Urteil des OLG Oldenburg vom 22.03.1995

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Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 U 14/95
Datum:
22.03.1995
Sachgebiet:
Normen:
AKB § 12 NR 1 I A, AKB § 12 NR 1 I B
Leitsatz:
Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls Brand in der Fahrzeug- versicherung: Entfernung
der Fahrzeugkennzeichen als wesentliches Indiz im Rahmen der Gesamtschau.
Volltext:
Auf Grund einer Gesamtschau und einer Gesamtwürdigung aller Um-
stände (OLG Hamm, VersR 1986, 586) ist der Senat davon über-
zeugt, daß der Kläger den Brand seines Fahrzeugs selbst herbeige-
führt hat (BGH, VersR 1985, 79 und 331). Dem vom Versicherer
geführten erleichterten Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlich-
keit der Vortäuschung eines Diebstahls (BGH, VersR 1992, 867
und 1991, 1047) kommt im Rahmen der Beweiswürdigung zu § 61 VVG
indizielle Bedeutung zu. Zwar ist grundsätzlich von der Redlich-
keit des Versicherungsnehmers auszugehen. Der Senat stützt seine
Überzeugung jedoch nicht auf bloße Verdachtsmomente, vielmehr
begründen konkrete Tatsachen die Überzeugung von der Unredlichkeit
des Klägers.
Die vom Kläger für den behaupteten Diebstahl gegebene Schilderung
mag für den "Beweis des äußeren Bildes" ausreichen, wenn der Klä-
ger die Richtigkeit seiner Angaben sonst nicht beweisen kann
(BGH, VersR 1992, 867). Entscheidend ist aber, ob dem Kläger als
einer redlichen Person die gegebene Tatsachendarstellung geglaubt
werden kann, wobei auch sein Verhalten bei der versicherungsrecht-
lichen Abwicklung einschließlich des darüber geführten Rechts-
streits zu berücksichtigen ist (BGH, VersR 1991, 917, 918
und 1977, 610).
Nach Auffassung des Senats ergeben sich zunächst aus dem Gesamt-
verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall
derartige Ungereimtheiten und Unrichtigkeiten, daß schwerwiegende
Zweifel an der Richtigkeit seiner Behauptung der Entwendung be-
gründet sind, auch wenn infolge des totalen Ausbrennens des Fahr-
zeugs objektive Spuren nicht festgestellt werden konnten.
Gegen den Kläger spricht bereits sein Vorbringen zu den vorhandenen zwei Kfz-Schlüsseln. Zwar hat die Beklagte
keinen weiteren Beweis dafür angetreten, daß der Kläger zu den beiden Schlüsseln gegenüber dem
Versicherungsagenten B andere Angaben gemacht hat als gegenüber der Polizei. Immerhin weichen
Schadenanzeige und Polizeivermerk insoweit aber krass voneinander ab. In der Schadenanzeige heißt es: "Ich habe
zwei Schlüssel vom Vorbesitzer übernommen." Selbst wenn die Angabe bei der Polizei richtig war, wonach der
Kläger bei Erhalt des Fahrzeugs nur einen Originalschlüssel erhalten haben und sich einen zweiten Schlüssel
unter Verwendung eines Schlüsselrohlings der Fa. W bei der Fa. A haben nachmachen lassen will, erscheint es als
ausgesprochen unglaubhaft, daß er sich alsbald nach Übernahme des Neufahrzeugs einen Ersatzschlüssel
beschafft haben soll, ohne sich jedenfalls anschließend um den Verbleib der weiteren zwei Originalschlüssel (Haupt-
und ein weiterer Nebenschlüssel) zu kümmern. Immerhin hatte er das Neufahrzeug bei einer Anzahlung von 5.7OO,-
DM für monatlich über 1.OOO,- DM geleast und nach seinen Angaben Kenntnis davon, daß (auch) VW-Fahrzeuge
mit mindestens
zwei oder sogar drei Schlüsseln ausgeliefert wurden. Dann erscheint es schwer nachvollziehbar, daß er lediglich
vermutet haben will, daß bei der Leasingfirma G noch ein zweiter oder dritter Schlüssel vorhanden sein werde, ohne
sich nach deren Verbleib zu erkundigen und sich um die Aushändigung zu bemühen.
Gegen die Redlichkeit des Klägers spricht weiter, daß er hat vor-
tragen lassen, kurz vor dem Diebstahl noch eine Reparatur von über
3.000,- DM veranlaßt zu haben, als Belege aber nur zwei Rechnungen
über ca. 960,- und ca. 1.220,- DM vorgelegt hat. Im Leasingvertrag
ist zudem die Metallic-Lackierung, die der Kläger ebenfalls be-
hauptet hat, im Gegensatz zu den anderen geltend gemachten Extras
nicht aufgeführt. Außerdem ist in der Strafanzeige der Km-Stand
mit 110.000 angegeben, was nur vom Kläger stammen kann, da das
Fahrzeug vollständig ausgebrannt war, während sich aus der Rech-
nung vom 28.04.1993 bereits ein Km-Stand von 115.000 ergibt. Fer-
ner hat der Kläger im Prozeß die Örtlichkeit als durchaus für
Diebstahlsaktivitäten geeignet bezeichnen lassen, während es in
der Schadenanzeige heißt: "auf dem Hof im Carport", was eher eine
abgeschirmte Örtlichkeit nahelegt. Schließlich spricht auch gegen
die Redlichkeit des Klägers, daß er die ursprünglich im Rechts-
streit geforderten Zinsen von 18,35 % nach Zweifeln der Beklagten
kommentarlos auf 14,75 bis 12,25 % reduziert hat.
Untypisch für einen Diebstahl ist im übrigen, daß das Fahrzeug
schon kurz nach der behaupteten Entfernung vom Grundstück des Klä-
gers in Brand gesetzt worden ist. Ein Dieb, der ein Fahrzeug steh-
len oder es für eine Spritztour nutzen will, wird regelmäßig nicht
daran interessiert sein, das Fahrzeug anschließend in Brand zu
setzen, jedenfalls nicht unter den hier vorliegenden Umständen. So
ist das Fahrzeug hier bereits 3 1/4 Stunden, nachdem der Kläger
- gegen 3.OO Uhr morgens - zu Bett gegangen sein will, vollständig
ausgebrannt gefunden worden (vgl. OLG Hamm, R+S 1991, 185), und
zwar in einer abgelegenen Sandkuhle. Nach einer Spritztour wird
ein Dieb das Fahrzeug nicht an einer abgelegenen Stelle hinterlas-
sen (langer Fußmarsch, vgl. OLG Saarbrücken, R+S 1991, 257).
Bei einer auf Dauer geplanten Entwendung - gegen welche die hohe
Km-Leistung des allerdings noch nicht zwei Jahre alten Fahrzeugs
sprechen könnte - wäre das Inbrandsetzen dann auch nur zu erklä-
ren, wenn der Diebstahl plötzlich den Reiz verloren hätte, z.B.
auf Grund eines technischen Defekts. Dafür bestehen jedoch keine
Anhaltspunkte, da das Fahrzeug kurz vor dem 05.05.1993 zweimal in
der Werkstatt gewesen war und die nach dem Brand festgestellte
leicht deformierte vordere Stoßstange und die geöffnete Motorhaube
auf erste Maßnahmen der Polizei D zurückzuführen waren.
Es ist daher von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Dieb-
stahlsvortäuschung auszugehen, die der Kläger nicht durch den
Vollbeweis eines Diebstahls widerlegt hat. Dies hat Indizfunktion
für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung des Brandes, von
der der Senat auf Grund der Gesamtumstände überzeugt ist.
Hier kommt nämlich hinzu, daß der Kläger ein erkennbares wirt-
schaftliches Interesse an der Beseitigung des Fahrzeugs durch ei-
nen Versicherungsfall hatte, da er kurz vor Ablauf der 2-Jahres-
frist (1.7.1993) bei einer Laufleistung von über 115.000 km und
einem Zeitwert von höchstens 25.000,- DM mit einer Neuwertentschä-
digung von ca. 45.000,- DM rechnen konnte. Von erheblicher Bedeu-
tung ist zudem, daß die Nummernschilder vor der Inbrandsetzung ab-
montiert worden sind. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum
ein Dieb dies tun sollte, da für ihn die dadurch mögliche schnelle
Ermittlung des Halters belanglos wäre. Der Kläger hingegen hatte
durchaus ein sachliches Interesse daran, eine Identifizierung des
von ihm selbst oder mit seinem Wissen in Brand gesetzten PKWs
nebst Halter zu verhindern oder jedenfalls zeitlich hinauszuzögern
(vgl. Senat R+S 1991, 298 und OLG Köln R+S 1992, 44).