Urteil des OLG Oldenburg vom 05.04.1994

OLG Oldenburg: zugesicherte eigenschaft, akte, zusicherung, gewährleistung, wohnung, auskunft, dachausbau, aufenthalt, datum, entstehung

Gericht:
OLG Oldenburg, 12. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 12 U 8/94
Datum:
05.04.1994
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Ungenehmigter Dachausbau als zugesicherte Eigenschaft
Volltext:
Das Landgericht hat die Verurteilung der Beklagten unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt einer Kaufpreisminderung (§ 462 BGB) auf
die Erwägung gestützt, sie habe mit der in § 3 Abs. 3 des Kaufver-
trages übernommenen Verpflichtung zur Beschaffung einer nachträg-
lichen Baugenehmigung und Bauabnahmebescheinigung zugleich die ob-
jektiv nicht gegebene bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit
auch des "Schlafzimmers" im Obergeschoß im Sinne des § 459 Abs. 2
BGB zugesichert.
Richtig sind dabei die Ausgangspunkte, daß die Beklagte nach dem
Inhalt ihrer vertraglichen Erklärungen die Einstandspflicht dafür
übernommen hat, daß die Räume des Obergeschosses in dem vertrag-
lich vorausgesetzten Umfang nicht nur faktisch, sondern auch bau-
ordnungsrechtlich nutzbar sind, und daß diese Voraussetzungen ob-
jektiv jedenfalls hinsichtlich des den alleinigen Streitgegenstand
bildenden "Schlafzimmers" nicht erfüllt sind.
Nach den vertraglichen Vereinbarungen hat die Beklagte den Klägern
nicht zwei unspezifisch nutzbare Räume im Obergeschoß verkauft,
sondern nach der der Beklagten zuzurechnenden und den Vertragsver-
handlungen zugrundeliegenden Objektbeschreibung zwei Räume, die
zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt und
geeignet sind. Die Kennzeichnungen als "Wohnzimmer" und "Schlaf-
zimmer" lassen nach den §§ 133, 157 BGB keine andere Deutung zu.
Tatsächlich entspricht das "Schlafzimmer" weder den in § 43 Abs. 3
NBauO noch den in § 28 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu § 43
NBauO vorgeschriebenen bauordnungsrechtlichen Anforderungen für
Aufenthaltsräume, weil es die lichte Höhe von 2,20 m im Umfang der
notwendigen Grundfläche nicht aufweist. Der als "Schlafzimmer"
verkaufte Raum ist damit materiell bauordnungswidrig und nicht in
der geschuldeten Weise nutzbar.
Abgesehen davon steht nach Aktenlage auch keineswegs fest, daß das
Obergeschoß insgesamt ohne Baugenehmigung nutzbar ist. Die Beklag-
te hat zwar vorgetragen, daß ihr vom Bauamt auf Anfrage die münd-
liche Auskunft erteilt wurde, der Ausbau bedürfe keiner besonderen
Genehmigung. Das wäre aber nur dann sachlich richtig, wenn der
Dachgeschoßausbau nicht zur Entstehung einer zweiten Wohnung
geführt hätte (§ 69 Abs. 4 S. 2 NBauO - Schmaltz in Grosse/Suchs-
dorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 5. Aufl., § 69 Rn. 52). Jedenfalls
im Ergebnis ist hier aber eine zweite Wohnung entstanden, zumal
dies bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen nicht von
der Frage einer Abgeschlossenheitstauglichkeit abhängt (§ 44 Abs.
1 S. 2 NBauO). Ob gleichwohl Ausbauarbeiten genehmigungsfrei
durchgeführt werden können - was bei einem gestaffelten Ausbau
denkbar wäre (Schmaltz a.a.O., Rn. 54)- läßt sich nach dem Sach-
verhalt nicht beantworten. Der Ausnahmetatbestand hätte aber von
der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten vorgetragen werden
müssen.
Die Übernahme einer Einstandspflicht für die vorbeschrieben
geschuldete Beschaffenheit des "Schlafraums" ergibt sich aus § 3
Abs. 3 des Kaufvertrages. Wenn sich die Beklagte verpflichtet hat,
eine "nachträgliche Baugenehmigung sowie die Bauabnahmebescheini-
gung für den Ausbau des Dachgeschosses einzuholen", kann damit
nach der für beide Parteien erkennbaren wechselseitigen Interes-
senlage nicht allein die Erwirkung der genannten Formalakte ge-
meint gewesen sein. Die als Schuldinhalt ausdrücklich allein be-
zeichneten Akte beinhalten bei sachgerechter Interpretation des §
3 Abs. 3 des Kaufvertrages wesensnotwendig auch die Übernahme der
im Sinne einer Zusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB zu qualifizieren-
den Gewährleistung eines die Baugenehmigung voraussetzenden ma-
teriellen Zustandes. Was speziell den materiell baurechtswidrigen
Zustand des "Schlafraums" angeht, kommt hinzu, daß nach Sinn und
Zweck der vertraglichen Vereinbarung unabhängig von der Frage der
Genehmigungsbedürftigkeit des Gesamtausbaus auch zumindest der
Versuch der Erwirkung einer von der Genehmigungspflichtigkeit un-
abhängigen und nach § 86 NBauO jedenfalls theoretisch denkbaren
Befreiung von den Erfordernissen des § 43 Abs. 3 NBauO geschuldet
wird.
Im Ergebnis ist danach festzuhalten, daß die Beklagte für die
fehlende Nutzungsmöglichkeit des "Schlafraums" als Aufenthaltsraum
unter dem Gesichtspunkt einer bei Übergabe nicht vorhandenen zuge-
sicherten Eigenschaft gewährleistungsrechtlich, gegebenenfalls
auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Nichter-
füllung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen einzustehen
hat. Beide vorgenannten in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen
führen zu derselben Rechtsfolge einer Schadensersatzverpflichtung,
die die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten trägt.