Urteil des OLG Oldenburg vom 12.05.2006

OLG Oldenburg: einstweilige verfügung, kommunikation, mitbewerber, anbieter, internet, kontaktaufnahme, telefon, adresse, vergleich, geschäftsverkehr

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 W 29/06
Datum:
12.05.2006
Sachgebiet:
Normen:
TDG § 6 Nr 2, UWG § 4 Nr 11
Leitsatz:
1. Ein gewerblicher Verkäufer, der im Internet über die Verkaufsplattform "Ebay" Waren anbietet, hat
nach §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 TDG, 6 Nr. 2 TDG unter anderem Angaben zu machen, die eine
unmittelbare Kommunikation ermöglichen. Dies erfordert die Angabe einer Telefonnummer, unter der
der Verkäufer erreichbar ist.
2. § 6 Nr. 2 TDG stellt dabei im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG eine gesetzliche Vorschrift dar, die auch
das Marktverhalten regelt und deren Verletzung zu einem Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11
UWG führen kann.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
1 W 29/06
18 O 282/06 Landgericht Osnabrück
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
D...,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
M...,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 12. Mai 2006
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 18. Zivilkammer (5. Kammer für
Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück vom 24.4.2006 teilweise geändert.
Ergänzend zu der im Beschluss des Landgerichts vom 24.4.2006 unter 1. enthaltenen Unterlassungsanordnung wird
dem Antragsgegner weiterhin untersagt, zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet, insbesondere auf der
Verkaufsplattform eBay, Verbraucher zur Abgabe von Angeboten oder Bestellungen von Waren aus dem Sortiment
Kosmetik und Hautpflegeartikel aufzufordern, wenn dabei unzureichende Angaben zum Anbieter gemacht werden,
insbesondere wenn neben der Angabe der eMailAdresse nicht über die Telefonnummer eines vorhandenen
Telefonanschlusses des Antragsgegners oder eine andere Möglichkeit einer unmittelbaren Kommunikation informiert
wird.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens trägt der
Antragsgegner.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 € und der Streitwert für das erstinstanzliche
Verfügungsverfahren auf 7.500 € festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Antragstellerin und Antragsgegner handeln mit Waren aus dem Bereich Kosmetik und Hautpflegeartikel. sie bieten
ihre Ware über das Internet, insbesondere auch über die Handelsplattform eBay an.
Die Antragstellerin hat beanstandet und durch Vorlage von sogenannten Screenshots glaubhaft zu machen versucht,
dass der Antragsgegner bei Warenangeboten auf der Handelsplattform eBay nicht zutreffend, zumindest nicht
widerspruchsfrei über das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht informiere und auch seine Anbieterangaben
nicht der Vorschrift des § 6 des Teledienstgesetzes (TDG) entsprächen, insbesondere werde nicht über die
Möglichkeit einer unmittelbaren Kommunikation, die praktisch nur über Telefon gewährleistet werde, durch Angabe
einer Telefonnummer informiert.
Nach erfolglos gebliebener Abmahnung hat sie den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Verfügung auf
Unterlassung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat dem Verfügungsantrag teilweise entsprochen, soweit es um entsprechende Verkaufsangebote
des Antragsgegners ohne zutreffende Belehrung über das Widerrufs oder Rückgaberecht des Verbrauchers geht, den
weiter gehenden Antrag, der sich mit der Gewährleistung vollständiger Anbieterangaben befasst, hat es dagegen
zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Entscheidung und ihrer Begründung wird auf den
Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 24.4.2006 Bezug genommen.
Gegen die Zurückweisung ihres Antrags wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und in der Sache auch begründet.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Unterlassung von Internetangeboten, in denen nur unzureichende
Angaben zum Anbieter gemacht werden, bei denen insbesondere nicht über eine bestehende Möglichkeit zur
unmittelbaren Kommunikation durch Telefon (oder ggf. ein entsprechendes Kommunikationsmitteln) informiert wird.
Bei den Verkaufsangeboten bei eBay verstößt der Antragsgegner – wie den von der Antragstellerin vorgelegten
Screenshots entnommen werden muss – gegen
§ 6 Nr. 2 TDG.
Das TDG ist auf den Antragsgegner als gewerblichen Verkäufer, der im Internet seine Waren anbietet, nach § 2 Abs.
1, Abs. 2 Nr. 5 TDG anwendbar.
Nach § 6 muss der unter das TDG fallende Gewerbetreibende im geschäftlichen Verkehr bestimmte, in der Vorschrift
näher aufgeführte Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten. Dazu gehören
neben Name und Anschrift (§ 6 Nr. 1 TDG) nach § 6 Nr. 2 TDG auch Angaben, die eine schnelle elektronische
Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post.
Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift lässt erkennen, dass allein - wie im vorliegenden Fall - die Angabe der
EMailAdresse (Adresse der elektronischen Post) nicht ausreicht. Die Übermittlung einer EMail stellt – auch wenn im
Vergleich zu herkömmlichen Postsendungen die Übermittlung beschleunigt wird – eine briefliche Kommunikation dar,
die allenfalls im Ausnahmefall eines am Computer sitzenden Empfängers, nicht aber im Regelfall und von ihrer
Konzeption her auf eine unmittelbare Kommunikation der Beteiligten angelegt ist. § 6 Nr. 2 TDG setzt jedoch eine
unmittelbare Kommunikationsmöglichkeit und Information hierüber voraus. Eine unmittelbare Kommunikation wird
regelmäßig nur über eine Telefonverbindung gewährleistet. Dann muss aber bei den Anbieterangaben auch die
Telefonnummer eines vorhandenen Telefonanschlusses angegeben werden.
Dass genau dies auch der Vorstellung des Gesetzgebers entsprochen hat, ergibt sich aus der
Entstehungsgeschichte der heutigen Fassung des § 6 Nr. 2 TDG, nämlich aus der Begründung des Gesetzentwurfs
der Bundesregierung zum Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr vom
17.5.2001 (BTDrucks. 14/6098, S. 21). Dort wird auf Seite 21 ausgeführt, dass neben einer elektronischen auch eine
unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem Anbieter gewährleistet werden solle und dass dazu zumindest die Angabe
der Telefonnummer und die Angabe einer EMailAdresse notwendig sei.
Wenn der Gesetzgeber – wohl über die Erfordernisse der ECommerceRichtlinie hinausgehend – im Interesse und
zum Schutz des Verbrauchers eine unmittelbare Kommunikationsmöglichkeit und eine entsprechende Information
hierüber verlangt, so kommen unter den heutigen Verhältnissen praktisch nur die telefonische Verbindung und
dementsprechend die Angabe der Nummer eines vorhandenen Telefonanschlusses in Betracht. Diese Angabe ist
dann nach § 6 Nr. 2 TDG erforderlich. Der Senat folgt insoweit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des OLG
Köln (NJWRR 2004, 1570. ebenso auch Kaestner/Tews WRP 2002, 1011, 1013. Brunst MMR 2004, 8, 10.
Stickelbrock GRUR 2004, 111, 113. a.A. Waldenberger in Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia Recht, Stand Dez.
2005, 13.4, Rn. 120).
Der danach hier vorliegende Verstoß gegen § 6 Nr. 2 TDG führt auch zur Wettbewerbswidrigkeit des
Internetangebots des Antragstellers.
Die zu § 1 UWG a.F. entwickelten Grundsätze, nach denen das Landgericht einen Wettbewerbsbezug verneint hat,
können nicht ohne weiteres auch für die nunmehr geltende Neuregelung des UWG herangezogen werden (vgl. dazu
unter teilweiser Gegenüberstellung der alten und neuen Rechtslage Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., §
4 UWG, Rn. 11.33 ff., 11.51ff.). Nach dem hier anzuwendenden neuen Recht handelt ein Mitbewerber nach §§ 3, 4
Nr. 11 UWG unlauter und wettbewerbswidrig, wenn er einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer, nämlich der Mitbewerber, Nachfrager, Anbieter oder Verbraucher,
das Marktverhalten zu regeln.
Die in § 6 TDG vorgesehene Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung und zur Information über Möglichkeiten der
Kontaktaufnahme und unmittelbaren Kommunikation sollen dem Verbraucherschutz dienen (vgl. BTDrucks. 14/6098,
Seite 21). Dies schließt zumindest sekundär die Funktion ein, gleiche rechtliche Voraussetzungen für die auf dem
Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen.
Die Antragstellerin hat auf Seite 3 ihrer Beschwerdebegründung überzeugend aufgezeigt, dass die Möglichkeit
unmittelbarer Kommunikation (über das Telefon) für den Verbraucher eine erheblichem Bedeutung hat, um durch
unmittelbare Befragung des Anbieters eine sachgerechte oder eine zumindest aus eigener Sicht ausreichend
fundierte rechtsgeschäftliche Entscheidung zu treffen oder auch bei der Abwicklung des Geschäfts die eigenen
Belange gegenüber dem Anbieter zur Geltung zu bringen bzw. durchzusetzen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf
einen nicht unerheblichen Teil schreibungewandter Personen, sondern auch im Hinblick auf eine im Interesse des
Verbrauchers liegende zeitsparende, beschleunigte und unmittelbare Aufnahme der Kommunikation mit dem
Anbieter zu dem Zweck, evtl. klärungsbedürftige Punkte unmittelbar zu erledigen. Dementsprechend kommt auch
der Information über die Möglichkeit der unmittelbaren Kontaktaufnahme im Interesse des Verbrauchers eine
durchaus ins Gewicht fallende Bedeutung zu.
Schließlich ist auch der Gesichtspunkt gleicher Rahmenbedingungen für die Präsenz der Mitbewerber am Markt zu
berücksichtigen. Dies ist für das Marktverhalten der Mitbewerber von erheblicher Bedeutung. Es erscheint plausibel
und nachvollziehbar - wie die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt hat , dass ein Mitbewerber,
der sich an die vom Gesetz für den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehene Information über die Möglichkeit
unmittelbarer Kommunikation nicht hält und sich dadurch dem Aufwand einer solchen unter Umständen
personalintensiven Kommunikation mit dem Verbraucher entzieht, nicht zu rechtfertigende Kosten und
Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu den anderen (gesetzestreuen) Mitbewerbern erzielen kann. Dies ist unter
wettbewerblichen Gesichtspunkten schwerlich hinzunehmen.
Jedenfalls für das hier anwendbare neue UWG folgt der Senat der Auffassung, die in § 6 TDG, hier konkret in § 6 Nr.
2 TDG, eine für den Verbraucherschutz relevante und wettbewerbsbezogene Regelung sieht (ebenso
Hefermehl/Köhler, § 4 UWG, Rn. 11.169. LG München WRP 2005, 1042. zum alten Recht vgl. OLG Frankfurt ZMR
2001, 529. differenzierend OLG Hamburg GRURRR 2003, 92. Stickelbrock GRUR 2004, 111, m.w.N. auch zu abw.
Auffassungen. abweichend zum alten Recht Schulte/Schulte NJW 2003, 2140).
Die Antragstellerin hat nach alledem einen Gesetzesverstoß gegen § 6 Nr. 2 TDG glaubhaft gemacht, der
gleichzeitig als Wettbewerbsverstoß zu werten ist.
Dieser Verstoß ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur
unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG).
Dies steht jedenfalls völlig außer Zweifel, wenn die weiteren, vom Landgericht bei der bereits erlassenen
einstweiligen Verfügung berücksichtigten Mängel der Internetpräsentation des Antragsgegners in die Betrachtung
einbezogen werden. Im Hinblick auf eine anzunehmende Wiederholungsgefahr ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ein
entsprechender Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gerechtfertigt, der nach § 12 Abs. 2 UWG durch
einstweilige Verfügung gesichert werden kann.
Im Hinblick auf die besondere Dringlichkeit der Sache, die vom Landgericht angenommen worden ist, und auf die
teilweise schon erlassene einstweilige Verfügung hält der Senat es hier für noch vertretbar, auf dem vom Landgericht
beschrittenen Weg des Verfahren fortzufahren, und unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung
die erlassene einstweilige Verfügung im schriftlichen Verfahren zu ergänzen und den Antragsgegner wegen evtl.
Einwendungen auf die Möglichkeit des Widerspruchs zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs.1, 53 Abs.1 Nr. 1 GKG, 3
ZPO.
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