Urteil des OLG Oldenburg vom 26.05.1999

OLG Oldenburg: gemeinsame elterliche sorge, wohl des kindes, veränderte verhältnisse, bad, versorgung, hausmann, kindeswohl, teilzeitarbeit, gefahr, entscheidungsbefugnis

Gericht:
OLG OLDENBURG, 12. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 12 UF 10/99
Datum:
26.05.1999
Sachgebiet:
Normen:
BGB 1671 Abs 1, BGB 1696
Leitsatz:
Zur Beibehaltung einer Sorgerechtsregelung.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
12 UF 10/99
7 F 15/97 AG Bad Iburg
Beschluß
In der Familiensache
der Hausfrau Susanne L... – N... , ... , ... B... ,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
— Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ... —
gegen
den Hausmann N... N... , ... , ... B...
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
— Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt ... —
beteiligt:
Jugendamt des Landkreises Osnabrück
...
hat der 12. Zivilsenat — 4. Senat für Familiensachen — des Oberlandesgerichts Oldenburg am
26. Mai 1999
durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... , die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am
Oberlandesgericht ...
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Sorgerechtsentscheidung im Verbundurteil des Amtsgerichts -
Familiengericht – B... vom 30. November 1998 (Ziff. II des Tenors) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Wert für das Beschwerdeverfahren: 1.500,- DM
Dem Antragsgegner wird zur Verteidigung gegen die Beschwerde Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt ... , bewilligt.
Der Antrag der Antragstellerin, ihr für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozeßkostenhilfe zu bewilligen,
wird zurückgewiesen.
Gründe
Die ... geborene Antragstellerin und der ... geborene Antragsgegner waren seit Oktober 1988 verheiratet. Aus der
Ehe sind die am ... geborene Tochter J... sowie die am ... geborenen Zwillinge A... und D... hervorgegangen. Die
Antragstellerin war nach einem Streit Anfang Januar 1996 zu ihrem jetzigen Ehemann gezogen. Sie ist Mutter eines
weiteren, im ... geborenen Kindes.
Zum 31. Januar 1996 gab der Kläger seine Arbeitsstelle auf und widmet sich seitdem als Hausmann der Betreuung
und Versorgung der gemeinsamen Kinder. Zudem geht er einer Teilzeitarbeit als Hausmeister nach. Ihm wurde durch
Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Iburg vom 12. Juli 1996 die elterliche Sorge für die Zeit des
Getrenntlebens übertragen. Die gegen diesen Beschluß eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluß vom
01. November 1996 zurück.
Mit dem Vorbringen, sie sei während der Ehe die Hauptbezugsperson für die Kinder gewesen und diese sähen auch
jetzt ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter, hat die Antragstellerin im Scheidungsverfahren eine Übertragung der
elterlichen Sorge erstrebt. Ergänzend hat sie ausgeführt, daß bei ihr günstigere Voraussetzungen für die Versorgung
der Kinder gegeben seien, während der Antragsgegner sich bei der Einhaltung der Besuchskontakte als
unzuverlässig erwiesen habe.
Der Antragsgegner ist diesem Antrag entgegengetreten und hat die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich
beansprucht.
Durch das am 30. November 1998 verkündete Urteil hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bad Iburg die Ehe der
Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt, die elterliche Sorge dem Antragsgegner übertragen
und das Umgangsrecht geregelt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten
Beschwerde, soweit das Familiengericht ihrem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge nicht entsprochen hat.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt aus, daß durch die Eheschließung mit dem
Vater ihres zuletzt geborenen Kindes eine weitere Stabilisierung der Verhältnisse eingetreten sei. Der Bau eines
geräumigen Hauses sei beabsichtigt.
Die Antragstellerin beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg vom 30. November 1998 in Ziff. II zu ändern und festzustellen, daß es bei der
gemeinsamen elterlichen Sorge für die aus der Ehe der Parteien stammenden Kinder J... , A... und D... verbleibt
bzw. die gemeinsame elterliche Sorge wiederhergestellt und die Entscheidungsbefugnis über die Frage des
gewöhnlichen Aufenthaltes der Kinder auf sie übertragen wird.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Jugendamtes eingeholt.
Die nach §§ 621 e, 629 a Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB n.F. kann die elterliche Sorge einem Elternteil allein übertragen werden,
wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die entscheidende Voraussetzung für eine unmittelbare
Anwendung dieser Vorschrift, die gemeinsame elterliche Sorge beider Elternteile, ist hier jedoch deshalb nicht
gegeben, weil dem Antragsgegner bereits während der Trennungszeit die alleinige elterliche Sorge übertragen worden
war. Auch wenn das bis zum 30. Juni 1998 geltende Recht eine erneute Entscheidung über die elterliche Sorge bei
der Ehescheidung vorsah, besteht nach Auffassung des Senats für diese Altfälle keine Regelungslücke. Die einmal
getroffene Sorgerechtsregelung gilt fort, bis sie durch eine neue Entscheidung ersetzt wird. Da diesbezügliche
Anordnungen des Familiengerichts auch nicht unabänderlich sind, sondern jederzeit an veränderte Verhältnisse
angepaßt werden können, bedurfte es keiner Übergangsvorschrift. Ob die in der Trennungszeit getroffene Anordnung
beibehalten werden kann oder das Kindeswohl eine Änderung dieser Entscheidung gebietet, ist vielmehr nach § 1696
BGB zu beurteilen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Mai 1999 - 12 UF 67/99).
Der Senat tritt der angefochtenen Entscheidung bei, daß es dem Wohl der gemeinsamen Kinder nicht dienlich ist,
eine Änderung der früheren Anordnung herbeizuführen. Daß eine gemeinsame elterliche Sorge zur Zeit nicht in
Betracht kommt, kann angesichts der unbestritten noch immer zwischen den Parteien aufflammenden
Auseinandersetzungen nicht zweifelhaft sein. Ebensowenig ist es ausreichend, einem Elternteil lediglich das
Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen und es im übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen.
Denn dies hätte die notwendige Folge, daß die Parteien alle anderen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung
einvernehmlich regeln müßten. Es ist nicht ersichtlich, daß sie bei weiterhin bestehenden Spannungen dazu in der
Lage wären.
Unter diesen Umständen dient es dem Wohl der Kinder am besten, wenn sie weiterhin beim Vater leben. Gegenüber
den für den Senat für seine Entscheidung vom 01. November 1996 wesentlichen Gründen hat sich keine das
Kindeswohl nachhaltig berührende Veränderung ergeben.
Alle Kinder haben zu beiden Elternteilen enge, tragfähige Bindungen. Auch die Erziehungseignung beider Parteien
steht außer Frage. Daran ändert die von der Antragstellerin zu einzelnen Problemen vorgebrachte Kritik nichts.
Sowohl aus der Stellungnahme des Kindergartens als auch aus beiden Berichten des Jugendamtes geht hervor, daß
die Betreuung und Versorgung der Kinder durch den Vater nicht zu beanstanden ist. Insofern hat sich die
Einschätzung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 05. Juni 1996 (7 F 11/96 = 12 UF 124/96), daß der
Vater über genügende Kompetenzen in der Erziehung verfügt, bestätigt.
Soweit die Antragstellerin hervorhebt, daß sich ihre Beziehung zu Herrn L... durch die Eheschließung und das
gemeinsame Kind endgültig als stabil erwiesen habe, steht diesem Gesichtspunkt der Grundsatz der Kontinuität
entgegen. Der Antragsgegner hat seit der Trennung der Parteien vor jetzt mehr als drei Jahren die Versorgung und
Betreuung der Kinder übernommen. Damit hat die Hauptbezugsperson in einem für die Kinder sehr schwierigen
Zeitabschnitt gewechselt. Durch den Zeitablauf hat sich diese neue Rollenverteilung verfestigt und muß als
Tatsache von beiden Elternteilen hingenommen werden. Die Kinder haben ihren Vater in seiner neu übernommenen
Aufgabe akzeptiert und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsgegner seiner Verantwortung trotz der
zusätzlich übernommenen Teilzeitarbeit nicht gerecht wird. Es besteht damit kein Anlaß, durch eine Änderung der
früheren Entscheidung die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Erziehung (Palandt-Diederichsen § 1671 BGB Rn.
41) zu durchbrechen. Daneben ist entscheidend, daß die Kinder gut in ihr soziales Umfeld eingebunden sind. Dies
wiegt trotz der beengten Verhältnisse im Elternhaus stärker als die unbestimmte Erwartung der Antragstellerin, den
Kindern an einem anderen Wohnort eine günstigere Entwicklungsmöglichkeit bieten zu können.
Hinzu kommt, daß nach dem Bericht des Jugendamtes die Parteien allmählich eine Ebene gefunden haben, auf der
zwischen ihnen ein konfliktarmer Kontakt möglich erscheint. Jede Veränderung der bestehenden
Sorgerechtsregelung brächte aber die Gefahr, daß die erst seit kurzem in dem Verhältnis zwischen den
Erwachsenen einsetzende Beruhigung in neue Konflikte umschlägt. Durch die dann für die Kinder unvermeidlichen
Loyalitätskonflikte wäre deren Wohl in weit stärkerem Maße beeinträchtigt als durch die Beibehaltung einer
Betreuungssituation, die sich im Laufe der Jahre als tragfähig erwiesen hat. Demgegenüber sind Umstände, welche
die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich machten, nicht ersichtlich.
Da aus den vorstehenden Gründen sich die Beschwerde als unbegründet erweist, ist mangels hinreichender
Erfolgsaussicht der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe für die Durchführung ihres Rechtsmittels zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, 3 ZPO.
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