Urteil des OLG Oldenburg vom 06.09.1994

OLG Oldenburg: härte, fahrverbot, berufsausübung, gefahr, ausnahme, scheidung, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 336/94
Datum:
06.09.1994
Sachgebiet:
Normen:
STVG § 25 ABS 1 ., BKATV § 2 ABS 1 NR 4
Leitsatz:
Bei drohendem Verlust der wirtschaftlichen Existenz kann von der An- ordnung eines im Regelfall
gebotenen Fahrverbots abgesehen werden.
Volltext:
Die Annahme des Tatrichters, trotz der im Urteil dargelegten Um-
stände, habe bei angemessener Erhöhung der Geldbuße von der Ver-
hängung eines Fahrverbotes nicht ausnahmsweise abgesehen werden
können, begegnet auch unter Berücksichtigung des ihm insoweit zu-
stehenden Ermessensspielraums durchgreifenden Bedenken. Zwar
lassen die in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BKatV genannten Regelbei-
spiele, die - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat grund-
sätzlich das Vorliegen eines beharrlichen Verstoßes im Sinne des §
25 Abs. 1 StVG indizieren (vgl. BGHSt. 38, 106 ff. und 125, 134,
231 ff. sowie Beschluß des Senats vom 02. Juni 1994 - Ss 193/94
-), dem Tatrichter Raum, die Umstände des konkreten Falles in
objektiver und subjektiver Hinsicht bei der Bewertung und Ent-
scheidung, ob es der Verhängung eines Fahrverbotes bedarf, zu
berücksichtigen (BGHSt 38, 125,136), so daß es vornehmlich seiner
Würdigung unterliegt, ob ausnahmsweise Gründe vorliegen, von der
regelmäßigen Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG abzusehen (BGH,
aaO; OLG Köln, NZV 1994, 161 f. sowie der erwähnte Beschluß des
Senats, jeweils mit weiteren Nachweisen). Jedoch ist seine
Entscheidung vom Rechtsbeschwerdegericht - wenn auch nur im ein-
geschränkten Umfang - auf das Vorliegen von Ermessensfehlern
überprüfbar. Auch wenn die Urteilsausführungen erkennen lassen,
daß sich der Tatrichter der Möglichkeit, ausnahmsweise von der
Verhängung des Fahrverbots absehen zu können, bewußt war, führt
die unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte einge-
schränkte mögliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils zu dessen
Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache, weil nicht aus-
zuschließen ist, daß er von dieser ihm eingeräumten Gelegenheit in
ermessensfehlerhafter Weise keine Gebrauch gemacht hat. Der
Tatrichter hat nämlich seine Erwägungen nicht in einem die Nach-
prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht ermöglichendem Umfang
dargelegt und dem Umstand, daß und warum in diesem konkreten Falle
ein Festhalten an der Regel geboten ist, jedenfalls nicht hin-
reichend verdeutlicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats
ist bei ganz ungewöhnlicher Härte des Eingriffs aufgrund des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Ausnahme von der notwendigen
regelmäßigen Verhängung des Fahrverbotes in Betracht zu ziehen
(vgl. Beschlüsse des Senats vom 02. Dezember 1993 - Ss 385/92 - =
ZFS 1993, 140 f. und vom 27. April 1994 - Ss 119/94 -). Auch wenn
die hohe jährliche Fahrleistung des Betroffenen grundsätzlich und
für sich einen solchen Schluß nicht zu rechtfertigen vermag (vgl.
OLG Düsseldorf, NZV 1993, 445 sowie Beschluß des Senats vom
04.05.1994 - Ss 173/94 -), liegt eine Härte im genannten Sinne
vor, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Existenz des Be-
troffenen droht (vgl. die erwähnten Beschlüsse des Senats). Dies
ist hier nicht auszuschließen. Wenn das Amtsgericht dahin
formuliert, der im übrigen geständige Betroffene sei "als
Kurierdienstunternehmer selbständig und auf seinen Führerschein
angewiesen. Als Jungunternehmer habe er Anfangsschwierigkeiten",
ist eine entsprechende Gefahr jedenfalls nicht ohne weiteres von
der Hand zu weisen. Die weiteren Urteilsausführungen lassen nicht
genügend erkennen, daß der Tatrichter diese Umstände in hin-
reichendem und für den Senat nachprüfbaren Umfang bei der Be-
rücksichtigung der Frage, ob es der Verhängung eines Fahrverbotes
bedurfte, in Erwägung gezogen und schließlich berücksichtigt hat.
In dem angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich ausgeführt:
"Besondere Gründe, die es rechtfertigen würden, von einem Fahr-
verbot abzusehen, sind nicht ersichtlich. Daß das Fahrverbot zu
Beeinträchtigungen führt, ist vom Gesetzgeber gewollt ... !".
Diese Formulierung läßt eine genügende Auseinandersetzung mit den
in den Urteilsgründen zuvor aufgezeigten, die Berufsausübung des
Betroffenen möglicherweise wesentlich beeinträchtigenden
Schwierigkeiten vermissen.