Urteil des OLG Oldenburg vom 20.07.1993
OLG Oldenburg: unterhalt, durchschnitt, schwiegereltern, bezifferung, unzumutbarkeit, datum, angemessenheit
Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 5 U 40/93
Datum:
20.07.1993
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1934D ABS.
Leitsatz:
1. Zur Bezifferung des Antrages auf vorzeitigen Erbausgleich. 2. Die Angemessenheit des
Ausgleichsbetrages richtet sich nicht ausschließlich nach dem Vermögen.
Volltext:
Dem Kläger steht gemäß § 1934 d BGB ein Zahlungsanspruch auf vor-
zeitigen Erbausgleich zu. Mit dem Landgericht ist auch der Senat
der Ansicht, daß der gesetzlich vorgesehene dreifache Jahresunter-
haltsbetrag, § 1934 d Abs. 2 Satz 1 BGB, von hier unstreitig
8.245,80 DM nach den gegebenen Einkommens- und Vermögensverhält-
nissen des Beklagten ebenso wie der erstinstanzliche Hilfsantrag
über 7.000,-- DM zu hoch ist. Der nach den maßgeblichen Umständen
als angemessen anzusehende Betrag, § 1934 d Abs. 2 Satz 2 BGB, ist
nach Auffassung des Senats am zweifachen Jahresunterhaltsbetrag zu
bemessen, so daß dem Kläger auf den im Berufungsrechtszug so erst-
malig gestellten Hilfsantrag 5.500,--·DM zuzusprechen waren.
Dieser nach dem Wortlaut nicht bezifferte Hilfsantrag ist zulässig
(MünchKomm.-Leipold, BGB, 2. Aufl., § 1934 d Rn. 30). Zwar ver-
langt die höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich im Rah-
men des vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs einen "zu beziffernden"
Betrag (BGHZ 96, 262 ff.). Gestattet wird insoweit aber noch ein
Antrag zur Verurteilung bis zu einer Untergrenze, ab welcher eine
Teilhabe am Nachlaß vorzugswürdig erscheint. Der Antrag des Klä-
gers schließt - was die Berufungserwiderung zu Unrecht bezweifelt
- den gesetzlich festgelegten Mindestjahresunterhaltsbetrag mit
ein.
Bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichsbetrages geht das
Gesetz von einem Regelsatz aus in Höhe des dreifachen Unterhalts,
den der Vater im Durchschnitt der letzten fünf Jahre, in denen das
Kind voll unterhaltsbedürftig war, jährlich zu leisten hatte. Von
diesem Regelsatz kann nach Zumutbarkeitserwägungen im Rahmen der
Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den Grenzen der gesetz-
lich festgelegten Mindest- und Maximalansprüche vom einfachen bis
zum zwölffachen Jahresunterhaltsbetrag abgewichen werden, §·1934·d
Abs. 2 BGB.
Ohne Erfolg versucht die Berufungserwiderung aus der Rechtspre-
chung eine Relation dahingehend aufzustellen, daß der Regelbetrag
nur dann gefordert werden könne, wenn eine fiktive Pflichtteilsbe-
rechnung zum Schluß der mündlichen Verhandlung einen solchen Be-
trag in etwa ergibt. Richtig ist zwar, daß solche Vergleiche in
der Rechtsprechung angestellt werden (vgl. BGHZ 96, 262 ff, 271 f
m. w. N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung; OLG Oldenburg
MDR 1973, 550 f). Solche Erwägungen sind allerdings nur ein
Hilfsinstrumentarium, das das Gesetz dem Erbausgleich gerade nicht
zugrundelegt (Sörgel/Stein, BGB, 12. Aufl., 1992, § 1934 d Rdn.
25). Es handelt sich bei dem damit angesprochenen Vermögen eben
nur um einen Parameter von mehreren Parametern zur Ermittlung der
Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit.
Das Gesetz geht in § 1934 Abs. 2 S. 1 BGB ausdrücklich - und das
ist zunächst der entscheidende Ausgangspunkt, dem der Beklagte
nicht ausreichend Rechnung trägt - von einem regelmäßig geschulde-
ten Betrag nach dem dreijährigen Unterhalt aus. Dieser Regelsatz
ist in etwa auf die Situation eines in geordneten, aber durch-
schnittlichen bis einfachen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen
lebenden Vaters zugeschnitten, der für eine Ehefrau und bis zu
zwei eheliche Kinder zu sorgen hat (vgl. OLG Oldenburg, MDR 1973,
550, 551; zustimmend: MünchKomm-Leipold, BGB, 2. Aufl., § 1934 d
Rdn. 36 am Ende u. w. N. in Fußnote 92). Liegt das Einkommen nicht
unter dem statistischen Durchschnitt und halten sich auch die Be-
lastungen im Rahmen des üblichen, muß nach dem Gesetz von diesem
Regelbetrag ausgegangen werden (OLG Köln, FamRZ 1990, 667 f).
Dieser vom Kläger primär verlangte, gesetzlich vorgesehene Regel-
betrag ist nur zu unterschreiten, wenn der Beklagte ihn weder aus
seinem Vermögen noch aus seinen laufenden Einkünften - auch nicht
durch Ratenzahlungen oder Stundungen - aufzubringen vermag, wobei
ihm eine Kreditaufnahme grundsätzlich zuzumuten ist (OLG Oldenburg
a. a. O.; Palandt/Edenhofer, BGB, 52. Aufl., § 1934 d Rdn. 16).
Angesichts der Unterhaltsverpflichtungen (Ehefrau, Kind und Ehe-
frau aus erster Ehe) und der zumindest tatsächlichen Mitversorgung
eines Stiefkindes sowie des weitgehend fehlenden Vermögens liegt
der gesetzliche Regelbetrag über der - oberen - Zumutbarkeitsgren-
ze. Auf der anderen Seite verweist der Kläger zu Recht auf die
Kreditaufnahmemöglichkeiten seines Vaters im Zusammenhang mit dem
Haus der Schwiegereltern, die nach dem Arbeitseinkommen auch für
den Ausgleichsanspruch zu gelten haben. Der gesetzliche Mindestbe-
trag unterschreitet aus diesem Grunde die -·untere·- Zumutbar-
keitsgrenze. Unter Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstän-
de erscheint dem Senat eine Bemessung nach dem zweifachen Jahres-
unterhalt angemessen.