlungsanspruch rechtfertigt sich jedoch in Höhe von 21.198,68 DM aus der hilfsweise geltend gemachten
Abgeltung des nicht angetretenen Urlaubs.
Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägers stand ihm aus dem Jahr 1999 auch noch im Jahr 2000 ein
Resturlaub von 26,5 Tagen zu. Der Senat geht davon aus, dass der Urlaubsanspruch, wie üblich, aus dem Vorjahr
auf das laufende Jahr einvernehmlich übertragen worden ist. Der Kläger hat die Tatsachen zu dem Anspruch
ausdrücklich mit Schriftsatz vom 18. Juli 2000 behauptet und die Beklagte hat sich dazu nicht erklärt, § 138 Abs. 3
ZPO. Ein Abgeltungsanspruch entsteht dann, wenn die Gewährung von Freizeit wegen Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich ist. Das gilt nicht nur für abhängig Beschäftigte gemäß § 7 Abs. 4
BurlG, sondern wird allgemein auch für den Urlaubsanspruch der Organmitglieder einer juristischen Person
angenommen (BGH LM § 35 GmbHG Nr. 5; Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 35 Rn 196).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Tatsache, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorliegt, ist
in diesem Zusammenhang unbeachtlich, denn für Arbeitnehmer ist eine entsprechende Formulierung in § 7 Abs. 4
Satz 2 durch das Heimarbeitsgesetz vom 29. Oktober 1974 (BGBl. I, 2879) gerade gestrichen worden (vgl. auch
Dersch/Neumann, BUrlG, 7. Aufl., § 7 Rn 120). Nichts anderes kann für Organmitglieder gelten. Die Höhe des
Abgeltungsanspruchs hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Juli 2000 plausibel und nachvollziehbar dargelegt. Die
Beklagte hat dem nicht widersprochen, so dass dem Kläger weitere 21.198,68 DM zustehen.
4. Der Anspruch auf Abmeldung der Versicherung und Übertragung der Rechte aus der abgeschlossenen
Lebensversicherung ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag. Nach § 8 Ziff. 1 des Versicherungsscheins vom 27.
Juli 1994 meldet der Arbeitgeber bei Ausscheiden der versicherten Person unverzüglich die auf das Leben dieser
Person genommene Versicherung ab. Dabei hat der Arbeitgeber ihr die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers
zu überlassen, wenn sie eine unverfallbare Anwartschaft im Sinn § 7 Ziff. 2. a) erworben hat. Das ist bei dem Kläger
der Fxxx, weil er Mitte Januar 2000 bereits mehr als zehn Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen ist. Der
Beklagten bleibt nach dieser Regelung nur dann das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für sich in
Anspruch zu nehmen, wenn der Kläger Handlungen begangen hätte, die der Beklagten das Recht geben, die
Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen.
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Auch in diesem Zusammenhang hat wieder eine Abwägung der
widerstreitenden Interessen zu erfolgen. Hierbei fällt entscheidend ins Gewicht, dass die Lebensversicherung
ersichtlich zumindest Teil der Altersversorgung des Klägers sein sollte. Altersvorsorgemaßnahmen haben auch zum
Ziel, für die Zeit der aktiven Berufstätigkeit eine größtmögliche Aufrechterhaltung des während des Berufslebens
erarbeiteten Lebensstandards zu schaffen und erfordern naturgemäß ein höheres Maß an Planungssicherheit als das
laufende Einkommen. Der Charakter als betriebliche Altersvorsorgeleistung und das erforderliche Maß an
Planungssicherheit bedingen einen prinzipiellen Vorrang des Interesses des Klägers an einem Erhalt dieser
Alterssicherung (vgl. Senat NZG 2000, 939, 941 f.). Seine Verfehlungen haben noch nicht ein solches Ausmaß
erreicht, dass auch noch ein Verfall seiner Vorsorgeleistungen nach § 7 Ziff. 2. a) gerechtfertigt wäre.
II.
Der Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in §§ 284 Abs. 1 und 2, 285, 288 Abs. 1 Satz 1 alter und neuer
Fassung, 291 BGB.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2.