Urteil des OLG Oldenburg vom 24.02.1995

OLG Oldenburg: verbotene eigenmacht, verfügung, vollstreckung, gebäude, einfamilienhaus, grundstück, wohnung, räumung, störer, eigentümer

Gericht:
OLG Oldenburg, 05. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 5 W 24/95
Datum:
24.02.1995
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 130, ZPO § 935, BGB § 985, ZPO § 940A
Leitsatz:
Eine Räumungsklage gegen "Unbekannt" ist nur zulässig, wenn die Partei nach räumlichen und
zeitlichen Kriterien feststeht und es sich nicht um einen wechselnden Personenkreis handelt.
Volltext:
Oberlandesgericht Oldenburg
5. Zivilsenat
- 5 W 24/95 -
- 5 0 128/95 LG Aurich –
Beschluß
in dem einstweiligen Verfügungsverfahren
A ... J ... ,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollm.: Rechtsanwälte ... ,
gegen
die derzeit 7 bis 10 unbekannten Personen, die gegenwärtig in dem Einfamilienhaus U ... Str. ... in E ... , bestehend
aus sechs Zimmern, einer Küche, zwei Dielen, einem Bad, einem Abstellraum, einem Gäste-WC, mit ca. 160 qm
insgesamt, sowie einem 500 qm großen Garten nebst Parkplatz vor dem Gebäude, wohnen und die Antragstellerin in
der Ausübung ihrer Verfügungsrechte über ihr Eigentum stören,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 24. Februar 1995
durch die unterzeichneten Richter beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Au-rich vom 7. Februar 1995 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde fallen der Antragstellerin zur Last.
Der Gegenstandswert wird auf 12.960,— DM festgesetzt.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt von sieben bis zehn von ihr namentlich nicht benannten Personen die Räumung ihres
Einfamilienhauses nebst Grundstück.
Die Antragstellerin hatte ihr Einfamilienhaus nebst Grundstück zunächst an T ... T ... vermietet. Dieser hatte B ... B
... gestattet, dort mit einzuziehen. Die gegen beide ge-richtete Räumungsklage hatte zunächst das Amtsgericht
abgewiesen. Durch Urteil vom 02.12.1994 hatte das Landgericht auf die Berufung der Antragstellerin das Urteil
teilwei-se abgeändert und die Beklagte B ... wegen unerlaubter Untervermietung an der An-tragstellerin nicht
bekannte Person zur Räumung verurteilt, während es die Berufung hinsichtlich des Räumungsanspruchs gegen T ...
für unbegründet hielt, weil dieser das Haus bereits geräumt hätte. Zur Vollstreckung des Räumungsurteils kam es
nicht, nachdem Frau B ... hatte mitteilen lassen, daß sie die Wohnung ebenfalls geräumt ha-be, und einen Schlüssel
zurückgeschickt hatte. Die Annahme des Schlüssels wurde von der Antragstellerin verweigert, weil er nicht paßte.
Die weiteren Personen hatten mögli-cherweise das Schloß ausgewechselt.
Am 01.02.1995 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, um die
Herausgabe des Hauses zu erzwingen. Dazu hat sie vor-getragen, sie könne die jetzigen Bewohner nicht namentlich
benennen, weil sie ihr un-bekannt seien. Die vorherige Besitzerin B ... , mit der sie keinen Mietvertrag abge-
schlossen habe, habe fremden Personen den Einzug ohne ihren Willen gestattet. Ob es sich bei den jetzigen
Bewohnern um die gleichen Personen handele, wisse sie nicht, diese verweigerten die Angabe ihrer Personalien und
ließen sie nicht in das Haus.
Das Amtsgericht hat den Erlaß einer einstweiligen Verfügung abgelehnt, weil nicht das Amtsgericht sondern das
Landgericht als Gericht der Hauptsache zuständig sei, weil die Antragstellerin die Antragsgegner nicht hinreichend
bestimmt bezeichnet habe und weil schließlich die Voraussetzungen eines Räumungsanspruchs im Wege der
einstweiligen Verfügung gemäß § 940 a ZPO wegen in Betracht kommender Unter-Untervermietung nicht vorlägen.
Der Beschwerde der Antragstellerin hat das Amtsgericht teilweise abgeholfen und die Sache auf ihren
Verweisungsantrag an das Landgericht verwiesen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht den Antrag auf Erlaß der einst-weiligen Verfügung als
unzulässig abgelehnt, weil eine Identifizierung der “7 - 10 unbe-kannten Personen“ zur Konzentration auf einen
Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht möglich sei.
Die dagegen gerichtete zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Amts- und Landgericht haben den Antrag zutreffend als unzulässig abgelehnt.
Gemäß § 253 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muß eine Klageschrift und demzufolge auch die An-tragsschrift auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung die Bezeichnung der Parteien ent-halten. Zwar besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß die
Parteien in Ausnahmefällen nicht namentlich bezeichnet werden müssen, weil § 130 ZPO, auf den § 253 Abs. 3
ZPO verweist, insoweit nur Sollvorschritten enthält. Jedoch muß die Partei dann durch andere Merkmale bestimmt
sein, die keinen Zweifel an deren Identität zuläßt (OLG Köln NJW 82, 1888; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 253 Rn.
8). Dies kann nach überwie-gender Ansicht z.B. auch dadurch der Fall sein, daß eine Personengruppe nach räumli-
chen Kriterien und zeitlich vorübergehend feststeht, es sich also um eine bestimmte Anzahl von nicht wechselnden
Personen handelt (OLG Köln, a.a.0.; LG Hamm NJW 81, 1455; LG Krefeld NJW 82, 289; Zöller/Vollkommer, a.a.O.,
§ 935 Rn. 5; Münchener Kommentar/Lüke, ZPO § 253 Rn. 54; Stein-Jonas/Schumann ZPO, 20. Aufl., § 253 Rn. 32;
weiter einschränkend AK-ZPO-Wassermann, § 253 Rn. 7). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Abgesehen davon, daß die Antragstellerin die Anzahl der in Anspruch genommenen Personen nicht genau beziffert
hat (7 bis 10 Personen), so daß schon aus diesem Grund die gegnerische Partei nicht feststeht, handelt es sich
möglicherweise um einen wechselnden Personenkreis der jedenfalls teilweise dort nur zu Besuch weilt. Dies hat zur
Folge, daß die in dem Haus sich aufhaltenden Personen nicht individuell bestimmbar sind, weil sie zum Zeitpunkt
der Antragstellung, dem Erlaß der Entscheidung und der Vollstreckung nicht feststellbar identisch sind. Dies unter-
scheidet die von der Beschwerde herangezogene Entscheidung des LG Düsseldorf vom 17.10.1980 - 8 0 508/80 -
(zitiert bei Raeschke-Kessler, NJW 81, 663) vom hier zu entscheidenden Sachverhalt.
Demgegenüber hat allerdings das LG Kassel (NJW-RR 91, 381) angenommen, daß es ausreiche, wenn die Identität
der betroffenen Personen im Zeitpunkt der Vollstreckung feststehe, weil die Antragsgegner sich arglistig verhielten
und jeder, der sich zu diesem Zeitpunkt in dem Gebäude aufhalte, dort unberechtigt verweile und der Räumungs-
pflicht unterliege. Dieser Rechtsauffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie läuft im Ergebnis darauf
hinaus, im Prozeßrecht eine “Partei, die es angeht“ zuzu-lassen, was mit § 253 ZPO und den mit der Schaffung
eines Vollstreckungstitels ver-bundenen Folgen nicht vereinbar ist (ebenso MüKo-Lüke, a.a.O., § 253 Rn. 55). Ein
arglistiges Verhalten einer Partei mag es rechtfertigen, diese nicht namentlich benen-nen zu müssen. Steht sie aber
individuell nicht fest, wie z.B. bei einem Besucher, der sich zufällig zum Zeitpunkt der Vollstreckung im Hause
aufhält, ohne zu wissen, daß der Bewohner sich unberechtigt dort aufhält, handelt diese Partei nicht arglistig, wäre
aber unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung gleichwohl Partei mit der Folge, mit den Kosten des Verfahrens
und der Vollstreckung belastet zu werden.
Der Senat verkennt nicht, daß es in Fällen der Hausbesetzung für einen Grundstücks-eigentümer schwierig ist oder
gar unmöglich sein kann, die Besetzer mit zivilrechtlichen Mitteln in Anspruch zu nehmen. Auch dieser Umstand
kann es aus den dargelegten Gründen aber nicht rechtfertigen, auf eine wie auch immer bestimmte Bezeichnung der
Partei als individuell feststehende Person oder Personengruppe zu verzichten. Hausbe-setzer sind Störer im Sinne
des öffentlichen Rechts, so daß das Problem mit polizei-rechtlichen Mitteln zu lösen ist, wenn zivilrechtliche
Maßnahmen nicht möglich sind.
Ob es sich bei den hier in Anspruch genommenen unbekannten Antragsgegnern aller-dings um Hausbesetzer im
eigentlichen Sinne handelt, ist zweifelhaft, weil für das Haus der Antragstellerin sieben namentlich bekannte
Personen beim Einwohnermeldeamt gemeldet sind, so daß zu vermuten ist, daß diese sich dort auch aufhalten.
Auch des-halb begegnen dem gegen Unbekannt gerichteten Antrag weitere Bedenken. Sogar nach der
weitergehenden Rechtsprechung des LG Kassel ist nämlich ein gegen unbe-kannte Personen gerichteter Antrag nur
zulässig, wenn die Namen nicht auf zumutbare Weise zu beschaffen sind.
Nach alledem ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung unzulässig, so daß die Beschwerde mit der
Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen war. Der Be-schwerdewert ist nach dem einjährigen Nutzungswert
bemessen worden (§ 16 Abs. 2 S. 2 GKG; vgl. Hartmann, Kostengesetze, 23. Aufl., § 16 GKG, Anm. 3 B).
Bezüglich, des möglichen weiteren Vorgehens der Antragstellerin weist der Senat vor-sorglich darauf hin, daß die
Beschwerde auch nicht begründet gewesen wäre, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, daß die
derzeitigen Bewohner das Grund-stück durch verbotene Eigenmacht in Besitz genommen haben (§ 940a ZPO).
Insoweit wird auf den Beschluß des Amtsgerichts Emden vom 3.2.1995 verwiesen. Verbotene Eigenmacht läge
auch dann nicht vor, wenn die frühere Beklagte B ... nicht aufgrund eines Mietvertrages in der Wohnung gewohnt
hätte, sondern nur aufgrund einer Ges-tattung durch den früheren Mieter T ... , sie aber den dort jetzt aufhältigen
Personen das. Wohnen gestattet hätte (§ 869 S. 1 BGB; vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 54. Aufl., § 869 Rn. 1).
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