Urteil des OLG Oldenburg vom 18.11.2011

OLG Oldenburg: vaterschaft, grobes verschulden, jugendamt, billigkeit, gerichtsbarkeit, gabun, verfahrenskosten, ermessensausübung, unterliegen, obsiegen

Gericht:
OLG Oldenburg, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 13 UF 148/11
Datum:
18.11.2011
Sachgebiet:
Normen:
FamFG § 169 Nr. 1, FamFG § 81 Abs.
Leitsatz:
Eine Beteiligung der Kindesmutter an den gerichtlichen Kosten der Vaterschaftsfeststellung entspricht
im Regelfall nicht der Billigkeit.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
B e s c h l u s s
13 UF 148/11
20 F 96/11 AB Amtsgericht Meppen
In der Familiensache
betreffend die Abstammung des Beteiligten zu 1.
Beteiligte:
1. C… .O…, geb. am ….2010, ., .H…,
gesetzlich vertreten durch den Landkreis … Jugendamt
Antragsteller
2. L… O…, ., .H…,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. K…,
3. F… . M…, . B…
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
hat der 13. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht …
am 18. November 2011
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen/Ems vom
22. August 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels in der Kostenentscheidung zu Ziffer III.
des Beschlusstenors geändert:
Die gerichtlichen Kosten erster Instanz werden dem Beteiligten zu 3. auferlegt. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre
außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahren tragen die Beteiligten zu 2. und 3. je zur Hälfte. Im Übrigen
tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis 900 €.
Gründe
I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts über die Feststellung der
Vaterschaft für den Antragsteller.
Der Antragsteller hat vertreten durch das Jugendamt als Beistand ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren betrieben.
Zusätzlich wurde ein Antrag im vereinfachten Unterhaltsverfahren auf Zahlung von Mindestunterhalt gestellt. Der
Antragsgegner und die Beteiligte zu 2., die Mutter des Antragstellers, stammen aus Gabun. Die Kindesmutter hat
angegeben, mit dem Antragsgegner in der gesetzlichen Empfängniszeit für den Antragsteller (vom 27.08.2009 bis
24.12.2009) geschlechtlich verkehrt zu haben. Der Antragsgegner wurde durch das Jugendamt vor Einleitung des
gerichtlichen Abstammungsverfahrens vergeblich aufgefordert, die Vaterschaft anzuerkennen. Das Amtsgericht hat
die Beteiligten zu 2. und den Antragsgegner persönlich angehört. Der Antragsgegner hat angegeben, dass sich die
Kindesmutter und er bereits aus Gabun kennten. Zunächst sei er in Deutschland gewesen, die Kindesmutter habe
ihn besucht und sich bei ihm aufgehalten. Es sei richtig, dass er in der gesetzlichen Empfängniszeit mit ihr
geschlechtlich verkehrt habe. Die Kindesmutter hat angegeben, nur mit dem Antragsgegner Verkehr gehabt zu
haben. Der Antragsgegner erklärte gegenüber dem Amtsgericht, dass er nach wie vor gewisse Zweifel habe, ob er
wirklich der Vater des Kindes sei. Er wolle daher, dass ein Gutachten eingeholt werde. Das daraufhin eingeholte
Sachverständigengutachten bestätigte die Vaterschaft des Antragsgegners. Es erging ein entsprechender Beschluss
des Amtsgerichts, in dem die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt wurde. Die Kostenentscheidung lautete
dabei wie folgt: ´Die gerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten - mit Ausnahme des minderjährigen Kindes - zu
gleichen Teilen. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst´. Hiergegen richtet sich die Beschwerde
der Kindesmutter, die geltend macht, dass der Antragsgegner das Verfahren grob schuldhaft im Sinne des § 81 Abs.
2 Nr. 1 FamFG veranlasst habe. Er habe gewusst, dass er in der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Kindesmutter
verkehrt habe, habe aber vor Einleitung des Verfahrens weder anerkannt noch die Vaterschaft außergerichtlich durch
DNA Gutachten untersuchen lassen. Er habe keinen Anlass zur Annahme gehabt, dass die Kindesmutter in der
gesetzlichen Empfängniszeit mit anderen verkehrt habe. Ihm seien daher die gerichtlichen Kosten und die
außergerichtlichen Kosten der Kindesmutter aufzuerlegen. Der Antragsgegner hat zu der Beschwerde nicht Stellung
genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert gemäß § 61 Abs. 1 FamFG
überschritten, da der Kindesmutter neben ihren eigenen Anwaltskosten auch die Hälfte der Gerichtskosten
einschließlich der Kosten des Sachverständigengutachtens auferlegt worden sind.
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
Die Kostenentscheidung richtet sich im Abstammungsverfahren nach § 81 FamFG. Nach Absatz 2 Nr. 1 dieser
Vorschrift sollen die Kosten dem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt werden, der durch grobes Verschulden
Anlass für das Verfahren gegeben hat. Ein grobes Verschulden des Antragsgegners ist entgegen der Ansicht der
Beschwerde nicht gegeben. Dadurch, dass der Antragsgegner Zweifel an seiner Vaterschaft hatte und sie nicht
außergerichtlich anerkannt hat, hat er zwar Anlass für die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegeben. Es fehlt
jedoch an der Voraussetzung des grob schuldhaften Verhaltens. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner
seiner Vaterschaft so sicher sein musste, dass die Nichtanerkennung der Vaterschaft grob schuldhaft war. Scheiden
die Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 FamFG aus, sind die Kosten nach Absatz 1 dieser Vorschrift unter den
Beteiligten zu verteilen. Danach kann das Gericht die Kosten den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum
Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen. Im Rahmen der Ermessensausübung kann auch
zwischen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Verfahrensbeteiligten zu differenzieren sein (vgl. OLG
Celle, FamRZ 2010, 1840 f., zitiert nach juris Rn. 10). Dabei entspricht es dem Grundsatz der Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten selbst zu übernehmen hat. Das
Abstammungsverfahren ist nach der Neuregelung durch das FamFG ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, es
entspricht nunmehr eher einer Kindschaftssache als einer Familienstreitsache (vgl. OLG Celle, a.a.O.). einen
formellen Gegner gibt es in diesem Verfahren nicht mehr, ebenso wenig ein Obsiegen und Unterliegen im Sinne
eines ZPOVerfahrens oder einer Familienstreitsache. Gründe dafür, dass der Beteiligte zu 3. die Kosten der
Beteiligten zu 2. aus Billigkeit zu tragen hätte, sind nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass er an den Angaben
der Beteiligten zu 2. im Hinblick auf seine Vaterschaft Zweifel hegte, führt noch nicht dazu, dass er ihre
Verfahrenskosten zu übernehmen hat. Hinsichtlich der Gerichtskosten ist jedoch eine andere Beurteilung geboten.
Insoweit entspricht es der Billigkeit, die Kosten dem als Vater festgestellten Antragsgegner aufzuerlegen. Hierbei
geht es maßgeblich um die Kosten der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Da das
antragstellende Kind keine Kosten trägt (§ 81 Abs. 3 FamFG) und es keinen Anlass dafür gibt, von der Erhebung
von Kosten nach § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG abzusehen, entscheidet sich die Frage nach der Übernahme dieser
Kosten letztlich zwischen Kindesmutter und Kindesvater. Die Kindesmutter hatte keinerlei Möglichkeiten, die
Einleitung des Verfahrens zu vermeiden. Die Feststellung der Vaterschaft besteht in erster Linie im Interesse des
beteiligten Kindes. Die Kindesmutter hatte auch keine Möglichkeit, die Einholung des gerichtlichen Gutachten
abzuwenden, nachdem sie vom Amtsgericht persönlich angehört worden war und der Antragsgegner gleichwohl von
seiner Vaterschaft nicht überzeugt war. Dagegen bestand auf Seiten des Antragsgegners die Möglichkeit, das
Entstehen der Kosten zu vermeiden. Für die Entscheidung, ihm diese Kosten aufzuerlegen, kommt es auf ein
Verschulden nicht an. Mag der Antragsgegner auch Zweifel an seiner Vaterschaft gehabt haben, führt das doch nicht
dazu, ihn von den Kosten der Klärung dieser Zweifel zu entlasten und auf der anderen Seite die Kindesmutter zu
belasten. Wer als Vater in Anspruch genommen Zweifel an seiner Vaterschaft ohne Einschaltung des Gerichts durch
Einholung eines privaten Gutachtens klären will, muss dies ebenfalls auf eigenes Kostenrisiko tun und hat -
jedenfalls dann, wenn seine Vaterschaft festgestellt wird - wegen der Kosten der Begutachtung keine
Regressmöglichkeiten gegen die Kindesmutter. Es besteht kein Grund, den in Anspruch genommenen Vater
kostenmäßig besser zu stellen, wenn die Vaterschaft im gerichtlichen Abstammungsverfahren geklärt wird,
jedenfalls dann nicht, wenn der in Anspruch genommene Kindesvater wie der Antragsgegner lediglich allgemein
gehaltene Zweifel an seiner Vaterschaft hat. Besondere Umstände, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten,
hat der Antragsgegner nicht aufgezeigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 84, 81 Abs. 1 FamFG.
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