Urteil des OLG Oldenburg vom 04.09.1991
OLG Oldenburg: fahren, offenkundig, form, scheidung, auflage, steuerhinterziehung, datum, belastung
Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 1 WS 169/91
Datum:
04.09.1991
Sachgebiet:
Normen:
STPO § 464B ABS 1, STPO § 467 ABS 1, ZPO § 91 ABS 2, BRAGO § 86 ABS 1 .
Leitsatz:
Unverbindlichkeit einer rechtskräftigen, die gesetzliche Grundlage er- kennbar verlassenden
Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsver- fahren; Höhe erstattungsfähiger
Verteidigergebühren.
Volltext:
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu
einer Freiheitsstrafe verurteilt. Auf seine Revision hat der Bundes-
gerichtshof das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur
erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Landgericht hat das Ver- fahren nunmehr gem. § 153 Abs. 2 StPO
eingestellt und der Staatskasse unter anderem die dem Angeklagten durch die Revision erwachsenen tat- sächlichen
Auslagen auferlegt.
Der Angeklagte hat beantragt, die ihm durch Honorarvereinbarung
im Revisionsverfahren entstandenen Verteidigerkosten in Höhe von
29.674,20 DM zu erstatten. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung
dieser Kosten gegen die Staatskasse abgelehnt, weil das Verfahren
nach §§ 464 ff StPO die Erstattung tatsächlicher Auslagen nicht
vorsehe. Auf die Erinnerung des Angeklagten hat das Landgericht
den Rechtspfleger angewiesen, die dem Angeklagten durch das Revi-
sionsverfahren erwachsenen tatsächlichen Kosten als notwendige
Auslagen festzusetzen.
Die zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors dagegen hat Erfolg.
Die Überbürdung der dem Angeklagten durch das Revisionsverfahren
entstandenen tatsächlichen Auslagen auf die Staatskasse ent-
spricht nicht dem Gesetz. Der Strafprozeßordnung ist die Erstat-
tung tatsächlicher Auslagen fremd. Die Bestimmung des § 467 StPO,
die der Kostengrundentscheidung des Landgerichts zugrundeliegt,
beschränkt den Erstattungsanspruch des Angeklagten auf die not-
wendigen Auslagen. Die Erstattungsfähigkeit der zu den notwendi-
gen Auslagen des Angeklagten gehörenden Gebühren des Verteidigers
ist nach § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO ausdrücklich auf den in der
BRAGO gesetzlich bestimmten Rahmen für die Gebühren des Rechts-
anwalts begrenzt. Die Höhe eines vereinbarten Honorars ist demge-
genüber unbeachtlich (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1971, 778; OLG
Koblenz Rpfl. 1984, 286, 287).
Die Begrenzung der Erstattungsfähigkeit folgt aus der Verweisung
in § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO, der die gesetz-
lichen Gebühren als Maßstab für den Ersatz der Kosten des Rechts-
anwalts ausdrücklich erwähnt. Die Entscheidung des Landgerichts,
daß dem Angeklagten tatsächliche Verteidigerkosten zu erstatten
sind, widerspricht demgemäß dem Gesetz.
Die Gesetzwidrigkeit einer Kostengrundentscheidung führt aller-
dings nicht ohne weiteres zu ihrer Unwirksamkeit. Ist sie formell
rechtskräftig, wie es hier der Fall ist, muß sie im Kostenfest-
setzungsverfahren grundsätzlich als wirksam behandelt werden
(vgl. Kleinknecht/Meyer, StPO, 39. Auflage, Rn. 1 zu § 464 b mit
Hinweisen). Ob das auch im Falle krasser Fehler wie bespielsweise
bei der Überbürdung notwendiger Auslagen des Nebenklägers auf die
Staatskasse zu gelten hat, ist umstritten und kann hier dahinste-
hen (vgl. hierzu einerseits LG Essen Rpfl. 1984, 368; LG Dortmund
Rpfl. 1981, 319; andererseits LG Darmstadt KostRspr. Nr. 31 zu
§ 464 b StPO; AG Kappeln JurBüro, 1980, 1204). Die Strafprozeß-
ordnung enthält immerhin in § 472 eine Regelung zur Erstattungs-
fähigkeit der notwendigen Auslagen des Nebenklägers. Zu beanstan-
den war in den den genannten Entscheidungen zugrundeliegenden
Fällen die Belastung der Staatskasse mit Auslagen des Nebenklä-
gers und damit eine fehlerhafte Zuordnung der Erstattungs-
pflicht.
Die vorliegend durch das Landgericht getroffene Kostengrundent-
scheidung verläßt hingegen eindeutig ihre gesetzliche Grundlage.
Der Gesetzgeber hat sich bei der Novellierung der Kostenvor-
schriften der Strafprozeßordnung bewußt dahin entschieden, die
Erstattung anwaltlicher Gebühren auf den Rahmen der §§ 83 ff
BRAGO zu beschränken. Die geschaffenen Regelungen sind durch das
Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (vgl. NJW 1985, 727).
Die Abweichung des Landgerichts hiervon ist offenkundig und be-
wußt vorgenommen worden. Das wird durch die in dem angefochtenen
Beschluß vorgenommene Umschreibung deutlich, nach der die tat-
sächlichen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren in
Übereinstimmung mit allen Verfahrensbeteiligten als notwendige
Auslagen anerkannt worden sind. Die getroffene Kostenentscheidung
beruht unverkennbar auf einer Vereinbarung der Verfahrensbevoll-
mächtigten. Die gesetzlichen Regelungen sind dabei außer Betracht
geblieben. Die Grundentscheidung läßt sich mit ihnen unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt vereinbaren, soweit es sich um die
Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren handelt.
Dieser Gesetzesverstoß ist für jeden verständigen Betrachter
offenkundig (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer, StPO, 39. Aufl., Ein-
leitung, Rn. 105 mit Hinweisen). Die Kostengrundentscheidung kann
in einem solchen Fall nicht Grundlage der von dem Angeklagten
beantragten Kostenfestsetzung sein. Der angefochtene Beschluß des
Landgericht war deswegen aufzuheben und der Antrag in der von dem
Angeklagten gestellten Form abzulehnen.