Urteil des OLG Oldenburg vom 30.01.1992
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Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 7/92
Datum:
30.01.1992
Sachgebiet:
Normen:
OWIG § 80 ABS 1, OWIG § 80 ABS 5, OWIG § 33 ABS 1 ., OWIG § 66 ABS 1 .
Leitsatz:
Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen der Verjährungsfrage und zur Verjährungsunterbrechung
durch Bußgeldbescheid, wenn das Tatgeschehen verwechselt worden ist.
Volltext:
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 80,-·DM
festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er vor
allem das Verfahrenshindernis der Verjährung geltend macht, hat
der Senat zur Fortbildung des Rechts nach §·80 Abs.·1 Nr.·1 OWiG
zugelassen. Dem steht §·80 Abs.·5 OWiG nicht entgegen, wonach das
Beschwerdegericht das Verfahren nur dann einstellen kann, wenn
sich vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag herausstellt,
daß ein Verfahrenshindernis besteht, welches nach Erlaß des erst-
instanzlichen Urteils eingetreten ist. Solange die Rechtsbeschwer-
de nicht zugelassen ist, darf das Beschwerdegericht zwar wegen
eines Verfahrenshindernisses das Verfahren nur dann einstellen,
wenn das Verfahrenshindernis nach Erlaß des Urteils eingetreten
ist. Die in §·80 Abs.·5 OWiG vorgenommene Einschränkung der Ein-
stellungsmöglichkeit für die Zeit vor der Entscheidung über den
Zulassungsantrag entfällt aber mit der Zulassung der Rechts-
beschwerde, da das Verfahren dann nach den allgemeinen Grundsätzen
abläuft und im Rechtsbeschwerdeverfahren wie im Revisionsverfahren
bei zulässigem Rechtsmittel von Amts wegen die Prozeßvoraussetzun-
gen und etwaige Prozeßhindernisse zu prüfen und zu beachten sind
(OLG Köln VRS·73, 140, 141; OLG Hamm VRS·74, 212·f; Senatsbeschluß
vom 3.·Juli 1987 -·Ss·373/87·-). Auch der Gesetzgeber geht davon
aus, daß die Neufassung des §·80 OWiG das Beschwerdegericht nicht
hindert, die Rechtsbeschwerde gerade wegen der Frage der Ver-
jährung zuzulassen (vgl. amtliche Begründung, Bundestagsdruck-
sache·10/2652·S·30).
Das Amtsgericht ist im vorliegenden Fall rechtsfehlerhaft von
einer rechtzeitigen Unterbrechung der Verfolgungsverjährung aus-
gegangen. Entscheidend ist für diese Frage, ob der dem Betroffenen
am 20.·Dezember 1990 zugestellte Bußgeldbescheid vom 18.·Dezember
1990 geeignet war, die Verjährung zu unterbrechen, weil nämlich,
ohne daß in der Zwischenzeit rechtswirksame Unterbrechungshand-
lungen erkennbar sind, erst am 15.·Mai 1991, also nach Ablauf der
in §·26 Abs.·3 StVG für diesen Zeitraum gegebenen Verjährungsfrist
von drei Monaten, ein neuer Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen
erging, wobei jener vom 18.·Dezember 1990 zurückgenommen wurde.
Die Verjährung wird in einem solchen Fall nur unterbrochen, wenn
der ursprüngliche Bußgeldbescheid sich zweifelsfrei auf diejenige
Tat bezogen hat, die dem Betroffenen dann auch im weiteren Ver-
fahren zur Last gelegt wird; ist dies der Fall, so wird die unter-
brechende Wirkung eines solchen Bescheides nicht dadurch besei-
tigt, daß die Verwaltungsbehörde ihn später aufhebt und einen neu-
en Bußgeldbescheid erläßt.
Fehler in Einzelheiten der Sachdarstellung des Bußgeldbescheides
führen zwar nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn der Betroffene
ohne Zweifel erkennen kann, welcher Vorfall ihm in dem Bescheid
zur Last gelegt wird; das kommt insbesondere dann in Betracht,
wenn er -·wie vorliegend·- unmittelbar nach dem Vorfall angehalten
worden ist und den Vorwurf erfahren hat (Kammergericht VRS·57,
435; OLG Köln VRS·62, 57). Der dem Betroffenen im späteren Ver-
fahren, insbesondere in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht
zur Last gelegte Sachverhalt bestand darin, daß er am 29.·Oktober
1990 um 17.09·Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XYZ-
K·939 eine bei 30·km/h liegende Höchstgeschwindigkeit mit 58·km/h
überschritten haben soll. Der ursprüngliche Bußgeldbescheid ent-
hielt demgegenüber eine andere Tat-Uhrzeit, nämlich 17.03·Uhr, ein
anderes Kennzeichen, nämlich XYZ-H·939, und einen anderen Ge-
schwindigkeitswert, nämlich 57·km/h. Auch wenn der Betroffene un-
mittelbar nach dem ihm letztlich zur Last gelegten Vorfall von
17.09·Uhr angehalten worden und mit dem Vorwurf der Geschwindig-
keitsüberschreitung konfrontiert worden ist, erscheint fraglich,
ob die drei angeführten Ungenauigkeiten in dem ihm daraufhin zuge-
stellten Bußgeldbescheid auch im Zusammenhang mit dem Anhaltevor-
gang geeignet waren, den Betroffenen zweifelsfrei davon in Kennt-
nis zu setzen, welche Tat ihm nunmehr zur Last gelegt wurde. Diese
Frage kann hier jedoch offenbleiben.
Folgender Umstand tritt nämlich hinzu: Obwohl der Betroffene
J. K. unmittelbar nach einer ihm zur Last gelegten Ge-
schwindigkeitsüberschreitung angehalten worden war, erhielt der
Vater des Betroffenen namens H. K. als Halter des festge-
stellten Fahrzeugs einen Anhörbogen mit den, wie sich später her-
ausgestellt hat, zutreffenden Angaben bezüglich der Uhrzeit, des
Kennzeichens und des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung.
Da sich der Vater des Betroffenen zur Zeit der Anhörung im Urlaub
befand, übernahmen der Sohn und in seinem Auftrag der Verteidiger
die Korrespondenz mit der Bußgeldbehörde. Der Anhörungsbogen nebst
Unterlagen und der ursprüngliche Bußgeldbescheid unterschieden
sich nicht nur in ihren sachlichen Angaben voneinander, sondern
auch in den Aktenzeichen, so daß für den Betroffenen und seinen
Verteidiger jedenfalls bis zur Klarstellung des tatsächlichen
Sachverhalts im Mai 1991 im Anhörungsverfahren und bei Zustellung
des ersten Bußgeldbescheides keine Klarheit bestand, welcher Sach-
verhalt Gegenstand des Bußgeldverfahrens sein sollte.
Unter diesen Umständen erscheint es dem Senat nicht gerecht-
fertigt, allein aus der Tatsache, daß der Betroffene nach einem
Geschwindigkeitsverstoß angehalten und mit einem Vorwurf konfron-
tiert worden war, darauf zu schließen, daß der Betroffene bei Er-
laß des ersten, in mehreren sachlichen Punkten unrichtigen Buß-
geldbescheides in der Lage war, ohne weiteres zweifelsfrei zu er-
kennen, daß ihm tatsächlich ein anderer Sachverhalt zur Last ge-
legt wurde. Der Bußgeldbescheid vom 18.·Dezember 1990 war mithin
nicht geeignet, die Verfolgung der anderen, dem Betroffenen tat-
sächlich zur Last gelegten Tat rechtswirksam zu unterbrechen. Da-
nach war die Strafverfolgung bei Erlaß des neuen Bußgeldbescheides
am 15.·Mai 1991 verjährt, so daß das Verfahren eingestellt werden
mußte.