Urteil des OLG Oldenburg vom 08.05.1996

OLG Oldenburg: zahlungsaufforderung, zustellung, anforderung, brandstiftung, erstellung, rechtskraft, wirt, verschulden, freispruch, versicherungsnehmer

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 2 W 57/96
Datum:
08.05.1996
Sachgebiet:
Normen:
VVG § 12 ABS 3, ZPO § 270 ABS 3, ZPO § 234 ABS 1, ZPO § 114
Leitsatz:
Leistungsfreiheit des Versicherers bei verspäteter Einreichung eines zweiten PKH-Gesuchs nach
Änderung der Sach- und Rechtslage und Unterlassung eines Zustellungsantrags nach § 65 Abs. 7 Nr.
3 u. 4 GKG.
Volltext:
Zwar kann aufgrund der neuen Erkenntnisse im Gutachten des Sach-
verständigen und nach dem Freispruch des Klägers vom Vorwurf der
fahrlässigen Brandstiftung nicht mehr ohne weiteres davon ausge-
gangen werden, daß der Kläger den Versicherungsfall grob fahrläs-
sig verursacht hat. Die Beklagte ist jedoch jedenfalls gemäß § 12
Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, da der An-
spruch auf Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich
geltend gemacht worden ist.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 19.2.1993, eingegangen bei den
zum Empfang bevollmächtigten jetzigen Prozeßbevollmächtigten des
Klägers am 22.2.1993, jegliche Ersatzansprüche abgelehnt. In dem
Schreiben ist eine ausreichende Belehrung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2
VVG vorhanden.
Eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung im Sinne von § 12
Abs. 3 Satz 1 VVG liegt nicht in dem Antrag des Klägers vom 21.6.
1993 auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe. Zwar kann auch ein Pro-
zeßkostenhilfegesuch die Frist des § 12 Abs. 3 VVG wahren; dies
gilt jedoch nur dann, wenn der Versicherungsnehmer nach Verweige-
rung der Prozeßkostenhilfe alles Zumutbare tut, damit die Klage
"demnächst" (§ 270 Abs. 3 ZPO) zugestellt wird (BGHZ 98, 295;
Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., § 12 Anm. 9 b m.w.N.).
Vorliegend wurde im ersten Prozeßkostenhilfeverfahren die begehrte
Prozeßkostenhilfe durch Beschluß endgültig verweigert. Zwar hat
der Kläger gleichzeitig mit seinem Prozeßkostenhilfegesuch eine
Klage eingereicht, deren Erhebung jedenfalls nicht ausdrücklich
von der Gewährung von Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht worden
ist. Eine ausreichende gerichtliche Geltendmachung liegt darin in-
des nicht, da eine solche eine Zustellung der Klage erfordert (BGH
a.a.O.; BGH VersR 1990, 882; BGH MDR 1995, 315). Eine solche Zu-
stellung der Klage konnte aufgrund mangelnder Zahlung eines Ge-
richtskostenvorschusses nicht erfolgen.
Allerdings besteht grundsätzlich keine Pflicht einer Partei zur
Zahlung von Gerichtsgebühren vor deren Anforderung (BGHZ 69, 361,
364; BGH r + s 1992, 109). Eine Partei darf jedoch nicht beliebig
lange eine gerichtliche Zahlungsaufforderung abwarten; sie ist
vielmehr verpflichtet, wenn eine Zahlungsaufforderung längere Zeit
ausbleibt, das Gericht an die Anforderung eines Vorschusses zu er-
innern oder den Vorschuß von sich aus zu berechnen und einzuzah-
len, um die Voraussetzungen für eine Zustellung der Klage "dem-
nächst" gemäß § 270 Abs. 3 ZPO zu schaffen (BGHZ 69, 361; OLG Cel-
le VersR 1976, 854; OLG Köln VersR 1987, 1230; Prölss/Martin
a.a.O., § 12 Anm. 9).
Das Versäumnis der Schaffung der Voraussetzungen für eine recht-
zeitige Klagezustellung ist auch nicht entschuldigt. Ein Entschul-
digungsgrund könnte zwar dann möglicherweise vorliegen, wenn dem
Kläger die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht möglich ge-
wesen sein sollte. Zweifelhaft ist insoweit bereits, ob sich
dies aus den Angaben des Klägers zu seinen persönlichen und wirt-
schaftlichen Verhältnissen im ersten Prozeßkostenhilfeverfahren
entnehmen läßt. Dies kann indes offenbleiben. Denn ein solcher
Entschuldigungsgrund wäre jedenfalls in dem Zeitpunkt entfallen,
in welchem der Kläger aufgrund der nunmehr vorgetragenen neuen Er-
kenntnisse, die gegen eine grob fahrlässige Verursachung des Bran-
des durch ihn sprechen, in der Lage gewesen wäre, ein erfolgver-
sprechendes Prozeßkostenhilfegesuch oder einen Antrag auf Zustel-
lung der Klage vor Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses gemäß
§ 65 Abs. 7 Nr.·3 oder 4 GKG zu stellen.
Diese Voraussetzungen dürften bereits nach Erstellung des Gutach-
tens vom 23.11.1994 eingetreten sein; spätestens jedoch nach er-
folgreichem Abschluß des Wiederaufnahmeverfahrens und seinem Frei-
spruch vom Vorwurf der fahrlässigen Brandstiftung durch Urteil vom
14.9.1995, rechtskräftig seit dem 22.9.1995, hätte der Kläger un-
verzüglich ein neues Prozeßkostenhilfegesuch oder einen Zustel-
lungsantrag gemäß § 65 Abs. 7 Nr. 3 oder 4 GKG stellen können und müssen. Auch unter Zubilligung einer weiteren
zweiwöchigen Frist analog § 234 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu z. B. BGHZ 98, 295, 301) für
die Stellung eines solchen Antrags ab Rechtskraft des Urteils war
das erst am 29.11.1995 bei dem Landgericht Osnabrück eingegangene
neue Prozeßkostenhilfegesuch verspätet, wobei der Kläger sich ein
evtl. Verschulden seiner Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen
müßte.