Urteil des OLG Oldenburg vom 21.03.1991

OLG Oldenburg: gesellschaft, ohg, aufrechnung, agb, bereicherung, verfügung, widerruf, weisung, girovertrag, nachzahlung

Gericht:
OLG Oldenburg, 08. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 8 U 206/90
Datum:
21.03.1991
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 333, AGB-BANKEN NR § 4
Leitsatz:
Wer sich mit Überweisung zwecks Tilgung einverstanden erklärt, hat kein Zurückweisungsrecht, wenn
die Schuldsumme dem Konto vorbehaltlos gutge- schrieben worden ist.
Volltext:
Die zulässige Berufung der beklagten Sparkasse hat auch in der Sache Erfolg, denn der Kläger kann von ihr nicht
die Rücküberweisung des dem Konto der R.-OHG gutgeschriebenen Betrages von 12.039,27 DM nebst Zinsen an
das Finanzamt verlangen.
Der R.-OHG, die trotz Löschung im Handelsregister als BGB-Gesellschaft weiterexistiert, stand ursprünglich, wie der
Steuerbescheid vom 13. Februar 1984 ausweist, ein Anspruch auf Umsatzsteuerrückerstattung für das Jahr 1987 in
Höhe von 12.039,27 DM gegen das Finanzamt zu. Dieser Anspruch ist durch die Überweisung des
Erstattungsbetrages seitens des Finanzamtes auf das Konto der OHG/BGB-Gesellschaft erloschen.
Das Finanzamt hat - wie in früheren Jahren auch - den Erstattungsbetrag auf das ihr angegebene Konto der
steuerpflichtigen OHG bei der Beklagten überwiesen. Vom Einverständnis der OHG-BGB-Gesellschaft als
Gläubigerin mit der Überweisung ist im vorliegenden Fall auszugehen, denn durch die Angabe der Kontonummer und
die widerspruchslose Entgegennahme der Zahlungen in der Vergangenheit hat sie zum Ausdruck gebracht, daß das
Finanzamt auch in Zukunft Überweisungen auf ihr Konto vornehmen könne (vgl. BGH WM 1955, 1473 (1476)). Daß
er in Kenntnis des Ergebnisses der Betriebsprüfung und des Steuerbescheides für die OHG/BGB-Gesellschaft vor
der Überweisung dem Finanzamt mitgeteilt hätte, daß das bisherige Konto nicht mehr existiere und
Erstattungsbeträge auf ein anderes Konto zu überweisen seien, behauptet der Kläger selbst nicht. Sein Vortrag in
der Klageschrift, er sei davon ausgegangen, daß die Angelgenheit durch Aufrechnung bereinigt werde, das
Finanzamt habe irrtümlich den Betrag auf das alteKonto der R.-OHG überwiesen, obwohl ihm anläßlich der
Betriebsprüfung hätte bekannt sein müssen, daß der Kläger sein Geschäftskonto mittlerweile bei einer anderen Bank
führe, ist unerheblich. Gleiches gilt für den Vortrag in der Berufungserwiderung, es habe auf der Hand gelegen, daß
das Finanzamt die Erstattungsforderung nicht auskehren, sondern von der Möglichkeit der Verrechnung Gebrauch
machen werde, zumal dem Amt bekannt gewesen sei, daß Mittel bei der OHG nicht vorhanden seien. Es kommt
nicht darauf an, daß der Kläger sein Geschäftskonto bei einer anderen Bank führte, sondern darauf, daß die
Gesellschaft, um deren Steuererstattung es ging, noch existierte und auch noch das angegebene Konto unterhielt.
Daß mit dem Finanzamt vor der Überweisung eine Aufrechnung der Steuerschuld aus dem Jahre 1985 mit dem
Erstattungsbetrag aus dem Jahre 1984 besprochen oder vereinbart worden wäre, trägt der Kläger selbst nicht vor.
Ob überhaupt im Zeitpunkt der Überweisung eine Aufrechnungslage bestand, ist im übrigen nicht dargetan worden.
Der Steuererstattungsbescheid für 1984 ist am 13. Februar 1989 erlassen worden. Wann ein Steuerbescheid
bezüglich der Nachzahlung der Umsatzsteuer für 1985 ergangen ist, hat der Kläger nicht angegeben. Da das
Finanzamt den Überweisungsauftrag bereits am 17. Februar 1989 erteilt hat, wäre eine Aufrechnung seitens des
Finanzamtes nur dann möglich gewesen, wenn der Steuerbescheid bezüglich des Jahres 1985 vor diesem Zeitpunkt
vorgelegen hätte. Dafür ist nichts ersichtlich. Hinzu kommt, daß der Umsatzsteuererstattungsbetrag aus dem jahre
1984 die Steuerschuld aus dem Jahre 1985 um 596,23 DM übersteigt und in Höhe dieses Betrages eine
Aufrechnung von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre.
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist somit davon auszugehen, daß das Finanzamt bewußt und gewollt
den Umsatzsteuerrückerstattungsbetrag auf das ihm bekannte Konto der Gesellschaft überwiesen hat. Durch die
ordnungsgemäße Gutschrift des Betrages auf dem Konto der Gesellschaft bei der Beklagten erlosch die Schuld des
Finanzamts, denn ein Widerruf des einmal erteilten Einverständnisses seitens der Gläubigerin lag bis zur Vornahme
der Überweisung nicht vor. Die Beklagte war ihrerseits nach Ziffer 4 Abs. 1 AGB unwiderruflich befugt, den
Geldbetrag für die Gläubigerin entgegenzunehmen und ihn der Gläubigerin durch Gutschrift auf ihrem Konto zur
Verfügung zu stellen, da ihr außerhalb des Überweisungsträgers keine andere Weisung erteilt worden ist.
Der Ansicht des Landgerichts, die Tatsache, daß die Gutschrift auf dem Konto der Gesellschaft dem Girovertrag
entsprechend durch einen einseitigen Akt der Beklagten erfolgt sei, stelle einen hinreichenden Grund dar, der
Gläubigerin in entsprechender Anwendung des § 333 BGB ein Zurückweisungsrecht zuzubilligen, vermag der Senat
nicht zu folgen.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 19. September 1989 ausdrücklich offengelassen, ob der
Zahlungsempfänger den gutgeschriebenen Betrag durch Erklärung gegenüber seiner Bank generell zurückweisen
kann. Er hat ausgeführt, daß ein Zurückweisungsrecht jedoch dann bestehe, wenn die Gutschrift auf einer
rechtsgrundlosen Fehlüberweisung beruhe (BGH WM 1989, 1560 = NJW 1990, 323). Die vom Landgericht zitierten
Entscheidungen und Aufsätze befassen sich ebenfalls lediglich mit dem Zurückweisungsrecht des
Zahlungsempfängers zwecks interessengerechter Lösung von Fällen bei aufgedrängter Bereicherung infolge von
Fehlüberweisungen. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn weder liegt eine Fehlüberweisung
seitens des Finanzamts vor, noch kann von einer aufgedrängten Bereicherung auf seiten der Gesellschaft
gesprochen werden. Die Annahme des Landgerichts, der zu entscheidende Sachverhalt sei demjenigen angenähert,
der dem BGH (s.o.) vorgelegen habe, ist unzutreffend. Das Finanzamt hat bewußt und gewollt den Erstattungsbetrag
auf das Konto der Gesellschaft überwiesen. Eine Fehlüberweisung liegt somit nicht vor. Die Schuld des
Finanzamtes ist infolge der Gutschrift erloschen. Bereicherungsansprüche des Finanzamtes bezüglich des
überwiesenen Betrages bestehen gegen die Gläubigerin nicht. Daß das Finanzamt seinerseits noch Inhaberin einer
Steuerforderung bezüglich des Jahres 1985 ist, ist für die Frage eines etwaigen Zurückweisungsrechts ebenso
unerheblich wie die Tatsache, daß die Beklagte zum Zeitpunkt der Gutschriftserteilung noch Forderungen gegen die
Gesellschaft hatte.
Ein Zurückweisungsrecht in entsprechender Anwendung des § 333 BGB kommt dann nicht mehr in Betracht, wenn
der Gläubiger erst durch sein Verhalten die Entstehung des Rechts ermöglicht hat. Wer sich mit einer Überweisung
der Schuldsumme zum Zwecke der Tilgung einverstanden erklärt, hat, wenn der Schuldner unter Einschaltung einer
Bank seine Zahlungsverpflichtung erfüllen will, jedenfalls dann kein Zurückweisungsrecht, wenn die Schuldsumme
dem angegebenen Konto vorbehaltlos gutgeschrieben worden ist. Aufdiese Weise wird dem Interesse aller
Beteiligten am ungehinderten Giroverkehr der Banken, wie es in Nr. 4 der AGB-Banken zum Ausdruck kommt, in
angemessener Weise Rechnung getragen. Der nachträglich geäußerte Wunsch des Klägers, die
Steuererstattungsforderung mit der Steuerschuld zu verrechnen, muß demgegenüber zurücktreten, zumal er es bis
zur Gutschrift in der Hand hatte, die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung mit Schulden der Gesellschaft
zu verhindern.
Selbst wenn man jedoch ein Zurückbehaltungsrecht des Klägers auch im vorliegenden Fall bejahen würde, wäre der
Klage der Erfolg zu versagen; denn eine Anspruchsgrundlage für eine Verpflichtung der Beklagten, den
gutgeschriebenen Betrag an das Finanzamt zurückzuüberweisen, besteht nicht. Daß der Kläger sich Ansprüche des
Finanzamts hätte abtreten lassen, ist nicht vorgetragen.