Urteil des OLG Oldenburg vom 20.12.1993

OLG Oldenburg: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, pfändung, rag, gefährdung, vergütung, geschäftsjahr, geschäftsführer, dienstverhältnis, zusammenwirken, beweislast

Gericht:
OLG Oldenburg, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 108/93
Datum:
20.12.1993
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 612, ZPO § 829, ZPO § 835, ZPO § 850H ABS 2
Leitsatz:
Keine Pfändung verschleierten Einkommens bei mangelnder Leistungsfähigkeit des Arbeitgeber des
Schuldners.
Volltext:
Zum Sachverhalt:
Die Kläger haben Gehaltsansprüche gepfändet und sich überweisen lassen, die ihr Schuldner als Geschäftsführer
der Beklagten aus seiner Tätigkeit für diese angeblich hat.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch auf Zahlung eines Teils des gepfändeten
Geschäftsführereinkommens zu (§§ 611, 612 BGB, 829, 835, 850 h II ZPO).
§ 850 h II ZPO ermöglicht die Pfändung bei verschleiertem Arbeits- und Dienstverhältnis. Diese Bestimmung soll die
Befriedigung des Gläubigers ermöglichen, wenn der Schuldner für seine Dienstleistungen zwar keinen
Vergütungsanspruch gegen den Empfänger der Dienste hat, die Umstände aber eine Nichtbefriedigung des
Gläubigers als grob unbillig und andererseits die Zahlung eines Entgelts für die Arbeitsleistung als gerechtfertigt
erscheinen (BAG NJW 1978, 343). Entsprechendes gilt, wenn nur eine im Verhältnis zur üblichen Vergütung
unangemessen niedrigere vereinbart ist (BAG MDR 65, 944).
Diese Voraussetzungen lassen sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht feststellen. Unstreitig verdient der
Schuldner monatlich 1.713,99 DM brutto, was Nettobezügen von 1.000,-- DM entspricht. Nach den Ausführungen
des Sachverständigen B. in seinem Gutachten vom 26.01.1993 erscheint ein derartiges Einkommen bei einer
Arbeitszeit von 15 Wochenstunden zwar gering, aber branchenüblich nicht unangemessen niedrig. Damit haben die
beweispflichtigen Kläger nicht bewiesen, daß die Beklagte im Zusammenwirken mit dem Schuldner Einkommen
verschleiert hat (zur Beweislast vgl. LAG Düsseldorf, BB 1952, 576; LAG Hamm BB 1988, 488; 1988, 1754, 1755).
Dem Schuldner kann daher kein fiktives Einkommen angerechnet werden, das der Pfändung unterliegt.
Soweit der Sachverständige weiter ausführt, nach den Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeuginnen E.
und L. müsse eine wöchentliche Arbeitszeit von über 20 Stunden mit einem Bruttomonatseinkommen von rund
2.500,-- DM angenommen werden, muß das das entgegen der Auffassung der Kläger bei der Beurteilung, ob
Einkommen verschleiert worden ist, unberücksichtigt bleiben. Selbst wenn der Schuldner tatsächlich 20 oder mehr
wöchentliche Arbeitsstunden ableistet, führt das nicht zwingend zu einer Verschleierung von Einkommen. Denn
dabei ist auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstberechtigten zu berücksichtigen (RAG JW 36, 686,
687; BAG aaO). Wenn nämlich der Dienstberechtigte wegen schlechter Vermögenslage zur Zahlung des Tariflohnes
oder der ortsüblichen Vergütung völlig außerstande oder nicht ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz
imstande ist, wäre es unbillig, ihm solche Leistungen aufzuerlegen (RAG aaO; LAG Mannheim BB 1952, 718). Die
Beklagte hat ausweislich derim Berufungsrechtszug vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen für das
Geschäftsjahr 1991 einen Bilanzgewinn von 2.593,76 DM und für 1992 von 4.774,67 DM erzielt. Angesichts dieses
Zahlenwerks, dem die Kläger nicht entgegengetreten sind, ist davon auszugehen, daß die Beklagte ohne Gefährdung
der eigenen wirtschaftlichen Existenz nicht in der Lage war, dem Schuldner ein höheres Einkommen zu zahlen.
Vielmehr deuten gerade die besonderen Umstände dieses Falles darauf hin, daß das wirtschaftliche Überleben der
Beklagten von ihren geringen Personalkosten abhängt. Unstreitig verdient die Gesellschafterin Laske, die halbtags
bei der Beklagten tätig ist, lediglich 500,-- DM im Monat, während die Gesellschafterin Eggert, die ebenfalls nur
stundenweise arbeitet, bisher auf Gehaltszahlungen verzichtet hat und auf Gewinnausschüttungen hofft. Angesichts
dieser Umstände spricht außer den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Schuldner und den
Gesellschafterinnen der Beklagten nichts für eine Einkommensverschleierung.