Urteil des OLG Oldenburg vom 05.06.1996

OLG Oldenburg: berufsunfähigkeit, berufsausübung, versicherer, erfahrung, lebensstellung, versicherungsnehmer, beweislast, markt, zusatzversicherung, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 U 79/96
Datum:
05.06.1996
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Vollständige Berufsunfähigkeit gemäß § 2 BB-BUZ, wenn nur 30 % der bisherigen Tätigkeiten nicht
mehr ausgeführt werden können, der VN aber deshalb überhaupt nicht mehr am Arbeitsplatz zu
beschäftigen ist.
Volltext:
Aufgrund der im ersten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme
steht fest, daß der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als
Filialleiter in einem Baby-Markt berufsunfähig im Sinne von §§ l,
2 der "Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung"
der Beklagten (im folgenden: B-BUZ) ist, und die Beklagte hat für
einen sogenannten Vergleichsberuf nichts vorgetragen.
Ob die Beklagte die anfängliche Berufsunfähigkeit des Klägers ge-
mäß § 5 B-BUZ anerkannt hat und damit auf das Nachprüfungsverfah-
ren nach § 7 B-BUZ angewiesen ist, wie das Landgericht angenommen
hat, oder ob - was näher liegt - die Beklagte lediglich aufgrund
der Fiktion nach § 2 Nr. 3 B-BUZ gezahlt hat mit der Folge, daß
den Kläger die Beweislast für das Fortbestehen der Berufsunfähig-
keit trifft (Prölss-Martin, VVG, 25. Aufl., § 2 BUZ Anm. 5), kann
dahinstehen. Denn auch nach allgemeinen Grundsätzen hat der Kläger
bewiesen, daß er infolge eines Herzinfarkts außerstande ist, sei-
nen Beruf auszuüben (§ 2 Nr. l B-BUZ).
Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist
grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten
maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war (BGH
VersR l993, l47O). Nach der Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitge-
bers des Klägers, die zwischen den Parteien unstreitig ist, ge-
staltete sich die letzte Berufsausübung des Klägers wie folgt:
"3O % leitende, aufsichtsführende Tätigkeit,
4O % kaufmännische Tätigkeit, Verkauf mit leichter körperlicher
Tätigkeit,
3O % körperliche Tätigkeiten: Wareneingänge etc.", worunter das
Tragen schwerer Kartons und Kisten zu verstehen ist.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. R, das von keiner der
Parteien angegriffen wird, ist der Kläger infolge des erlittenen
Herzinfarkts nicht mehr in der Lage, die letztgenannten Tätigkei-
ten zu erbringen. Das führt freilich nicht dazu, daß er lediglich
zu 3O % berufsunfähig wäre, wie dies das Landgericht angenommen
hat. Die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit des Klägers ist viel-
mehr dadurch gekennzeichnet, daß sie zu 3O % schwere körperliche
Arbeiten umfaßte. Kann der Kläger - wie feststeht - diese nicht
mehr ausüben, kann er die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit über-
haupt nicht mehr erbringen, das heißt er ist zu lOO % berufsunfä-
hig.
Es kann dann allein noch gefragt werden, ob der Kläger aufgrund
der ihm noch möglichen leitenden, aufsichtsführenden und kaufmän-
nischen Tätigkeiten (mit leichter körperlicher Arbeit) auf eine
andere Tätigkeit verwiesen werden kann, die aufgrund seiner Aus-
bildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen
Lebensstellung entspricht (§ 2 Nr. l B-BUZ). Für den Versiche-
rungsnehmer genügt in einem Fall der vorliegenden Art zunächst ein
summarischer Vortrag dahin, daß er auch keine andere Tätigkeit
dieser Art verrichten kann. Dieser summarischen Darlegungslast hat
der Kläger bereits in erster Instanz durch den Hinweis genügt, daß
für ihn nur noch eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im kaufmänni-
schen Bereich in Frage komme, wobei er eine Einkommensbuße von
(4.65O DM - 3.2OO DM =) l.45O DM monatlich hinzunehmen hätte. Er
ist zu Recht der Auffassung, daß eine solche Tätigkeit, die zu ei-
nem Einkommensverlust von ca. 3l % führen würde, jedenfalls in dem
hier zu diskutierenden Rahmen (4.65O DM gegenüber 3.2OO DM) nicht
mehr seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Demgegenüber ist es Sache des beklagten Versicherers, die nach
seiner Ansicht bestehenden Möglichkeiten eines sogenannten Ver-
gleichsberufs aufzuzeigen. Nicht der Versicherungsnehmer und nicht
der Versicherte, sondern der branchenerfahrene Versicherer verfügt
über das Instrumentarium, das es erlaubt, Tätigkeiten aufzuzeigen,
die mit dem bisherigen Beruf der versicherten Person vergleichbar
sind. Schließlich ist auch er es gewesen, der die Modalitäten ei-
ner zulässigen Verweisung in seinen einschlägigen Versicherungsbe-
dingungen festgelegt hat. Soweit der Versicherer - als Ausgangs-
punkt für das Aufzeigen von Vergleichsberufen - auf die Kenntnis
der Ausgestaltung des bisherigen Berufs angewiesen ist, kann er
diesem Anliegen ausreichend mit einer Unterrichtungsobliegenheit
in seinen Versicherungsbedingungen Rechnung tragen (BGH VersR
l988, 234, 236; BGH VersR l994, lO95, lO96). Zu den Voraussetzun-
gen eines Vergleichsberufs trägt die Beklagte indes .. nichts vor.