Urteil des OLG Oldenburg vom 15.11.1994
OLG Oldenburg: beweisverfahren, rechtspflege, hauptsache, befangenheit, beweismittel, bach, datum
Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 2 W 113/94
Datum:
15.11.1994
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 485 ABS 1, ZPO § 485 ABS 2, GKG § 12 ABS 2
Leitsatz:
Statthaftigkeit der Sachverständigenablehnung im selbständigen Beweis- verfahren nach § 485 Abs. 2
ZPO. - Beschwerdewert im Verfahren über die Sachverständigenablehnung.
Volltext:
1. Die Frage, ob im selbständigen Beweisverfahren ein Sachverstän-
diger überhaupt wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden
kann, ist umstritten ( vgl. zum Meinungstand: Baumbach/Lauter-
bach - Hartmann , ZPO, 52. Aufl., § 487 Rdnr. 6; Zöller -
Greger, ZPO 18. Aufl., § 406 Rn. 3 ff). Nach Auffassung des
Senats ist nach Änderung des § 485 ZP0 durch das Rechtspflege-
Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 jedenfalls im selbständigen
Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO zur Vermeidung eines Rechts-
streits, wozu das vorliegende Verfahren zählt, die Ablehnung eines
Sachverständigen durch eine der Parteien grundsätzlich zulässig.
Die Ansicht, die die Ablehung eines Sachverständigen als
unzulässig ansieht und die auch der Senat früher einmal vertre-
ten hat (OLG Oldenburg, MDR 1977. 499), wird vor allem darauf
gestützt, daß der Zeitaufwand eines Ablehungsverfahrens mit dem
Eilzweck des selbständigen Beweisverfahrens nicht zu vereinbaren
sei. Nach Neufassung des § 485 ZPO durch das Rechtspflege-
Vereinfachungsgesetz gehört die Eilbedürftigkeit der Beweis-
erhebung jedoch im Fall des § 485 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu den
Voraussetzungen für ein selbständiges Beweisverfahren. Es besteht
deshalb kein Grund mehr, die Ablehung eines Sachverständigen im
selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO als unzulässig
anzusehen . - Die Frage, ob die Ablehung eines Sachverständigen
auch dann zulässig ist, wenn das selbständige Beweisverfahren auf
die Besorgnis gestützt wird, daß ein Beweismittel verlorengehe
oder seine Benutzung erschwert werde ( § 485 Abs. 1 ZPO), die
besondere Eilbedürftigkeit der Beweisaufnahme also nach wie vor
Zulässigkeitsvoraussetzung für das konkrete selbständige Beweis-
verfahren ist, kann vorliegend offenbleiben.
4. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 12 Abs.
2 GKG.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, wie sich der
Streitwert im Verfahren auf Ablehnung eines Richters oder Sachver-
ständigen bestimmt. Es wird die Auffassung vertreten, es handele
sich unabhängig von der Natur des Hauptsacheverfahrens stets um
eine eigenständige nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, deren
Streitwert gem. § 12 Abs. 2 GKG zu bestimmen sei (OLG Köln
MDR 1976, 322 = RPfleger 1976, 226 = VersR 1976, 895; OLG Bamberg
MDR 1982, 589 = Rpfleger 1982, 313 = JurBüro 1982, 1376; OLG
Nürnberg MDR 1983, 846 = JurBüro 1983, 1222 = AnwBl.1983, 516;
Zöller - Schneider, ZPO, 18. Aufl., § 3 Rn 16 " Ablehnung ";
Schneider, Streitwert-Kommentar, 10.Aufl., Rn 76 ff " Ablehnung
von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen " ). Nach
anderer Auffassung bestimmt sich der Streitwert dagegen nach dem
Wert der Hauptsache (BGH NJW 1968, 769; OLG Hamm JurBüro 1978,
738; OLG Frankfurt JurBüro 1980, 279; OLG Düsseldorf JurBüro
1982, 761; NJW-RR 1994 1086; BayObLG NJW 1989, 44; OLG München ZSW
1981, 97, wenn das Gutachten" in ausschlaggebendem Maße prozeß-
bestimmend ist " ; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 46 Anm. 1 d;
Baumbach/Lauterbach, ZPO, 52. Aufl., § 3 Anhang " Ablehnung des
Richters " ) oder gem. § 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO mach einem Bruch-
teil des Hauptsachewertes ( RGZ 42, 362; BFH RPfleger 1977, 250;
OLG Frankfurt MDR 1980, 145; OLG Koblenz JurBüro 1989, 130f;
JurBüro 1991, 1509 ff; Stein/Jonas ZPO, 20. Aufl. § 3 Rn 13
und 19).
Der Senat folgt für die Ablehnung eines Sachverständigen der
erstgenannten Auffasung. Der Ablehnungsantrag ist nicht auf eine
geldwerte Leistung gerichtet. Der Senat verkennt nicht, daß hinter
jedem Ablehnungsgesuch die Befürchtung einer Partei steckt, der
abgelehnte Sachverständige werde infolge Befangenheit zu ihrem
Nachteil tätig werden, und jedes Ablehnungesuch also letztlich das
Ziel verfolgt, den Prozeß zu gewinnen. Der konkret von der antrag-
stellenden Partei im Ablehnungsverfahren gegen einen Sachver-
ständigen verfolgte Zweck geht jedoch zunächst nur dahin, das
Hauptsacheverfahren von parteiischen Tendenzen eines Sach-
verständigen freizuhalten (OLG Köln , a.a.O.; Schneider a.a.0.).
Streitgegenstand dieses vom Hauptsacheverfahren getrennten, mit
eigenem Rechtszug ausgestatteten Nebenverfahrens der Sachver-
ständigenablehnung ist allein der verfassungsrechtlich aus Art.
101 GG herzuleitende Anspruch der Prozeßparteien auf den unbe-
fangenen Sachverständigen als Richtergehilfen (Kahlke, ZZP Bd.
95, 288, 293; Schneider, a.a.O.). Dieser Streitgegenstand hat nur
mittelbar mit der zur Entscheidung anstehenden Hauptsache zu tun.
Er gründet im öffentlichen Recht und ist deshalb selbständig und
unabhängig vom Streitwert der privatrechtlichen vermögenswerten
Hauptsache zu bewerten.